Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.durch das Bedürfniß aufgestachelt, auf nichts als Erwerb von Geld abzielend, da Fremde, besonders Touristen, kommen selten hierher. So geschah es, daß mich Wo die StiÄäa, (Zlolvii. und die Straita, cüuon zusammenstoßen, bildet der Hügel Ein Dorf, wo es eine Judeuschcuke giebt, ist ein von den Juden erobertes durch das Bedürfniß aufgestachelt, auf nichts als Erwerb von Geld abzielend, da Fremde, besonders Touristen, kommen selten hierher. So geschah es, daß mich Wo die StiÄäa, (Zlolvii. und die Straita, cüuon zusammenstoßen, bildet der Hügel Ein Dorf, wo es eine Judeuschcuke giebt, ist ein von den Juden erobertes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151201"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1570" prev="#ID_1569"> durch das Bedürfniß aufgestachelt, auf nichts als Erwerb von Geld abzielend, da<lb/> man ihnen den Erwerb vo» Land verweigert, machen sie ihrem unersättlichen Stre'ber-<lb/> thum die stärkste aller Kräfte dienstbar, die, welche darin besteht, daß man seine<lb/> Leidenschaften schweigen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1571"> Fremde, besonders Touristen, kommen selten hierher. So geschah es, daß mich<lb/> diese Juden mit Blicken maßen, die zu fragen schienen, was mich wohl in dieses<lb/> Quartier geführt haben möge. Ich faßte in einer Ecke des mittelsten Platzes<lb/> Posto und öffnete meine Zeichenmappe. Augenblicklich, wie auf einen Znuber-<lb/> schlag, leerte sich die Straße um mich. Die Leute zogen sich in ihre Höhlen zurück<lb/> und drehten mir den Rücken zu. Die, welche vorbeigingen, näherten sich, um z»<lb/> sehen, was ich machte, und eilten dann davon, als ob ich sie bezaubern wollte.<lb/> Man schien ihnen gerathen zu haben, sich niemals zeichnen oder Photographiren<lb/> zu lasse»; auch bei deu verschiedenen Photographen der Stadt konnte ich keinen<lb/> von diesen Typen finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1572"> Wo die StiÄäa, (Zlolvii. und die Straita, cüuon zusammenstoßen, bildet der Hügel<lb/> einen Sporn. Auf der andern Seite erhebt er sich schroff, und auf einem steilen<lb/> Wege über die Abdachung gelaugt man nach der Vorstadt Tataraschi. Diese Vor¬<lb/> stadt galt lange Zeit als das Belleville von Jassy. Von hier kam bei Aufständen<lb/> das Signal zum Losbruch. Die Bauern, die hier wohnen, haben alle ein Häuschen<lb/> mit einem Garten. Für gewöhnlich arbeitsam und friedfertig, werden sie in un¬<lb/> ruhigen Tagen gefährlich wie Wilde. Zwischen diesen Vorstädtern und den Juden<lb/> bestand seit Jahren ein traditioneller Haß. Niemals wagten die letztern Tataraschi<lb/> zu betreten. Jetzt aber halten sie dort sogar Schenken, in denen sie ungestört den<lb/> Branntwein des Landes (r^obiu) verkaufe». Die Ursache dieser Veränderung ist<lb/> sehr einfacher Art. Es hat einige schlechte Ernten gegeben, und die Bauern haben<lb/> Geld gebraucht. Die Juden haben es hergelichen und sich dann von ihren Schuldnern<lb/> helfen lassen, um allmählich Schenken anzulegen. Für die Einwohner Jassys,<lb/> welche die Vorgänge im Jndeuquartier nicht verfolgen, ist die Thatsache, daß die<lb/> Juden in Tataraschi Fuß gefaßt haben, ein Zeichen der Zeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1573" next="#ID_1574"> Ein Dorf, wo es eine Judeuschcuke giebt, ist ein von den Juden erobertes<lb/> Dorf. Sein Ruin ist nur eine Frage der Zeit. Alle Welt geht durch die scheute,<lb/> hält sich da auf und Plaudert, und der Schnapsvcrkäufer wird bald der am beste»<lb/> unterrichtete Mann der Gegend. Er erfährt, was jedes Gut trägt, wie viel Pro-<lb/> ducte man verkauft hat, was der Besitzer ausgiebt, seine Bedürfnisse, seine Ge¬<lb/> wohnheiten, wie viel er in der Tasche hat. Diese Kenntniß wird dann geschickt<lb/> benutzt, und hat der Jude einen begüterten Murr einmal in den Händen, so ist<lb/> dessen vollständiger Ruin in der Regel nicht fern. Aber die wohlhabende Classe<lb/> kann sich vor Verlust hüten, sie braucht sich nur in Acht zu nehmen. Interessant<lb/> aber ist es zu sehen, durch welches Verhältniß der ärmere Bauer in die Schlinge<lb/> fällt, die der Jude ihm legt. Die Mehrzahl der rumänische« Landleute sind durch<lb/> das Gesetz von 1364 Grundeigenthümer geworden, und sie haben so wenig Be¬<lb/> dürfnisse, daß sie ohne viel Arbeit für sich und ihre Familie den Lebensunterhalt<lb/> beschaffen könne». Ihre Kleidung verfertige» sie sich selbst, sie besteht aus Hemd<lb/> und Hosen von Leinwand, einem breiten Ledergürtel, einer Weste von Schaffell,<lb/> einem breitrandigen Filzhut und einer Ledersohle, die mit starken Riemen um<lb/> untern Beine befestigt ist. Ihre Nahrung ist sehr einfach. Für gewöhnlich ißt<lb/> um» nur die Mnmaliga, d. h. einen steifgekochten Maisbrei, Bohnensuppe oder<lb/> Sauerkraut, bisweilen Käse, Milch, gesalzene Fische, nur selten Pökelfleisch (Mök-mena).<lb/> Rechnet man mit den hnndertuudfünfuudzwauzig Fasttagen im Jahre, an denen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
durch das Bedürfniß aufgestachelt, auf nichts als Erwerb von Geld abzielend, da
man ihnen den Erwerb vo» Land verweigert, machen sie ihrem unersättlichen Stre'ber-
thum die stärkste aller Kräfte dienstbar, die, welche darin besteht, daß man seine
Leidenschaften schweigen läßt.
