Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Das Ministerium Gambetta. kann, eine Reorganisation der gegenwärtigen Jnstizeinrichtnng, und eS wird ein Unklar ist es, wenn ferner gesagt wird, die neue Regierung bezwecke daS Im ganze" enthält das Programm Gambettas nichts neues und über¬ Sehen wir uns die Liste der Minister näher an, die Gambetta zu seinen Das Ministerium Gambetta. kann, eine Reorganisation der gegenwärtigen Jnstizeinrichtnng, und eS wird ein Unklar ist es, wenn ferner gesagt wird, die neue Regierung bezwecke daS Im ganze» enthält das Programm Gambettas nichts neues und über¬ Sehen wir uns die Liste der Minister näher an, die Gambetta zu seinen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151106"/> <fw type="header" place="top"> Das Ministerium Gambetta.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1269" prev="#ID_1268"> kann, eine Reorganisation der gegenwärtigen Jnstizeinrichtnng, und eS wird ein<lb/> Plan aufs Tapet gebracht werden, der die Absetzbarkeit der Richter sowie die<lb/> Beseitigung gewisser Gerichtshöfe einschließt. Hier wird man sehr vorsichtig ver¬<lb/> fahren müssen, wenn die mit der strengen Unparteilichkeit des Richtcrstandcs<lb/> eng verknüpften öffentlichen Freiheiten nicht beeinträchtigt werden sollen. Daß<lb/> Gambetta, wie er andeutet, die Gedanken einer nationalen Erziehung und einer<lb/> Vervollständigung der Militärgesetzc festhält, konnte man im voraus wissen. Sehr<lb/> erfreulich werden der Landbevölkerung die Versprechungen des Gambettascheu<lb/> Programms sein, uach welchen die Lasten, die ans den ackerbauenden Klassen<lb/> liegen, und die, welche durch die Conscription für Heer und Flotte auferlegt<lb/> sind, verändert werden sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1270"> Unklar ist es, wenn ferner gesagt wird, die neue Regierung bezwecke daS<lb/> „wirthschaftliche Regime der verschiedenen Gewerbe" durch Verträge zu fixiren<lb/> und „den Mitteln der Production, des Verkehrs und des Austausches einen<lb/> lebendigeren Nutrieb und eine immer sich steigernde Entwicklung zu verleihen."<lb/> Diese Worte können mehr enthalten, als sie ausdrücken. Alles kommt auf das<lb/> Wie a». Vielleicht liegen sreihändlcrische Absichten darin, vielleicht auch nicht.<lb/> Wie es damit steht, wird sich zeigen, wenn die Verhandlungen über den Handels¬<lb/> vertrag mit England wieder werden aufgenommen werden. Gambetta selbst gilt<lb/> für den Freihandel geneigt, aber die große Mehrzahl der Franzosen ist entgegen¬<lb/> gesetzter Ueberzeugung. Die Erklärung, daß das Concordat streug angewendet<lb/> und von den Kirchen Achtung vor dem Staate erzwungen werden soll, gewinnt<lb/> große Bedeutung, wenn man sie mit der Ernennung Paul Berth zum Cultus¬<lb/> minister zusammenheilt. Zum Schlüsse äußert Gambetta seineu Entschluß, im<lb/> Innern die Ordnung und nach außen hin den Frieden anfrecht zu erhalten —<lb/> Dinge, die jeder Minister verspricht, obwohl der Redner es hier aufrichtig zu<lb/> meinen scheint</p><lb/> <p xml:id="ID_1271"> Im ganze» enthält das Programm Gambettas nichts neues und über¬<lb/> raschendes als die Wendung, welche das Ministerium mit Frankreich identificirt,<lb/> was sich etwas eigenthümlich aufnimmt, wenn schließlich bemerkt wird, die Re¬<lb/> gierung werde zur Durchführung ihrer Absichten des vollen und ganzen Ver-<lb/> trauens „der Republikaner" in der Versammlung bedürfen. Die Thatsache ist<lb/> richtig, aber es würde folgerichtiger und dabei versöhnlicher und höflicher ge¬<lb/> klungen haben, wenn mau gesagt hätte, mau verlasse sich auf das gesammte<lb/> Haus; denn am Ende vertritt doch die Minorität ein volles Viertel der Wähler<lb/> Frankreichs, in dessen Namen Gambetta regieren und reformiren will.</p><lb/> <p xml:id="ID_1272" next="#ID_1273"> Sehen wir uns die Liste der Minister näher an, die Gambetta zu seinen<lb/> Gehilfen gewählt hat, so kann man das neue Cabinet als ein Cabinet von<lb/> Journalisten bezeichnen, dem ein Soldat, ein Seemann, ein Professor und ein<lb/> Advocat beigemischt sind. Auch das wäre nicht unrichtig, wenn man sagen<lb/> wollte, noch vor wenigen Tagen hätte Gambetta die Mehrzahl seiner Collegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
Das Ministerium Gambetta.
