Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Der Porträtmaler unsrer Klassiker. stellen der ersten drei Fächer seit Gründung der Kunstschule in tüchtigen Händen Ein Zufall wollte es, daß Graff die Stelle Baeciarellis, wenn auch nicht Der Porträtmaler unsrer Klassiker. stellen der ersten drei Fächer seit Gründung der Kunstschule in tüchtigen Händen Ein Zufall wollte es, daß Graff die Stelle Baeciarellis, wenn auch nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150882"/> <fw type="header" place="top"> Der Porträtmaler unsrer Klassiker.</fw><lb/> <p xml:id="ID_493" prev="#ID_492"> stellen der ersten drei Fächer seit Gründung der Kunstschule in tüchtigen Händen<lb/> waren, stand es um die Malerei ziemlich traurig. Bei Gründung der Akademie<lb/> figurirten freilich ans dem Papiere elf zum Theil sehr glänzende Namen. Aber<lb/> schon im Jahre darauf waren nur vier Lehrer wirklich vorhanden; Dietrich war<lb/> Director der Schule in Meißen, Oeser Director der Zcichenschnle in Leipzig ge¬<lb/> worden, Ismael Mengs gestorben, andre weggeblieben, und das Porträtfach,<lb/> für das man ursprünglich Baeciarelli aus Wien gewonnen hatte, war seit dessen<lb/> Weggange im September 176S ganz verwaist.</p><lb/> <p xml:id="ID_494" next="#ID_495"> Ein Zufall wollte es, daß Graff die Stelle Baeciarellis, wenn auch nicht<lb/> als Professor, sondern zunächst nur als „aggregirtes Mitglied" erhielt. Graff<lb/> machte 1766, bald nachdem er von Regensburg zurückgekehrt war, in Augsburg<lb/> zuerst die Bekanntschaft Heideggers, der damals von Dresden kam, wo er Hage¬<lb/> dorn kennen gelernt hatte. „Auf seiner Rückreise — erzählt Graff selbst —<lb/> kam er durch Augsburg, und da er gehört hatte, daß ein Landsmann von ihm,<lb/> ein Porträtmaler, sich daselbst aufhalte, so besuchte er mich. Er sagte mir, daß<lb/> Hagedorn einen Porträtmaler suche und daß er deswegen an ihn schreiben wolle,<lb/> um mich vorzuschlagen. Ich verbat mir aber dieses, weil ich mich zu schwach<lb/> für eine solche Stelle hielt." Heidegger ließ sich aber durch Graffs schüchterne<lb/> Weigerung nicht abschrecken; er machte Hagedorn Mittheilung, stellte Graff ebenso<lb/> als Künstler wie als Menschen ein vorzügliches Zeugniß aus, und so wurde er<lb/> eingeladen, nach Dresden zu kommen, um dort einige Probebildcr zu malen.<lb/> Graff aber, der inzwischen nach Zürich gegangen war, blieb bei seiner Weigerung.<lb/> „Acht Tage war ich ohne Antwort — berichtet Heidegger am 27. November 176ö<lb/> von Zürich aus an Hagedorn — ich schrieb zum zweitenmale an ihn, endlich<lb/> kam er selbst zu mir, ich fragte, ob er nach Dresden gehen wolle oder nicht?<lb/> Er sagte, er getraue sich nicht, es darauf ankommen zu lassen, ob er gefallen<lb/> werde oder nicht. Dresden habe immer große Künstler gehabt, er kenne seine<lb/> Schwächen, und da er niemals bei Höfen und hohen Herrschaften gewesen, so<lb/> mangele ihm alles Aeußerliche, das so oft empfehlen kann, und tgi. mehr. Ich<lb/> war erstaunt über eine solche Bescheidenheit und wußte zuletzt selbst nicht, wie<lb/> ich die Sache anfangen sollte." Indeß zeigte sich ein Ausweg. Graff hatte<lb/> eben ein Selbstporträt vollendet, das zu einem Geschenke bestimmt war. Man<lb/> rieth ihm, dieses nach Dresden zu senden. Dies geschah, nachdem Heidegger<lb/> dem Bilde einen nochmaligen Empfehlungsbrief vorausgeschickt und darauf hin¬<lb/> gewiesen hatte, daß Graff, seitdem er das Bild gemalt, schon wieder Fortschritte<lb/> gemacht habe und „unter der Kritik von Kennern" gewiß noch weitere machen<lb/> werde; am 16. Januar 1766 langte das Bild in Dresden an, und schon am<lb/> folgenden Tage formulirte Hagedorn die genauen Bestimmungen wegen Graffs<lb/> Anstellung. Die rasche Entschließung Hagedorns kann nicht Wunder nehmen.<lb/> Man braucht in der That, schreibt Mulder, nur einen vergleichenden Blick von<lb/> den geschminkten und gespreizten Porträts, wie sie seither in Dresden gnug und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Der Porträtmaler unsrer Klassiker.
