Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.andrer, selbst hervorragender Schriftsteller. Ihm einen Mangel an persönlicher Man hat viel über das Verhältniß Ludwigs XIV. zu Moliere und die andrer, selbst hervorragender Schriftsteller. Ihm einen Mangel an persönlicher Man hat viel über das Verhältniß Ludwigs XIV. zu Moliere und die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151233"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1671" prev="#ID_1670"> andrer, selbst hervorragender Schriftsteller. Ihm einen Mangel an persönlicher<lb/> Würde vorzuwerfen, wie Schlegel in übelwollender Weise gethan hat, ist man<lb/> am allerwenigsten berechtigt. Ja wo sich Molivre an den König direct wendet,<lb/> überrascht er dnrch seine einfache, stellenweise sogar für die damalige Zeit un¬<lb/> erhört offene und freimüthige Sprache, so wenn er dem Könige mit der Ein¬<lb/> stellung seiner dichterischen Thätigkeit droht, falls das Verbot des „Tartüffe"<lb/> nicht zurückgenommen werden sollte. Ludwig XIV. ließ sich das gefallen und<lb/> entzog dem Dichter, bei dessen erstem Kinde er Pathenstelle übernommen und<lb/> dem er außer der persönlichen Pension auch für seine Bühne einen jährlichen<lb/> Zuschuß ausgesetzt hatte, auch ferner seine Huld nicht. Bei dieser Stellung des<lb/> Dichters zum Könige ist es ganz unglaublich, wie zuletzt noch Lindau und<lb/> Mahrenholtz angenommen haben, daß er in seinem „Amphitryon" mit der Liebe<lb/> Jupiters zu Alkmene auf das Verhältniß des Königs zur Frau von Montespan<lb/> habe anspielen wollen, weder in tadelnden Sinn — das wäre gegen seine Loya¬<lb/> lität gewesen — noch in beschönigenden — diese Servilität hätte seinem männ¬<lb/> lichen Charakter widerstanden. Den einzig richtigen Tnet, an solche Dinge über¬<lb/> haupt nicht zu rühren, darf man Molivre wohl zutrauen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1672" next="#ID_1673"> Man hat viel über das Verhältniß Ludwigs XIV. zu Moliere und die<lb/> Erspießlichkeit desselben für letzteren geschrieben. Es mag richtig sei», daß der<lb/> König weder ein innerliches, wahres Interesse an Mvlisre nahm, noch — hierin<lb/> den meisten seiner Zeitgenossen gleich — dessen hervorragende dichterische Be-<lb/> deutung erkannte, daß er ihn in der Hauptsache nur benutzte zur Erheiterung<lb/> müßiger Stunden und zur Verschönerung seiner prunkvollen Hoffeste, und man<lb/> mag bedauern, daß Molisre als „Farceur" des Königs an die genannten Zwecke<lb/> soviel edle Zeit verschwenden mußte, die er besser zur Schöpfung von Werten<lb/> unvergänglicherer Natur hätte benutzen können, wie man in ähnlicher Weise<lb/> Goethes Stellung zum Weimarer Hofe beklagt hat. Allein man schafft nicht<lb/> alle Tage Meisterwerke, auch wenn man ein Meister ist und die Zeit duzn hat,<lb/> und andrerseits ist anzuerkennen, was und wieviel Moliöre dem Lebe» am Hofe<lb/> und in höfischen Kreisen gerade für seine Kunst verdankte, wie durch den edlen<lb/> Verkehr und die feine Umgangssprache auch die Feinheit seiner Darstellung ge¬<lb/> winnen, und welch reichen Stoff zu Beobachtungen eines eigen gearteten Lebens<lb/> und somit welche Anregung zu poetischem Schaffen sich ihm dort darbieten<lb/> mußte. Es war dies eine Ergänzung der wesentlich anders gearteten Erfah¬<lb/> rungen, die er auf seinen Wanderungen in der Provinz gemacht, und der Welt-<lb/> und Menschenkenntniß, die er sich dort erworben hatte. So hat ihm das hö¬<lb/> fische Leben, kann man sagen, mindestens ebensoviel gegeben als es ihm genommen<lb/> hat, zumal da ihm der unabhängige Sinn, wie wir gesehen haben, immer ge¬<lb/> blieben ist. Endlich aber hätte Moliöre mit Stücken von solcher Kühnheit wie<lb/> „Tartüffe" und „Don Juan" gar nicht wagen dürfen, an die Oeffentlichkeit zu<lb/> treten, wenn er nicht einen Rückhalt am König gehabt hätte, den man sich da-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
