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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Rubens in Italien.

welchem die das Buch haltenden Hände ruhen, die Nische mit der Büste und
der Ausblick durch die Halle auf eine freundliche Lmidschast -- alles stimmt
Zug für Zug mit dem florentinischen Bilde überein, ist demselben aber hin¬
sichtlich der Ausführung so unendlich überlegen, daß nur zwei Möglichkeiten
vorhanden sind. Entweder ist das Florentiner Bild eine theilweise recht schwache
Copie nach einem verschollenen Bilde des Rubens, zu welchem das Brüsseler
Porträt als Vorstudie diente, oder es ist von Schülern oder Nachahmern nach
verschiedenen Vorbildern zusammengestoppelt, wofür auch die leblose Haltung
und die flachen Köpfe der Brüder Rubens sprechen. Nach diesen Auseinander¬
setzungen ist die Angabe des Bearbeiters der neuesten Auflage von Burckhardts
"Cicerone" zu berichtigen, welcher das Bild "wenige Jahre nach des Meisters
Rückkehr nach Antwerpen" entstanden sein läßt.

Das Datum des Jahres 1606 trägt ein Porträt der Marquise Brigitta
Spinola, der Braut des Dogen Doria von Genua, in der Sammlung des
Herrn Banks. Rooses glaubt, daß die Bezeichnung erst später auf das Bild
gekommen und daß vielmehr 1607 zu lesen sei, in welchem Jahre sich Rubens
in Genua aufhielt. Vielleicht hat Rubens die Dame aber auch in Rom kennen
gelernt und gemalt.

In einem Briefe vom 2. December 1606 gedenkt Rubens zunächst des
großen Auftrages, welchen er für die Kirche der Redemptoristen Sa. Maria
in Vallicella, vielleicht durch die Vermittlung des Cardinals Scipio Borghese,
erhalten hatte. Der Herzog von Mantua hatte plötzlich seine Rückkehr gewünscht
und Chieppiv ihm von diesem Entschlüsse Mittheilung gemacht. Nun bittet er
dringend um Verlängerung seines Urlaubs. Er habe den ganzen Sommer seinen
Studien gewidmet und sei dadurch in Geldverlegenheiten gerathen. Mit den
140 Scudi, die er von Mantua erhalten, könnte er mit zwei Dienern nicht
auskommen. Er sei genöthigt gewesen, einen Auftrag anzunehmen, und der
habe sich ihm in der glänzendsten und ehrenvollsten Weise geboten. Für den
Hochaltar der Kirche Sa. Maria in Vallicella, welche jetzt die besuchteste von
Rom sei, weil sie mitten im Centrum der Stadt liege, solle er ein Bild malen.
Den ersten Malern Roms, die sich alle darum bewarben, sei er vorgezogen
worden, und alle seine Gönner, unter ihnen der Cardinal Borghese, seien voller
Erwartung, die er befriedigen müsse. Chieppios Fürsprache muß sehr warm ge¬
wesen sein; denn am 13. December schrieb der Herzog an seinen Secretär: "Wir
wollen den Termin von drei Monaten (so viel hatte sich Rubens ausgebeten)
dem Peter Paul nach seinem Wunsche bewilligen---- Ihr könnt ihn im übrigen
wissen lassen, daß er mit diesen drei Monaten machen kann, was er will, aber
daß er unfehlbar zu Ostern nach Mantua kommen soll. Wir wollen ihm in
seinem Wunsche lieber mehr als weniger nachgeben." Wir können aus diesen
Zeilen entnehmen, wie hoch der Herzog seinen Maler geschätzt haben muß, obwohl
er seiner künstlerischen Bedeutung nur ein geringes Verständniß entgegenbrachte.


Rubens in Italien.

welchem die das Buch haltenden Hände ruhen, die Nische mit der Büste und
der Ausblick durch die Halle auf eine freundliche Lmidschast — alles stimmt
Zug für Zug mit dem florentinischen Bilde überein, ist demselben aber hin¬
sichtlich der Ausführung so unendlich überlegen, daß nur zwei Möglichkeiten
vorhanden sind. Entweder ist das Florentiner Bild eine theilweise recht schwache
Copie nach einem verschollenen Bilde des Rubens, zu welchem das Brüsseler
Porträt als Vorstudie diente, oder es ist von Schülern oder Nachahmern nach
verschiedenen Vorbildern zusammengestoppelt, wofür auch die leblose Haltung
und die flachen Köpfe der Brüder Rubens sprechen. Nach diesen Auseinander¬
setzungen ist die Angabe des Bearbeiters der neuesten Auflage von Burckhardts
„Cicerone" zu berichtigen, welcher das Bild „wenige Jahre nach des Meisters
Rückkehr nach Antwerpen" entstanden sein läßt.

Das Datum des Jahres 1606 trägt ein Porträt der Marquise Brigitta
Spinola, der Braut des Dogen Doria von Genua, in der Sammlung des
Herrn Banks. Rooses glaubt, daß die Bezeichnung erst später auf das Bild
gekommen und daß vielmehr 1607 zu lesen sei, in welchem Jahre sich Rubens
in Genua aufhielt. Vielleicht hat Rubens die Dame aber auch in Rom kennen
gelernt und gemalt.