stellen der ersten drei Fächer seit Gründung der Kunstschule in tüchtigen Händen
waren, stand es um die Malerei ziemlich traurig. Bei Gründung der Akademie
figurirten freilich ans dem Papiere elf zum Theil sehr glänzende Namen. Aber
schon im Jahre darauf waren nur vier Lehrer wirklich vorhanden; Dietrich war
Director der Schule in Meißen, Oeser Director der Zcichenschnle in Leipzig ge¬
worden, Ismael Mengs gestorben, andre weggeblieben, und das Porträtfach,
für das man ursprünglich Baeciarelli aus Wien gewonnen hatte, war seit dessen
Weggange im September 176S ganz verwaist.
Ein Zufall wollte es, daß Graff die Stelle Baeciarellis, wenn auch nicht
als Professor, sondern zunächst nur als „aggregirtes Mitglied" erhielt. Graff
machte 1766, bald nachdem er von Regensburg zurückgekehrt war, in Augsburg
zuerst die Bekanntschaft Heideggers, der damals von Dresden kam, wo er Hage¬
dorn kennen gelernt hatte. „Auf seiner Rückreise — erzählt Graff selbst —
kam er durch Augsburg, und da er gehört hatte, daß ein Landsmann von ihm,
ein Porträtmaler, sich daselbst aufhalte, so besuchte er mich. Er sagte mir, daß
Hagedorn einen Porträtmaler suche und daß er deswegen an ihn schreiben wolle,
um mich vorzuschlagen. Ich verbat mir aber dieses, weil ich mich zu schwach
für eine solche Stelle hielt." Heidegger ließ sich aber durch Graffs schüchterne
Weigerung nicht abschrecken; er machte Hagedorn Mittheilung, stellte Graff ebenso
als Künstler wie als Menschen ein vorzügliches Zeugniß aus, und so wurde er
eingeladen, nach Dresden zu kommen, um dort einige Probebildcr zu malen.
Graff aber, der inzwischen nach Zürich gegangen war, blieb bei seiner Weigerung.
„Acht Tage war ich ohne Antwort — berichtet Heidegger am 27. November 176ö
von Zürich aus an Hagedorn — ich schrieb zum zweitenmale an ihn, endlich
kam er selbst zu mir, ich fragte, ob er nach Dresden gehen wolle oder nicht?
Er sagte, er getraue sich nicht, es darauf ankommen zu lassen, ob er gefallen
werde oder nicht. Dresden habe immer große Künstler gehabt, er kenne seine
Schwächen, und da er niemals bei Höfen und hohen Herrschaften gewesen, so
mangele ihm alles Aeußerliche, das so oft empfehlen kann, und tgi. mehr. Ich
war erstaunt über eine solche Bescheidenheit und wußte zuletzt selbst nicht, wie
ich die Sache anfangen sollte." Indeß zeigte sich ein Ausweg. Graff hatte
eben ein Selbstporträt vollendet, das zu einem Geschenke bestimmt war. Man
rieth ihm, dieses nach Dresden zu senden. Dies geschah, nachdem Heidegger
dem Bilde einen nochmaligen Empfehlungsbrief vorausgeschickt und darauf hin¬
gewiesen hatte, daß Graff, seitdem er das Bild gemalt, schon wieder Fortschritte
gemacht habe und „unter der Kritik von Kennern" gewiß noch weitere machen
werde; am 16. Januar 1766 langte das Bild in Dresden an, und schon am
folgenden Tage formulirte Hagedorn die genauen Bestimmungen wegen Graffs
Anstellung. Die rasche Entschließung Hagedorns kann nicht Wunder nehmen.
Man braucht in der That, schreibt Mulder, nur einen vergleichenden Blick von
den geschminkten und gespreizten Porträts, wie sie seither in Dresden gnug und
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