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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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seinem Ziele, Nationalität auf wirtschaftlichem Gebiete, ist jn nach innen ebenso¬
wohl eine Bethätigung der Freihandelsideen wie nach außen eine Durchführung
des Schutzzollsystems, Wie würde der Praktiker Stein heutzutage nicht müde
werden, auf die erprobten Erfolge des Tabnksmonvpols in Oesterreich, Frank¬
reich, Spanien und Italien hinzuweisen, wenn er damit den arbeitenden Klassen
und den überbürdeten Gemeinden eine dauernde Entlastung und Unterstützung
gewähren könnte!

Jn völligem Gegensatz befand sich Stein zu den Grundsätzen der heutigen
Fortschrittspartei rücksichtlich der Freizügigkeit, gegen deren unbedingte Aus¬
führung er einen lebhaften Widerwillen äußerte (Pertz VI, 1184): "Wer be¬
rechtigt den Staat, eine Gemeinde zu zwingen, einen Menschen in ihren Verein
aufzunehmen, der durchaus keine Bürgschaft für sein Betragen zu geben vermag
und das Eigenthum der übrigen alten Einwohner beeinträchtigt?" (Denkschrift
vom 24. December 1830.)

Der Grund, weshalb Stein nicht noch viel schroffer zu der Theorie des
iMsser Kurs in Gegensatz trat, ist einmal der, daß "überall das Gegenwärtige
aus dem Vergangenen entwickelt werden muß, wenn man ihm eine Dauer für
die Zukunft versichern will," sodann aber, daß ein "gesundes Volksleben zwischen
Staat und Individuum noch mancherlei Mittelgruppen -- Jnteressegenosscn-
schaften -- nöthig hat, an die sich der schwache vergängliche Einzel¬
mensch anlehnen kann." (V, 184, 226.)

Ferner giebt Stein auf die Frage, ob die corporativen Grundsätze der ge¬
selligen Einrichtungen natürlich und nothwendig seien, oder ob die neuern Gleich¬
heitsbegriffe für sie eintreten können, die von tiefer Weisheit zeugende Antwort:
"Wer im Leben der Völker und der Familien aus Erfahrung weiß, wie wenig
in Bezug auf Freiheit und Recht ein persönliches, wie viel ein moralisches
Individuum vermag, wird nicht zögern, sich für das Erste zu entscheiden," d. h.
also für die corporativen Verbände; wie denn Stein überhaupt eine Reform
des alten Zunftwesens plante. (Edda.)

Was nämlich die Gewerbefreiheit angeht, so stellt sich auch da Stein
in directen Gegensatz zu deu Ansichten der heutigen Fortschrittspartei und der
Secessionisten. Wenn Quesnay und Adam Smith jede Beschränkung der Ge-
werbefreiheit für einen Eingriff in das dem Menschen zustehende Eigenthum
seiner geistigen und körperlichen Kräfte und für ein Hinderniß der aus der
Arbeit entstehenden Vermehrung des Nationalreichthums erklären, so hebt Stein
daneben die Nothwendigkeit hervor, der Verwilderung, Pfuscherei, Verarmung
der Gewerbtreibenden und ihrer sittlichen Herabwürdigung durch zweckmäßige
Anordnungen zuvorzukommen. Uebrigens -- sagt Noscher a. a. O. S. 721 --
stehen die wiederholten Warnungen Steins vor unbedingter Gewerbefreiheit
regelmäßig zusammen mit den Aeußerungen seiner Vesorgniß vor gemißbrauchter
Freiheit der Boden-Mobilisirung.


seinem Ziele, Nationalität auf wirtschaftlichem Gebiete, ist jn nach innen ebenso¬
wohl eine Bethätigung der Freihandelsideen wie nach außen eine Durchführung
des Schutzzollsystems, Wie würde der Praktiker Stein heutzutage nicht müde
werden, auf die erprobten Erfolge des Tabnksmonvpols in Oesterreich, Frank¬
reich, Spanien und Italien hinzuweisen, wenn er damit den arbeitenden Klassen
und den überbürdeten Gemeinden eine dauernde Entlastung und Unterstützung
gewähren könnte!

Jn völligem Gegensatz befand sich Stein zu den Grundsätzen der heutigen
Fortschrittspartei rücksichtlich der Freizügigkeit, gegen deren unbedingte Aus¬
führung er einen lebhaften Widerwillen äußerte (Pertz VI, 1184): „Wer be¬
rechtigt den Staat, eine Gemeinde zu zwingen, einen Menschen in ihren Verein
aufzunehmen, der durchaus keine Bürgschaft für sein Betragen zu geben vermag
und das Eigenthum der übrigen alten Einwohner beeinträchtigt?" (Denkschrift
vom 24. December 1830.)

Der Grund, weshalb Stein nicht noch viel schroffer zu der Theorie des
iMsser Kurs in Gegensatz trat, ist einmal der, daß „überall das Gegenwärtige
aus dem Vergangenen entwickelt werden muß, wenn man ihm eine Dauer für
die Zukunft versichern will," sodann aber, daß ein „gesundes Volksleben zwischen
Staat und Individuum noch mancherlei Mittelgruppen — Jnteressegenosscn-
schaften — nöthig hat, an die sich der schwache vergängliche Einzel¬
mensch anlehnen kann." (V, 184, 226.)

Ferner giebt Stein auf die Frage, ob die corporativen Grundsätze der ge¬
selligen Einrichtungen natürlich und nothwendig seien, oder ob die neuern Gleich¬
heitsbegriffe für sie eintreten können, die von tiefer Weisheit zeugende Antwort:
„Wer im Leben der Völker und der Familien aus Erfahrung weiß, wie wenig
in Bezug auf Freiheit und Recht ein persönliches, wie viel ein moralisches
Individuum vermag, wird nicht zögern, sich für das Erste zu entscheiden," d. h.
also für die corporativen Verbände; wie denn Stein überhaupt eine Reform
des alten Zunftwesens plante. (Edda.)

Was nämlich die Gewerbefreiheit angeht, so stellt sich auch da Stein
in directen Gegensatz zu deu Ansichten der heutigen Fortschrittspartei und der
Secessionisten. Wenn Quesnay und Adam Smith jede Beschränkung der Ge-
werbefreiheit für einen Eingriff in das dem Menschen zustehende Eigenthum
seiner geistigen und körperlichen Kräfte und für ein Hinderniß der aus der
Arbeit entstehenden Vermehrung des Nationalreichthums erklären, so hebt Stein
daneben die Nothwendigkeit hervor, der Verwilderung, Pfuscherei, Verarmung
der Gewerbtreibenden und ihrer sittlichen Herabwürdigung durch zweckmäßige
Anordnungen zuvorzukommen. Uebrigens — sagt Noscher a. a. O. S. 721 —
stehen die wiederholten Warnungen Steins vor unbedingter Gewerbefreiheit
regelmäßig zusammen mit den Aeußerungen seiner Vesorgniß vor gemißbrauchter
Freiheit der Boden-Mobilisirung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/494>, abgerufen am 16.01.2025.