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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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petroleumquellen in Deutschland.

noch einfacher, indem man den Theer mittels hölzerner Löffel abschöpft. Auf
diese Weise werden täglich 3--4 Pfund aus einer Grube gewonnen. Bei Oedesse
oder genauer Oelheim taucht man nur Biusenbiischcl in die Flüssigkeit der Grube,
läßt das Wasser ablaufen und streift dann das Petroleum herunter, was täglich
zwei- bis dreimal ausgeführt wird. Das Oel kommt hier schon auf die Ober¬
fläche des schwarzen Wassers, wenn der Grund des letzter" aufgewühlt wird.

Hundert Jahre nach Lachmund ließ der Hofmedicus Taube in Cette "Bei¬
träge zur Naturkunde des Herzogthums Cette" erscheinen, welche über die Theer-
auellcn von Witze, Hänigseu, Edemissen und Schilde Nachricht geben. Ueber
letztere Fundstätte theilt er einen Brief eines Ingenieurs mit. Müller, so hieß
der Ingenieur, hatte gefunden, daß das Erdreich auf dem sogenannten Thecr-
berge bei Schilde mit Theer völlig durchdrungen war; er hatte nachgraben lassen
und entdeckt, daß der mit Sandadern durchzogene blätterige blaue Thon in den
Nissen voller flüssigen Theers war. Auch hatte er, als man bei dieser Ge¬
legenheit ans eine alte Grube stieß, erfahren, daß sich hier bereits vor Zeiten
Theergruben befunden hätten.

Gegen Ende des Jahrhunderts fing man an, auch auf dem Reitliug Theer
abzuhauen. Ein Bergwerksunternehmer ließ zwei Schächte abteufen. Der eine
wurde ergiebig, es fand ein reichlicher Oelzufluß aus Thonschichten statt. Der
Ertrag belief sich in den nächsten Jahren in jeder Grube auf 3000 bis 6000
Pfund Theer.

Zu einer stärkern Ausbeutung der Funde ist es dann vor den neuesten
Unternehmungen nicht gekommen. Wohl aber hat die Gegend seit reichlich vierzig
Jahren das wissenschaftliche Interesse in steigendem Maße in Anspruch genommen.
Zuerst hat der auch um die Zuckcrindustrie verdiente Chemiker Lampadius den
Bergtheer von Werden untersucht. Um dieselbe Zeit hat der Geologe Bunsen
die ganze Oelregion einer wissenschaftlichen Prüfung unterworfen. Nach Vunseu
haben sich viele andre Geologen mit diesem und jenem Strich befaßt, was jedoch
für den Hauptzweck, die Oelgewinnnng im großen, nicht von bedeutendem Werth
geworden ist.

Vor zwanzig Jahren, gerade als die amerikanische Petroleumindustrie auf¬
zubinden begann, wurde die hnnnoversche Regierung auf den ungeheuern Schatz,
der in ihrem Lande möglicherweise vergraben liege, aufmerksam. Sie veran¬
staltete mehrere Jahre hindurch Bohrungen, doch ohne Erfolg, da die Boh¬
rungen weder tief genug, noch mit hinreichender Ausdauer ausgeführt worden zu
sein scheinen. Doch entwickelte sich die amerikanische Petrolenmindustrie so riesen¬
haft und die erzielten Gewinne waren so enorm, daß die deutschen Oelgebiete
das Interesse immer wieder von neuem herausforderten. Professor L. Harpcr
war es, der hierzu vor einem Jahrzehnt den Anstoß gab. Er war an ameri¬
kanischen Petroleumuuternehmungen betheiligt gewesen, hatte die dortigen Ver¬
hältnisse genau keimen gelernt und unterwarf nach seiner Rückkehr aus Amerika


petroleumquellen in Deutschland.

noch einfacher, indem man den Theer mittels hölzerner Löffel abschöpft. Auf
diese Weise werden täglich 3—4 Pfund aus einer Grube gewonnen. Bei Oedesse
oder genauer Oelheim taucht man nur Biusenbiischcl in die Flüssigkeit der Grube,
läßt das Wasser ablaufen und streift dann das Petroleum herunter, was täglich
zwei- bis dreimal ausgeführt wird. Das Oel kommt hier schon auf die Ober¬
fläche des schwarzen Wassers, wenn der Grund des letzter« aufgewühlt wird.

Hundert Jahre nach Lachmund ließ der Hofmedicus Taube in Cette „Bei¬
träge zur Naturkunde des Herzogthums Cette" erscheinen, welche über die Theer-
auellcn von Witze, Hänigseu, Edemissen und Schilde Nachricht geben. Ueber
letztere Fundstätte theilt er einen Brief eines Ingenieurs mit. Müller, so hieß
der Ingenieur, hatte gefunden, daß das Erdreich auf dem sogenannten Thecr-
berge bei Schilde mit Theer völlig durchdrungen war; er hatte nachgraben lassen
und entdeckt, daß der mit Sandadern durchzogene blätterige blaue Thon in den
Nissen voller flüssigen Theers war. Auch hatte er, als man bei dieser Ge¬
legenheit ans eine alte Grube stieß, erfahren, daß sich hier bereits vor Zeiten
Theergruben befunden hätten.

Gegen Ende des Jahrhunderts fing man an, auch auf dem Reitliug Theer
abzuhauen. Ein Bergwerksunternehmer ließ zwei Schächte abteufen. Der eine
wurde ergiebig, es fand ein reichlicher Oelzufluß aus Thonschichten statt. Der
Ertrag belief sich in den nächsten Jahren in jeder Grube auf 3000 bis 6000
Pfund Theer.

