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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Der Porträtmaler unsrer Klassiker.

ein Seitenstück zu dem vor etwa zwei Jahren in diesen Blättern angezeigten
Buche von Alphons Dürr, ebenfalls einem Schüler Springers, über Adam
Friedrich Oeser, In beiden Schriften handelt es sich um Künstler, die ziemlich
gleichzeitig neben einander gelebt und gewirkt haben, und deren künstlerische
Thätigkeit aufs engste mit dem Kunstleben Dresdens und Leipzigs am Ende
des vorigen Jahrhunderts verknüpft ist. Unsre Freude darüber, daß Springers
Lehramt als Professor der Kunstgeschichte ein der Leipziger Universität von
Zeit zu Zeit auch nach der Seite hin Früchte trägt, daß er jüngern Kräften die
Anregung zu genauerer Erforschung der localen Kunstgeschichte giebt, wollen wir
bei dieser Gelegenheit besonders aussprechen. Im nachfolgenden geben wir aus
der Arbeit Muthcrs einige Auszüge.

Anton Graff war am 18, November 1736 in Winterthur geboren, wo
sein Vater das in der Familie erbliche Handwerk der Zinngießer betrieb. Ueber
seine Kindheit ist wenig überliefert. In der Schule soll er -- "wie alle auf¬
geweckten Knaben," setzt der Verfasser unsrer Biographie etwas kühn hinzu --
keinen sonderlichen Fleiß gezeigt haben und deshalb von seinem Magister oft
arg gezaust worden sein. Heidegger erzählt, daß er während der Schulstunden
lieber gezeichnet habe, und da das Schreibpapier dazu nicht verwendet werden
durfte, die ledernen Beinkleider mit den Erzeugnissen seiner Fertigkeit bedeckt
habe, "Glücklicher Einfall! Ohne dich wäre Graff ungeachtet der Abneigung
für Lesen und Schreiben ein Pfarrer oder sonst so was geworden. Denn sobald
die Beinkleider von vorn und an den Seiten bemalt waren und Figur auf
Figur stand, so mußte das Genie jedermann in die Augen leuchten,"

Nachdem er 1753 mit 16^/z Jcchreu die Schule verlassen, wurde er zu
einem "Flachmaler" namens Schellenberg, der eben in Winterthur eine Zeichen¬
schule eröffnet hatte, in die Lehre gegeben. Der Vater, der anfangs durchaus
gewollt hatte, der Knabe sollte Zinngießer werden, ließ seinen Widerspruch fallen,
als sich zeigte, daß Antoni in kurzem alle seine Mitschüler übertraf. Viel zu
holen war freilich bei dem Meister Schellcnberg nicht; er war einer jener Jnnungs-
maler der guten alten Zeit, die Bildnisse und Landschaften zu malen wußten,
aber, wenn es verlangt wurde, auch einen gewöhnlichen Anstrich besorgten. Nach
Schluß des ersten Lehrjahres entschied sich Graff für einen bestimmten Zweig
der Malerei und wählte aus peeuniciren Rücksichten das Porträt, Er wußte,
daß er von seiner Kunst werde leben müssen; als Porträtmaler aber hoffte er
am ehesten sein Fortkommen in der Welt zu finden.

Nach Ablauf seiner Lehrzeit, 1756, machte sich Graff aus seiner Heimat
auf und wandte sich nach Augsburg, wo er auf Schellenbergs Empfehlung einen
redlichen Förderer an Johann Jacob Haid, dem Kupferstecher und Verleger großer
Prachtwerke, fand, Haid verschaffte ihm Kost, Wohnung, auch einige Arbeit.
Doch sollte sein Aufenthalt in Augsburg fürs erste nicht von langer Dauer sein,
Kaum hatte sich Antoni in der Stadt eingewöhnt, die wohleingerichtete Akademie


Der Porträtmaler unsrer Klassiker.

