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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Rubens in Italien.

Man könnte versucht sein, das berühmte Bild der sogenannten "vier Philo¬
sophen" in der Galerie Pitti in Florenz mit dieser Nachricht von dem Tode
des Lipsius in Zusammenhang zu bringen. Rubens kann dieses Bild, auf
welchem Lipsius, Hugo Grotius, Philipp Rubens und der Maler selbst, letzterer
in bescheidener Zurückhaltung, in gelehrtem Gespräch um einen Tisch gruppirt
sind, in Rom gemalt haben, um die Erinnerung an den berühmten Philologen
festzuhalten. Philipp Rubens wird in der lateinischen vita mit Stolz als der
"einzige Schüler des Justus Lipsius, des unsterblichen Mannes" bezeichnet.
Nichts lag also näher, als ihn mit Lipsius in Verbindung zu bringen, zumal
da er sich gerade um diese Zeit in Rom befand. Aus einer vom 4. August
1606 datirten Urkunde*) erfahren wir, daß beide Brüder an diesem Tage eine
Notariatsacte aufnehmen ließe", durch welche sie ihrer Mutter die unumschränkte
Vollmacht über ihr väterliches Erbtheil übertrugen. Philipp Rubens war also
damals in Rom und zwar, wie wir aus andern Urkunden wissen, als Secretür
des Cardinals Ascanio Colonna. Auch noch ein andrer Umstand deutet darauf
hin, daß das Gemälde in Rom oder doch in Italien gemalt sein kann. Auf
demselben sieht man über dem Kopfe des Hugo Grotius in einer Nische eine
Büste des Aristoteles, welche sich noch heute in den Uffizien in Florenz unter
Ur. 530 befindet. Rubens kann aber dieses Bildwerk, wie so manche andre
Antiken, z. B. den sogenannten "Seneca" (in Wahrheit die Genrefigur eines
Fischers) in der Villa Borghese, welche er für den "Tod des Seneca" in
München verwendet hat, während seines Aufenthalts in Italien gezeichnet und
später verwendet haben. Und das wird wohl das Richtige sein. Denn Hugo
Grotius, welcher 1683 geboren wurde, war damals erst 23 Jahre alt. Der
Hugo Grotius des Bildes steht aber den Vierzigern näher als den Dreißigern.
Danach würde die Entstehungszeit dieses Porträtstücks etwa um 1620 anzu¬
setzen sein.

Noch zwei andre Momente treten hinzu, um diese Datirung zu rechtfertigen.
Philipp Rubens starb 1619. In demselben Jahre wurde Hugo Grotius ein¬
gekerkert, und nach zwei Jahren entfloh er aus Holland, um nicht wieder
dorthin zurückzukehren. Kurz vor dieser Zeit muß ihn Rubens also kennen ge¬
lernt und gemalt haben. Denn das meisterliche Porträt der München Pina¬
kothek,**) eines der besten Bildnisse, die Rubens geschaffen hat, zeigt ihn ebenfalls
in reiferem Mannesalter. Noch interessanter aber ist das Porträt, welches der
Herzog von Arenberg in Brüssel besitzt, ein Meisterwerk von delicatester Aus¬
führung in jenem frischen, blonden Tone, der für Rubens' spätere Zeit charak¬
teristisch ist. Das ganze Arrangement, der Tisch mit der rothen Decke, auf




*) Veröffentlicht von Lorwlotti, ^rtisti Lslgi g<! 0I",nah8l s, liowg. nöt 8s"vio XVI
s XVII, Rom 1380, S. 138 f.'
Im Kataloge fälschlich als "Rubens Vater" aufgeführt.
Rubens in Italien.

Man könnte versucht sein, das berühmte Bild der sogenannten „vier Philo¬
sophen" in der Galerie Pitti in Florenz mit dieser Nachricht von dem Tode
des Lipsius in Zusammenhang zu bringen. Rubens kann dieses Bild, auf
welchem Lipsius, Hugo Grotius, Philipp Rubens und der Maler selbst, letzterer
in bescheidener Zurückhaltung, in gelehrtem Gespräch um einen Tisch gruppirt
sind, in Rom gemalt haben, um die Erinnerung an den berühmten Philologen
festzuhalten. Philipp Rubens wird in der lateinischen vita mit Stolz als der
„einzige Schüler des Justus Lipsius, des unsterblichen Mannes" bezeichnet.
Nichts lag also näher, als ihn mit Lipsius in Verbindung zu bringen, zumal
da er sich gerade um diese Zeit in Rom befand. Aus einer vom 4. August
1606 datirten Urkunde*) erfahren wir, daß beide Brüder an diesem Tage eine
Notariatsacte aufnehmen ließe», durch welche sie ihrer Mutter die unumschränkte
Vollmacht über ihr väterliches Erbtheil übertrugen. Philipp Rubens war also
damals in Rom und zwar, wie wir aus andern Urkunden wissen, als Secretür
des Cardinals Ascanio Colonna. Auch noch ein andrer Umstand deutet darauf
hin, daß das Gemälde in Rom oder doch in Italien gemalt sein kann. Auf
demselben sieht man über dem Kopfe des Hugo Grotius in einer Nische eine
Büste des Aristoteles, welche sich noch heute in den Uffizien in Florenz unter
Ur. 530 befindet. Rubens kann aber dieses Bildwerk, wie so manche andre
Antiken, z. B. den sogenannten „Seneca" (in Wahrheit die Genrefigur eines
Fischers) in der Villa Borghese, welche er für den „Tod des Seneca" in
München verwendet hat, während seines Aufenthalts in Italien gezeichnet und
später verwendet haben. Und das wird wohl das Richtige sein. Denn Hugo
Grotius, welcher 1683 geboren wurde, war damals erst 23 Jahre alt. Der
Hugo Grotius des Bildes steht aber den Vierzigern näher als den Dreißigern.
Danach würde die Entstehungszeit dieses Porträtstücks etwa um 1620 anzu¬
setzen sein.