Fremde, besonders Touristen, kommen selten hierher. So geschah es, daß mich
diese Juden mit Blicken maßen, die zu fragen schienen, was mich wohl in dieses
Quartier geführt haben möge. Ich faßte in einer Ecke des mittelsten Platzes
Posto und öffnete meine Zeichenmappe. Augenblicklich, wie auf einen Znuber-
schlag, leerte sich die Straße um mich. Die Leute zogen sich in ihre Höhlen zurück
und drehten mir den Rücken zu. Die, welche vorbeigingen, näherten sich, um z»
sehen, was ich machte, und eilten dann davon, als ob ich sie bezaubern wollte.
Man schien ihnen gerathen zu haben, sich niemals zeichnen oder Photographiren
zu lasse»; auch bei deu verschiedenen Photographen der Stadt konnte ich keinen
von diesen Typen finden.
Wo die StiÄäa, (Zlolvii. und die Straita, cüuon zusammenstoßen, bildet der Hügel
einen Sporn. Auf der andern Seite erhebt er sich schroff, und auf einem steilen
Wege über die Abdachung gelaugt man nach der Vorstadt Tataraschi. Diese Vor¬
stadt galt lange Zeit als das Belleville von Jassy. Von hier kam bei Aufständen
das Signal zum Losbruch. Die Bauern, die hier wohnen, haben alle ein Häuschen
mit einem Garten. Für gewöhnlich arbeitsam und friedfertig, werden sie in un¬
ruhigen Tagen gefährlich wie Wilde. Zwischen diesen Vorstädtern und den Juden
bestand seit Jahren ein traditioneller Haß. Niemals wagten die letztern Tataraschi
zu betreten. Jetzt aber halten sie dort sogar Schenken, in denen sie ungestört den
Branntwein des Landes (r^obiu) verkaufe». Die Ursache dieser Veränderung ist
sehr einfacher Art. Es hat einige schlechte Ernten gegeben, und die Bauern haben
Geld gebraucht. Die Juden haben es hergelichen und sich dann von ihren Schuldnern
helfen lassen, um allmählich Schenken anzulegen. Für die Einwohner Jassys,
welche die Vorgänge im Jndeuquartier nicht verfolgen, ist die Thatsache, daß die
Juden in Tataraschi Fuß gefaßt haben, ein Zeichen der Zeit.
Ein Dorf, wo es eine Judeuschcuke giebt, ist ein von den Juden erobertes
Dorf. Sein Ruin ist nur eine Frage der Zeit. Alle Welt geht durch die scheute,
hält sich da auf und Plaudert, und der Schnapsvcrkäufer wird bald der am beste»
unterrichtete Mann der Gegend. Er erfährt, was jedes Gut trägt, wie viel Pro-
ducte man verkauft hat, was der Besitzer ausgiebt, seine Bedürfnisse, seine Ge¬
wohnheiten, wie viel er in der Tasche hat. Diese Kenntniß wird dann geschickt
benutzt, und hat der Jude einen begüterten Murr einmal in den Händen, so ist
dessen vollständiger Ruin in der Regel nicht fern. Aber die wohlhabende Classe
kann sich vor Verlust hüten, sie braucht sich nur in Acht zu nehmen. Interessant
aber ist es zu sehen, durch welches Verhältniß der ärmere Bauer in die Schlinge
fällt, die der Jude ihm legt. Die Mehrzahl der rumänische« Landleute sind durch
das Gesetz von 1364 Grundeigenthümer geworden, und sie haben so wenig Be¬
dürfnisse, daß sie ohne viel Arbeit für sich und ihre Familie den Lebensunterhalt
beschaffen könne». Ihre Kleidung verfertige» sie sich selbst, sie besteht aus Hemd
und Hosen von Leinwand, einem breiten Ledergürtel, einer Weste von Schaffell,
einem breitrandigen Filzhut und einer Ledersohle, die mit starken Riemen um
untern Beine befestigt ist. Ihre Nahrung ist sehr einfach. Für gewöhnlich ißt
um» nur die Mnmaliga, d. h. einen steifgekochten Maisbrei, Bohnensuppe oder
Sauerkraut, bisweilen Käse, Milch, gesalzene Fische, nur selten Pökelfleisch (Mök-mena).
Rechnet man mit den hnndertuudfünfuudzwauzig Fasttagen im Jahre, an denen
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