andrer, selbst hervorragender Schriftsteller. Ihm einen Mangel an persönlicher
Würde vorzuwerfen, wie Schlegel in übelwollender Weise gethan hat, ist man
am allerwenigsten berechtigt. Ja wo sich Molivre an den König direct wendet,
überrascht er dnrch seine einfache, stellenweise sogar für die damalige Zeit un¬
erhört offene und freimüthige Sprache, so wenn er dem Könige mit der Ein¬
stellung seiner dichterischen Thätigkeit droht, falls das Verbot des „Tartüffe"
nicht zurückgenommen werden sollte. Ludwig XIV. ließ sich das gefallen und
entzog dem Dichter, bei dessen erstem Kinde er Pathenstelle übernommen und
dem er außer der persönlichen Pension auch für seine Bühne einen jährlichen
Zuschuß ausgesetzt hatte, auch ferner seine Huld nicht. Bei dieser Stellung des
Dichters zum Könige ist es ganz unglaublich, wie zuletzt noch Lindau und
Mahrenholtz angenommen haben, daß er in seinem „Amphitryon" mit der Liebe
Jupiters zu Alkmene auf das Verhältniß des Königs zur Frau von Montespan
habe anspielen wollen, weder in tadelnden Sinn — das wäre gegen seine Loya¬
lität gewesen — noch in beschönigenden — diese Servilität hätte seinem männ¬
lichen Charakter widerstanden. Den einzig richtigen Tnet, an solche Dinge über¬
haupt nicht zu rühren, darf man Molivre wohl zutrauen.
Man hat viel über das Verhältniß Ludwigs XIV. zu Moliere und die
Erspießlichkeit desselben für letzteren geschrieben. Es mag richtig sei», daß der
König weder ein innerliches, wahres Interesse an Mvlisre nahm, noch — hierin
den meisten seiner Zeitgenossen gleich — dessen hervorragende dichterische Be-
deutung erkannte, daß er ihn in der Hauptsache nur benutzte zur Erheiterung
müßiger Stunden und zur Verschönerung seiner prunkvollen Hoffeste, und man
mag bedauern, daß Molisre als „Farceur" des Königs an die genannten Zwecke
soviel edle Zeit verschwenden mußte, die er besser zur Schöpfung von Werten
unvergänglicherer Natur hätte benutzen können, wie man in ähnlicher Weise
Goethes Stellung zum Weimarer Hofe beklagt hat. Allein man schafft nicht
alle Tage Meisterwerke, auch wenn man ein Meister ist und die Zeit duzn hat,
und andrerseits ist anzuerkennen, was und wieviel Moliöre dem Lebe» am Hofe
und in höfischen Kreisen gerade für seine Kunst verdankte, wie durch den edlen
Verkehr und die feine Umgangssprache auch die Feinheit seiner Darstellung ge¬
winnen, und welch reichen Stoff zu Beobachtungen eines eigen gearteten Lebens
und somit welche Anregung zu poetischem Schaffen sich ihm dort darbieten
mußte. Es war dies eine Ergänzung der wesentlich anders gearteten Erfah¬
rungen, die er auf seinen Wanderungen in der Provinz gemacht, und der Welt-
und Menschenkenntniß, die er sich dort erworben hatte. So hat ihm das hö¬
fische Leben, kann man sagen, mindestens ebensoviel gegeben als es ihm genommen
hat, zumal da ihm der unabhängige Sinn, wie wir gesehen haben, immer ge¬
blieben ist. Endlich aber hätte Moliöre mit Stücken von solcher Kühnheit wie
„Tartüffe" und „Don Juan" gar nicht wagen dürfen, an die Oeffentlichkeit zu
treten, wenn er nicht einen Rückhalt am König gehabt hätte, den man sich da-
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