In einem Briefe vom 2. December 1606 gedenkt Rubens zunächst des
großen Auftrages, welchen er für die Kirche der Redemptoristen Sa. Maria
in Vallicella, vielleicht durch die Vermittlung des Cardinals Scipio Borghese,
erhalten hatte. Der Herzog von Mantua hatte plötzlich seine Rückkehr gewünscht
und Chieppiv ihm von diesem Entschlüsse Mittheilung gemacht. Nun bittet er
dringend um Verlängerung seines Urlaubs. Er habe den ganzen Sommer seinen
Studien gewidmet und sei dadurch in Geldverlegenheiten gerathen. Mit den
140 Scudi, die er von Mantua erhalten, könnte er mit zwei Dienern nicht
auskommen. Er sei genöthigt gewesen, einen Auftrag anzunehmen, und der
habe sich ihm in der glänzendsten und ehrenvollsten Weise geboten. Für den
Hochaltar der Kirche Sa. Maria in Vallicella, welche jetzt die besuchteste von
Rom sei, weil sie mitten im Centrum der Stadt liege, solle er ein Bild malen.
Den ersten Malern Roms, die sich alle darum bewarben, sei er vorgezogen
worden, und alle seine Gönner, unter ihnen der Cardinal Borghese, seien voller
Erwartung, die er befriedigen müsse. Chieppios Fürsprache muß sehr warm ge¬
wesen sein; denn am 13. December schrieb der Herzog an seinen Secretär: „Wir
wollen den Termin von drei Monaten (so viel hatte sich Rubens ausgebeten)
dem Peter Paul nach seinem Wunsche bewilligen---- Ihr könnt ihn im übrigen
wissen lassen, daß er mit diesen drei Monaten machen kann, was er will, aber
daß er unfehlbar zu Ostern nach Mantua kommen soll. Wir wollen ihm in
seinem Wunsche lieber mehr als weniger nachgeben." Wir können aus diesen
Zeilen entnehmen, wie hoch der Herzog seinen Maler geschätzt haben muß, obwohl
er seiner künstlerischen Bedeutung nur ein geringes Verständniß entgegenbrachte.


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[0333] Rubens in Italien. welchem die das Buch haltenden Hände ruhen, die Nische mit der Büste und der Ausblick durch die Halle auf eine freundliche Lmidschast — alles stimmt Zug für Zug mit dem florentinischen Bilde überein, ist demselben aber hin¬ sichtlich der Ausführung so unendlich überlegen, daß nur zwei Möglichkeiten vorhanden sind. Entweder ist das Florentiner Bild eine theilweise recht schwache Copie nach einem verschollenen Bilde des Rubens, zu welchem das Brüsseler Porträt als Vorstudie diente, oder es ist von Schülern oder Nachahmern nach verschiedenen Vorbildern zusammengestoppelt, wofür auch die leblose Haltung und die flachen Köpfe der Brüder Rubens sprechen. Nach diesen Auseinander¬ setzungen ist die Angabe des Bearbeiters der neuesten Auflage von Burckhardts „Cicerone" zu berichtigen, welcher das Bild „wenige Jahre nach des Meisters Rückkehr nach Antwerpen" entstanden sein läßt. Das Datum des Jahres 1606 trägt ein Porträt der Marquise Brigitta Spinola, der Braut des Dogen Doria von Genua, in der Sammlung des Herrn Banks. Rooses glaubt, daß die Bezeichnung erst später auf das Bild gekommen und daß vielmehr 1607 zu lesen sei, in welchem Jahre sich Rubens in Genua aufhielt. Vielleicht hat Rubens die Dame aber auch in Rom kennen gelernt und gemalt. In einem Briefe vom 2. December 1606 gedenkt Rubens zunächst des großen Auftrages, welchen er für die Kirche der Redemptoristen Sa. Maria in Vallicella, vielleicht durch die Vermittlung des Cardinals Scipio Borghese, erhalten hatte. Der Herzog von Mantua hatte plötzlich seine Rückkehr gewünscht und Chieppiv ihm von diesem Entschlüsse Mittheilung gemacht. Nun bittet er dringend um Verlängerung seines Urlaubs. Er habe den ganzen Sommer seinen Studien gewidmet und sei dadurch in Geldverlegenheiten gerathen. Mit den 140 Scudi, die er von Mantua erhalten, könnte er mit zwei Dienern nicht auskommen. Er sei genöthigt gewesen, einen Auftrag anzunehmen, und der habe sich ihm in der glänzendsten und ehrenvollsten Weise geboten. Für den Hochaltar der Kirche Sa. Maria in Vallicella, welche jetzt die besuchteste von Rom sei, weil sie mitten im Centrum der Stadt liege, solle er ein Bild malen. Den ersten Malern Roms, die sich alle darum bewarben, sei er vorgezogen worden, und alle seine Gönner, unter ihnen der Cardinal Borghese, seien voller Erwartung, die er befriedigen müsse. Chieppios Fürsprache muß sehr warm ge¬ wesen sein; denn am 13. December schrieb der Herzog an seinen Secretär: „Wir wollen den Termin von drei Monaten (so viel hatte sich Rubens ausgebeten) dem Peter Paul nach seinem Wunsche bewilligen---- Ihr könnt ihn im übrigen wissen lassen, daß er mit diesen drei Monaten machen kann, was er will, aber daß er unfehlbar zu Ostern nach Mantua kommen soll. Wir wollen ihm in seinem Wunsche lieber mehr als weniger nachgeben." Wir können aus diesen Zeilen entnehmen, wie hoch der Herzog seinen Maler geschätzt haben muß, obwohl er seiner künstlerischen Bedeutung nur ein geringes Verständniß entgegenbrachte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/333>, abgerufen am 15.01.2025.