Zu einer stärkern Ausbeutung der Funde ist es dann vor den neuesten
Unternehmungen nicht gekommen. Wohl aber hat die Gegend seit reichlich vierzig
Jahren das wissenschaftliche Interesse in steigendem Maße in Anspruch genommen.
Zuerst hat der auch um die Zuckcrindustrie verdiente Chemiker Lampadius den
Bergtheer von Werden untersucht. Um dieselbe Zeit hat der Geologe Bunsen
die ganze Oelregion einer wissenschaftlichen Prüfung unterworfen. Nach Vunseu
haben sich viele andre Geologen mit diesem und jenem Strich befaßt, was jedoch
für den Hauptzweck, die Oelgewinnnng im großen, nicht von bedeutendem Werth
geworden ist.

Vor zwanzig Jahren, gerade als die amerikanische Petroleumindustrie auf¬
zubinden begann, wurde die hnnnoversche Regierung auf den ungeheuern Schatz,
der in ihrem Lande möglicherweise vergraben liege, aufmerksam. Sie veran¬
staltete mehrere Jahre hindurch Bohrungen, doch ohne Erfolg, da die Boh¬
rungen weder tief genug, noch mit hinreichender Ausdauer ausgeführt worden zu
sein scheinen. Doch entwickelte sich die amerikanische Petrolenmindustrie so riesen¬
haft und die erzielten Gewinne waren so enorm, daß die deutschen Oelgebiete
das Interesse immer wieder von neuem herausforderten. Professor L. Harpcr
war es, der hierzu vor einem Jahrzehnt den Anstoß gab. Er war an ameri¬
kanischen Petroleumuuternehmungen betheiligt gewesen, hatte die dortigen Ver¬
hältnisse genau keimen gelernt und unterwarf nach seiner Rückkehr aus Amerika


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[0432] petroleumquellen in Deutschland. noch einfacher, indem man den Theer mittels hölzerner Löffel abschöpft. Auf diese Weise werden täglich 3—4 Pfund aus einer Grube gewonnen. Bei Oedesse oder genauer Oelheim taucht man nur Biusenbiischcl in die Flüssigkeit der Grube, läßt das Wasser ablaufen und streift dann das Petroleum herunter, was täglich zwei- bis dreimal ausgeführt wird. Das Oel kommt hier schon auf die Ober¬ fläche des schwarzen Wassers, wenn der Grund des letzter« aufgewühlt wird. Hundert Jahre nach Lachmund ließ der Hofmedicus Taube in Cette „Bei¬ träge zur Naturkunde des Herzogthums Cette" erscheinen, welche über die Theer- auellcn von Witze, Hänigseu, Edemissen und Schilde Nachricht geben. Ueber letztere Fundstätte theilt er einen Brief eines Ingenieurs mit. Müller, so hieß der Ingenieur, hatte gefunden, daß das Erdreich auf dem sogenannten Thecr- berge bei Schilde mit Theer völlig durchdrungen war; er hatte nachgraben lassen und entdeckt, daß der mit Sandadern durchzogene blätterige blaue Thon in den Nissen voller flüssigen Theers war. Auch hatte er, als man bei dieser Ge¬ legenheit ans eine alte Grube stieß, erfahren, daß sich hier bereits vor Zeiten Theergruben befunden hätten. Gegen Ende des Jahrhunderts fing man an, auch auf dem Reitliug Theer abzuhauen. Ein Bergwerksunternehmer ließ zwei Schächte abteufen. Der eine wurde ergiebig, es fand ein reichlicher Oelzufluß aus Thonschichten statt. Der Ertrag belief sich in den nächsten Jahren in jeder Grube auf 3000 bis 6000 Pfund Theer. Zu einer stärkern Ausbeutung der Funde ist es dann vor den neuesten Unternehmungen nicht gekommen. Wohl aber hat die Gegend seit reichlich vierzig Jahren das wissenschaftliche Interesse in steigendem Maße in Anspruch genommen. Zuerst hat der auch um die Zuckcrindustrie verdiente Chemiker Lampadius den Bergtheer von Werden untersucht. Um dieselbe Zeit hat der Geologe Bunsen die ganze Oelregion einer wissenschaftlichen Prüfung unterworfen. Nach Vunseu haben sich viele andre Geologen mit diesem und jenem Strich befaßt, was jedoch für den Hauptzweck, die Oelgewinnnng im großen, nicht von bedeutendem Werth geworden ist. Vor zwanzig Jahren, gerade als die amerikanische Petroleumindustrie auf¬ zubinden begann, wurde die hnnnoversche Regierung auf den ungeheuern Schatz, der in ihrem Lande möglicherweise vergraben liege, aufmerksam. Sie veran¬ staltete mehrere Jahre hindurch Bohrungen, doch ohne Erfolg, da die Boh¬ rungen weder tief genug, noch mit hinreichender Ausdauer ausgeführt worden zu sein scheinen. Doch entwickelte sich die amerikanische Petrolenmindustrie so riesen¬ haft und die erzielten Gewinne waren so enorm, daß die deutschen Oelgebiete das Interesse immer wieder von neuem herausforderten. Professor L. Harpcr war es, der hierzu vor einem Jahrzehnt den Anstoß gab. Er war an ameri¬ kanischen Petroleumuuternehmungen betheiligt gewesen, hatte die dortigen Ver¬ hältnisse genau keimen gelernt und unterwarf nach seiner Rückkehr aus Amerika

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/432>, abgerufen am 15.01.2025.