Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Zpielhageiis Angela. liebe Vvrbcreitmigsschule durchgemacht, daß er sich über nichts mehr wundert. Sehen wir uns die Figuren näher an, welche Spielhagcn im Hotel du Lac Da ist zunächst Ladh Ballyeastle, die in ihrer Jugend von ihrer Familie Diese saubere Gesellschaft, nur noch durch ein paar anständige und demnach Grenzboten IV. 1831. M
Zpielhageiis Angela. liebe Vvrbcreitmigsschule durchgemacht, daß er sich über nichts mehr wundert. Sehen wir uns die Figuren näher an, welche Spielhagcn im Hotel du Lac Da ist zunächst Ladh Ballyeastle, die in ihrer Jugend von ihrer Familie Diese saubere Gesellschaft, nur noch durch ein paar anständige und demnach Grenzboten IV. 1831. M
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Zpielhageiis Angela.
liebe Vvrbcreitmigsschule durchgemacht, daß er sich über nichts mehr wundert.
Auf den Corridoren des „Hotel du Lac" erzählen sich Kellner und Kammer¬
zofe» »och viel schlimmere Dinge, als der widernatürliche Zürtlichkeitserguß einer
halb wahnsinnige» Mänade ist, den uns Spiclhagen mit der Behaglichkeit eines
Kleinmalers schildert. In diesem Fortissimo ungestümster Leidenschaft ist der
ganze Roman geschrieben, die schwüle Atmosphäre wüstester Sinnlichkeit legt sich
wie ein Alp auf die Gedanken des Lesers, und erst mit der letzten Seite ist die
wilde Hetzjagd vorüber, in welche ihn die über alle Schranken hinwegsetzende
Phantasie des Dichters verwickelt hat.
Sehen wir uns die Figuren näher an, welche Spielhagcn im Hotel du Lac
in Vevey versammelt hat, um einen in der realistisch geschilderten Umgebung
doppelt phantastisch wirkenden Roman abzuspielen. Wenn sich diese Revue wie
eine Sammlung von polizeilichen Führuugsattesten gestaltet, so ist diese aben¬
teuerliche Cumulation von Lastern und Verbrechen nur auf die Rechnung des
berühmte» Romanciers zu setze», der sein Ideal darin gefunden hat, die Lüstern¬
heit französischer Romane mit dem sensationellen Interesse englischer Crimincil-
geschichten in ein glückliches Mischungsverhältniß zu bringen.
Da ist zunächst Ladh Ballyeastle, die in ihrer Jugend von ihrer Familie
gezwungen worden war, dem reichsten, aber auch verhaßtesten Manne Irlands
die Hand zu reichen, die dann nach viermonatlicher Ehe ihren Mann mit der
Pistole niederschoß, als er sie mit ihrem Geliebten überraschte, den sie sich kurz
nach der Hochzeit angeschafft hatte. Ihr Sohn Edward, der den Namen des
Gatten seiner Mutter trägt, ist der Sohn ihres Geliebten. Mit dem uuge-
büßteu Morde auf dem Gewisse», mit der Lüge im Herzen geht sie dreißig
Jahre lang stolz und einsam durch das Leben, elend und zerrissen, da sie nicht
einmal die Liebe ihres Sohnes erringen kann. Dieser hat sich in ihre deutsche
Gesellschafterin, Angela von Seeburg, verliebt, welche ihrerseits eine geheime
Liebe zu dem Maler Arnold Moor im Herzen trägt. Moor hat sich aber mit
der Tochter eines reichen Gutsbesitzers verheiratet, obwohl er die arme Angela
geliebt hat und noch liebt, nur um an der Entfaltung seines Genies nicht durch
die Fesseln der Armuth gehindert zu sein. Frau Nanni, ein leichtsinniges, ober¬
flächliches Geschöpf, hat den genialen, schwarzäugigen Maler aus Eitelkeit ge¬
heiratet. Sie beginnt sich schon zu langweilen, da kommt im rechten Augenblicke ein
Windbeutel von Maler ans Italien, dem sie sich ohne weiteres an den Hals wirft.
Diese saubere Gesellschaft, nur noch durch ein paar anständige und demnach
auch von dem Dichter geistig vernachlässigte Nebenfiguren vermehrt, trifft zu¬
fällig ini Hotel dn Lac zusammen. Zum Ueberfluß erscheint auch hier der
frühere Geliebte der Lady Ballyeastle als schrecklich verkrüppelter Greis, um im
entscheidenden Moment die Rolle der Nemesis zu spielen und die Rachepläne
der Lady zu durchkreuzen, welche Angela wüthend haßt, weil ihr die Liebe des
Sohnes gehört, um die sie vergeblich gerungen.
Grenzboten IV. 1831. M
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