Noch zwei andre Momente treten hinzu, um diese Datirung zu rechtfertigen.
Philipp Rubens starb 1619. In demselben Jahre wurde Hugo Grotius ein¬
gekerkert, und nach zwei Jahren entfloh er aus Holland, um nicht wieder
dorthin zurückzukehren. Kurz vor dieser Zeit muß ihn Rubens also kennen ge¬
lernt und gemalt haben. Denn das meisterliche Porträt der München Pina¬
kothek,**) eines der besten Bildnisse, die Rubens geschaffen hat, zeigt ihn ebenfalls
in reiferem Mannesalter. Noch interessanter aber ist das Porträt, welches der
Herzog von Arenberg in Brüssel besitzt, ein Meisterwerk von delicatester Aus¬
führung in jenem frischen, blonden Tone, der für Rubens' spätere Zeit charak¬
teristisch ist. Das ganze Arrangement, der Tisch mit der rothen Decke, auf




*) Veröffentlicht von Lorwlotti, ^rtisti Lslgi g<! 0I»,nah8l s, liowg. nöt 8s«vio XVI
s XVII, Rom 1380, S. 138 f.'
Im Kataloge fälschlich als „Rubens Vater" aufgeführt.
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[0332] Rubens in Italien. Man könnte versucht sein, das berühmte Bild der sogenannten „vier Philo¬ sophen" in der Galerie Pitti in Florenz mit dieser Nachricht von dem Tode des Lipsius in Zusammenhang zu bringen. Rubens kann dieses Bild, auf welchem Lipsius, Hugo Grotius, Philipp Rubens und der Maler selbst, letzterer in bescheidener Zurückhaltung, in gelehrtem Gespräch um einen Tisch gruppirt sind, in Rom gemalt haben, um die Erinnerung an den berühmten Philologen festzuhalten. Philipp Rubens wird in der lateinischen vita mit Stolz als der „einzige Schüler des Justus Lipsius, des unsterblichen Mannes" bezeichnet. Nichts lag also näher, als ihn mit Lipsius in Verbindung zu bringen, zumal da er sich gerade um diese Zeit in Rom befand. Aus einer vom 4. August 1606 datirten Urkunde*) erfahren wir, daß beide Brüder an diesem Tage eine Notariatsacte aufnehmen ließe», durch welche sie ihrer Mutter die unumschränkte Vollmacht über ihr väterliches Erbtheil übertrugen. Philipp Rubens war also damals in Rom und zwar, wie wir aus andern Urkunden wissen, als Secretür des Cardinals Ascanio Colonna. Auch noch ein andrer Umstand deutet darauf hin, daß das Gemälde in Rom oder doch in Italien gemalt sein kann. Auf demselben sieht man über dem Kopfe des Hugo Grotius in einer Nische eine Büste des Aristoteles, welche sich noch heute in den Uffizien in Florenz unter Ur. 530 befindet. Rubens kann aber dieses Bildwerk, wie so manche andre Antiken, z. B. den sogenannten „Seneca" (in Wahrheit die Genrefigur eines Fischers) in der Villa Borghese, welche er für den „Tod des Seneca" in München verwendet hat, während seines Aufenthalts in Italien gezeichnet und später verwendet haben. Und das wird wohl das Richtige sein. Denn Hugo Grotius, welcher 1683 geboren wurde, war damals erst 23 Jahre alt. Der Hugo Grotius des Bildes steht aber den Vierzigern näher als den Dreißigern. Danach würde die Entstehungszeit dieses Porträtstücks etwa um 1620 anzu¬ setzen sein. Noch zwei andre Momente treten hinzu, um diese Datirung zu rechtfertigen. Philipp Rubens starb 1619. In demselben Jahre wurde Hugo Grotius ein¬ gekerkert, und nach zwei Jahren entfloh er aus Holland, um nicht wieder dorthin zurückzukehren. Kurz vor dieser Zeit muß ihn Rubens also kennen ge¬ lernt und gemalt haben. Denn das meisterliche Porträt der München Pina¬ kothek,**) eines der besten Bildnisse, die Rubens geschaffen hat, zeigt ihn ebenfalls in reiferem Mannesalter. Noch interessanter aber ist das Porträt, welches der Herzog von Arenberg in Brüssel besitzt, ein Meisterwerk von delicatester Aus¬ führung in jenem frischen, blonden Tone, der für Rubens' spätere Zeit charak¬ teristisch ist. Das ganze Arrangement, der Tisch mit der rothen Decke, auf *) Veröffentlicht von Lorwlotti, ^rtisti Lslgi g<! 0I»,nah8l s, liowg. nöt 8s«vio XVI s XVII, Rom 1380, S. 138 f.' Im Kataloge fälschlich als „Rubens Vater" aufgeführt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/332>, abgerufen am 15.01.2025.