kann, eine Reorganisation der gegenwärtigen Jnstizeinrichtnng, und eS wird ein
Plan aufs Tapet gebracht werden, der die Absetzbarkeit der Richter sowie die
Beseitigung gewisser Gerichtshöfe einschließt. Hier wird man sehr vorsichtig ver¬
fahren müssen, wenn die mit der strengen Unparteilichkeit des Richtcrstandcs
eng verknüpften öffentlichen Freiheiten nicht beeinträchtigt werden sollen. Daß
Gambetta, wie er andeutet, die Gedanken einer nationalen Erziehung und einer
Vervollständigung der Militärgesetzc festhält, konnte man im voraus wissen. Sehr
erfreulich werden der Landbevölkerung die Versprechungen des Gambettascheu
Programms sein, uach welchen die Lasten, die ans den ackerbauenden Klassen
liegen, und die, welche durch die Conscription für Heer und Flotte auferlegt
sind, verändert werden sollen.
Unklar ist es, wenn ferner gesagt wird, die neue Regierung bezwecke daS
„wirthschaftliche Regime der verschiedenen Gewerbe" durch Verträge zu fixiren
und „den Mitteln der Production, des Verkehrs und des Austausches einen
lebendigeren Nutrieb und eine immer sich steigernde Entwicklung zu verleihen."
Diese Worte können mehr enthalten, als sie ausdrücken. Alles kommt auf das
Wie a». Vielleicht liegen sreihändlcrische Absichten darin, vielleicht auch nicht.
Wie es damit steht, wird sich zeigen, wenn die Verhandlungen über den Handels¬
vertrag mit England wieder werden aufgenommen werden. Gambetta selbst gilt
für den Freihandel geneigt, aber die große Mehrzahl der Franzosen ist entgegen¬
gesetzter Ueberzeugung. Die Erklärung, daß das Concordat streug angewendet
und von den Kirchen Achtung vor dem Staate erzwungen werden soll, gewinnt
große Bedeutung, wenn man sie mit der Ernennung Paul Berth zum Cultus¬
minister zusammenheilt. Zum Schlüsse äußert Gambetta seineu Entschluß, im
Innern die Ordnung und nach außen hin den Frieden anfrecht zu erhalten —
Dinge, die jeder Minister verspricht, obwohl der Redner es hier aufrichtig zu
meinen scheint
Im ganze» enthält das Programm Gambettas nichts neues und über¬
raschendes als die Wendung, welche das Ministerium mit Frankreich identificirt,
was sich etwas eigenthümlich aufnimmt, wenn schließlich bemerkt wird, die Re¬
gierung werde zur Durchführung ihrer Absichten des vollen und ganzen Ver-
trauens „der Republikaner" in der Versammlung bedürfen. Die Thatsache ist
richtig, aber es würde folgerichtiger und dabei versöhnlicher und höflicher ge¬
klungen haben, wenn mau gesagt hätte, mau verlasse sich auf das gesammte
Haus; denn am Ende vertritt doch die Minorität ein volles Viertel der Wähler
Frankreichs, in dessen Namen Gambetta regieren und reformiren will.
Sehen wir uns die Liste der Minister näher an, die Gambetta zu seinen
Gehilfen gewählt hat, so kann man das neue Cabinet als ein Cabinet von
Journalisten bezeichnen, dem ein Soldat, ein Seemann, ein Professor und ein
Advocat beigemischt sind. Auch das wäre nicht unrichtig, wenn man sagen
wollte, noch vor wenigen Tagen hätte Gambetta die Mehrzahl seiner Collegen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |