Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Die Juden in Rumänien, Um das Jahr 1362 merkten die Rumänen endlich, daß sich eine wirthschaft¬ Wenn aber ein Volk sich selbst nicht schaffe" kaun, was ihm gebührt und Es giebt Rumänen, welche, so sehr sie diese Zustände beklagen, doch anerkennen, Ich entfernte mich ans dem Quartier der Juden mit dein Eindrucke, diese *) Die galizischen und russische" Jude" sind Aschkeimsim, sie spreche" unter sich el" ver¬
dorbenes Deutsch. Die ältern Judencolonie" in Galatz und Braila gehören zum Zweige der Sephardim, deren Hauptsprache spanische" Ursprungs ist. Die Juden in Rumänien, Um das Jahr 1362 merkten die Rumänen endlich, daß sich eine wirthschaft¬ Wenn aber ein Volk sich selbst nicht schaffe» kaun, was ihm gebührt und Es giebt Rumänen, welche, so sehr sie diese Zustände beklagen, doch anerkennen, Ich entfernte mich ans dem Quartier der Juden mit dein Eindrucke, diese *) Die galizischen und russische» Jude» sind Aschkeimsim, sie spreche» unter sich el» ver¬
dorbenes Deutsch. Die ältern Judencolonie» in Galatz und Braila gehören zum Zweige der Sephardim, deren Hauptsprache spanische» Ursprungs ist. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151206"/> <fw type="header" place="top"> Die Juden in Rumänien,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1586"> Um das Jahr 1362 merkten die Rumänen endlich, daß sich eine wirthschaft¬<lb/> liche und sociale Eroberung in ihrem Lande vollziehe. Die Juden kamen geradezu<lb/> massenhaft über die Grenzen und brachten fremde Anschauungen und Gewohnheiten,<lb/> auch eine Art Deutsch mit.*) Sie bildeten mitten im Lande eine Gesellschaft für<lb/> sich, deren Mitglieder sich gegenseitig gegen das Interesse der Eingebornen unter¬<lb/> stützten. Die letzter» glaubten sich gegen diese Eindringlinge dadurch vertheidigen<lb/> zu können, daß sie dieselben außerhalb des gemeinen Rechts stellte». Es wurde<lb/> den Juden ausdrücklich untersagt, Schenkwirthschaft zu betreiben und Grund und<lb/> Boden zu erwerben, und um zwischen ihnen und, der rumänischen Race eine un-<lb/> übersteigliche Schranke aufzurichten, schrieben die Rumänen in ihre Verfassung (Ar¬<lb/> tikel 7): „Nur die Fremden der christlichen Bekenntnisse könne» die Naturalisation<lb/> erlangen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1587"> Wenn aber ein Volk sich selbst nicht schaffe» kaun, was ihm gebührt und<lb/> noththut, und wenn die obern Klassen in Vergessenheit ihrer socialen Obliegenheiten<lb/> dahinleben, so habe« Verfassungen, Gesetze und Verfügungen nicht die Kraft, die<lb/> Interessen desselben zu wahren, und die Racen, welche ihre Kräfte aus der Achtung<lb/> vor Ueberlieferungen und aus der Beobachtung des großen Gesetzes der Arbeit<lb/> schöpfen, sind bestimmt, ihre Stelle auf Erden einzunehmen. Jene Verhütungs¬<lb/> maßregeln waren leicht zu umgeben. Die Rumänen selbst »rächten sich zu Mit¬<lb/> schuldigen der Juden. Diese hatten Geld und drückten damit auf Bojaren und<lb/> Bauern. Mau sah dies selbst bei denen, welche ihre Feindschaft gegen das ein¬<lb/> gedrungen» Judenthum am deutlichsten und lauteste» kundgegeben hatten. Sie<lb/> liehen deu Israeliten ihre Namen zum Kaufe von Grundeigenthum, das sie ge¬<lb/> setzlich nicht besitzen sollten. Die Eigenthümer von Schenken konnten bald den<lb/> Anerbietungen nicht mehr widerstehen, die ihnen gemacht wurden, und um sich<lb/> gegenüber der Behörde zu decke», verpachtete» sie an Rumänen, die ihrerseits Juden<lb/> als Verkäufer in ihre Dienste nähme». In Vaslni versuchte der Präfect vor zwei<lb/> Jahren diesem Mißbrauch ein Ende zu machen, aber siehe da, der Protest der<lb/> jüdischen Gemeinde war so wirksam, daß die Centralverwaltung diesen Beamten<lb/> opfern mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1588"> Es giebt Rumänen, welche, so sehr sie diese Zustände beklagen, doch anerkennen,<lb/> daß der Erfolg der Juden sich zu einem großen Theil auf ihre Lebensklugheit,<lb/> Rührigkeit und Sparsamkeit zurückführen läßt. »Wenn es mir einmal Passirt, sagte<lb/> mir einer von ihnen, daß ich des Nachts durch die Straßen Jassys gehe, und ich<lb/> hier und da durch die Spalten eines Ladens ein flackerndes Licht sehe, so möchte<lb/> ich tausend gegen eins wetten, daß es ein Jude ist, der noch arbeitet. Zur Thür<lb/> hinausgewiesen, steigen einem diese Leute durchs Fenster wieder herein. Sie er¬<lb/> rathen immer, was man »öthig hat, und kommen alle Augenblicke, um ihre Dienste<lb/> anzilbiete». Es wäre gcradez» unmöglich, der Juden ganz zu erdulde», sie sind<lb/> nothwendige Werkzeuge, um die Angelegenheiten in Gang zu bringen, sie zu treiben<lb/> und zu fördern und Absatzwege aufzusuchen, aber es geht mit ihnen wie mit dein<lb/> Sauerteig, thut man davon zu viel an die Pastete, so verdirbt sie.« . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_1589" next="#ID_1590"> Ich entfernte mich ans dem Quartier der Juden mit dein Eindrucke, diese<lb/> jüdische Race, welche in der übrigen Welt noch zerstreut ist und von Ort zu Ort<lb/> wundert sdas trifft bei den Landschaften des ehemaligen Polen nicht zuj, hier endlich</p><lb/> <note xml:id="FID_76" place="foot"> *) Die galizischen und russische» Jude» sind Aschkeimsim, sie spreche» unter sich el» ver¬<lb/> dorbenes Deutsch. Die ältern Judencolonie» in Galatz und Braila gehören zum Zweige<lb/> der Sephardim, deren Hauptsprache spanische» Ursprungs ist.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
Die Juden in Rumänien,
Um das Jahr 1362 merkten die Rumänen endlich, daß sich eine wirthschaft¬
liche und sociale Eroberung in ihrem Lande vollziehe. Die Juden kamen geradezu
massenhaft über die Grenzen und brachten fremde Anschauungen und Gewohnheiten,
auch eine Art Deutsch mit.*) Sie bildeten mitten im Lande eine Gesellschaft für
sich, deren Mitglieder sich gegenseitig gegen das Interesse der Eingebornen unter¬
stützten. Die letzter» glaubten sich gegen diese Eindringlinge dadurch vertheidigen
zu können, daß sie dieselben außerhalb des gemeinen Rechts stellte». Es wurde
den Juden ausdrücklich untersagt, Schenkwirthschaft zu betreiben und Grund und
Boden zu erwerben, und um zwischen ihnen und, der rumänischen Race eine un-
übersteigliche Schranke aufzurichten, schrieben die Rumänen in ihre Verfassung (Ar¬
tikel 7): „Nur die Fremden der christlichen Bekenntnisse könne» die Naturalisation
erlangen."
Wenn aber ein Volk sich selbst nicht schaffe» kaun, was ihm gebührt und
noththut, und wenn die obern Klassen in Vergessenheit ihrer socialen Obliegenheiten
dahinleben, so habe« Verfassungen, Gesetze und Verfügungen nicht die Kraft, die
Interessen desselben zu wahren, und die Racen, welche ihre Kräfte aus der Achtung
vor Ueberlieferungen und aus der Beobachtung des großen Gesetzes der Arbeit
schöpfen, sind bestimmt, ihre Stelle auf Erden einzunehmen. Jene Verhütungs¬
maßregeln waren leicht zu umgeben. Die Rumänen selbst »rächten sich zu Mit¬
schuldigen der Juden. Diese hatten Geld und drückten damit auf Bojaren und
Bauern. Mau sah dies selbst bei denen, welche ihre Feindschaft gegen das ein¬
gedrungen» Judenthum am deutlichsten und lauteste» kundgegeben hatten. Sie
liehen deu Israeliten ihre Namen zum Kaufe von Grundeigenthum, das sie ge¬
setzlich nicht besitzen sollten. Die Eigenthümer von Schenken konnten bald den
Anerbietungen nicht mehr widerstehen, die ihnen gemacht wurden, und um sich
gegenüber der Behörde zu decke», verpachtete» sie an Rumänen, die ihrerseits Juden
als Verkäufer in ihre Dienste nähme». In Vaslni versuchte der Präfect vor zwei
Jahren diesem Mißbrauch ein Ende zu machen, aber siehe da, der Protest der
jüdischen Gemeinde war so wirksam, daß die Centralverwaltung diesen Beamten
opfern mußte.
Es giebt Rumänen, welche, so sehr sie diese Zustände beklagen, doch anerkennen,
daß der Erfolg der Juden sich zu einem großen Theil auf ihre Lebensklugheit,
Rührigkeit und Sparsamkeit zurückführen läßt. »Wenn es mir einmal Passirt, sagte
mir einer von ihnen, daß ich des Nachts durch die Straßen Jassys gehe, und ich
hier und da durch die Spalten eines Ladens ein flackerndes Licht sehe, so möchte
ich tausend gegen eins wetten, daß es ein Jude ist, der noch arbeitet. Zur Thür
hinausgewiesen, steigen einem diese Leute durchs Fenster wieder herein. Sie er¬
rathen immer, was man »öthig hat, und kommen alle Augenblicke, um ihre Dienste
anzilbiete». Es wäre gcradez» unmöglich, der Juden ganz zu erdulde», sie sind
nothwendige Werkzeuge, um die Angelegenheiten in Gang zu bringen, sie zu treiben
und zu fördern und Absatzwege aufzusuchen, aber es geht mit ihnen wie mit dein
Sauerteig, thut man davon zu viel an die Pastete, so verdirbt sie.« . . .
Ich entfernte mich ans dem Quartier der Juden mit dein Eindrucke, diese
jüdische Race, welche in der übrigen Welt noch zerstreut ist und von Ort zu Ort
wundert sdas trifft bei den Landschaften des ehemaligen Polen nicht zuj, hier endlich
*) Die galizischen und russische» Jude» sind Aschkeimsim, sie spreche» unter sich el» ver¬
dorbenes Deutsch. Die ältern Judencolonie» in Galatz und Braila gehören zum Zweige
der Sephardim, deren Hauptsprache spanische» Ursprungs ist.
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