ein Seitenstück zu dem vor etwa zwei Jahren in diesen Blättern angezeigten
Buche von Alphons Dürr, ebenfalls einem Schüler Springers, über Adam
Friedrich Oeser, In beiden Schriften handelt es sich um Künstler, die ziemlich
gleichzeitig neben einander gelebt und gewirkt haben, und deren künstlerische
Thätigkeit aufs engste mit dem Kunstleben Dresdens und Leipzigs am Ende
des vorigen Jahrhunderts verknüpft ist. Unsre Freude darüber, daß Springers
Lehramt als Professor der Kunstgeschichte ein der Leipziger Universität von
Zeit zu Zeit auch nach der Seite hin Früchte trägt, daß er jüngern Kräften die
Anregung zu genauerer Erforschung der localen Kunstgeschichte giebt, wollen wir
bei dieser Gelegenheit besonders aussprechen. Im nachfolgenden geben wir aus
der Arbeit Muthcrs einige Auszüge.

Anton Graff war am 18, November 1736 in Winterthur geboren, wo
sein Vater das in der Familie erbliche Handwerk der Zinngießer betrieb. Ueber
seine Kindheit ist wenig überliefert. In der Schule soll er — „wie alle auf¬
geweckten Knaben," setzt der Verfasser unsrer Biographie etwas kühn hinzu —
keinen sonderlichen Fleiß gezeigt haben und deshalb von seinem Magister oft
arg gezaust worden sein. Heidegger erzählt, daß er während der Schulstunden
lieber gezeichnet habe, und da das Schreibpapier dazu nicht verwendet werden
durfte, die ledernen Beinkleider mit den Erzeugnissen seiner Fertigkeit bedeckt
habe, „Glücklicher Einfall! Ohne dich wäre Graff ungeachtet der Abneigung
für Lesen und Schreiben ein Pfarrer oder sonst so was geworden. Denn sobald
die Beinkleider von vorn und an den Seiten bemalt waren und Figur auf
Figur stand, so mußte das Genie jedermann in die Augen leuchten,"

Nachdem er 1753 mit 16^/z Jcchreu die Schule verlassen, wurde er zu
einem „Flachmaler" namens Schellenberg, der eben in Winterthur eine Zeichen¬
schule eröffnet hatte, in die Lehre gegeben. Der Vater, der anfangs durchaus
gewollt hatte, der Knabe sollte Zinngießer werden, ließ seinen Widerspruch fallen,
als sich zeigte, daß Antoni in kurzem alle seine Mitschüler übertraf. Viel zu
holen war freilich bei dem Meister Schellcnberg nicht; er war einer jener Jnnungs-
maler der guten alten Zeit, die Bildnisse und Landschaften zu malen wußten,
aber, wenn es verlangt wurde, auch einen gewöhnlichen Anstrich besorgten. Nach
Schluß des ersten Lehrjahres entschied sich Graff für einen bestimmten Zweig
der Malerei und wählte aus peeuniciren Rücksichten das Porträt, Er wußte,
daß er von seiner Kunst werde leben müssen; als Porträtmaler aber hoffte er
am ehesten sein Fortkommen in der Welt zu finden.

Nach Ablauf seiner Lehrzeit, 1756, machte sich Graff aus seiner Heimat
auf und wandte sich nach Augsburg, wo er auf Schellenbergs Empfehlung einen
redlichen Förderer an Johann Jacob Haid, dem Kupferstecher und Verleger großer
Prachtwerke, fand, Haid verschaffte ihm Kost, Wohnung, auch einige Arbeit.
Doch sollte sein Aufenthalt in Augsburg fürs erste nicht von langer Dauer sein,
Kaum hatte sich Antoni in der Stadt eingewöhnt, die wohleingerichtete Akademie


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[0157] Der Porträtmaler unsrer Klassiker. ein Seitenstück zu dem vor etwa zwei Jahren in diesen Blättern angezeigten Buche von Alphons Dürr, ebenfalls einem Schüler Springers, über Adam Friedrich Oeser, In beiden Schriften handelt es sich um Künstler, die ziemlich gleichzeitig neben einander gelebt und gewirkt haben, und deren künstlerische Thätigkeit aufs engste mit dem Kunstleben Dresdens und Leipzigs am Ende des vorigen Jahrhunderts verknüpft ist. Unsre Freude darüber, daß Springers Lehramt als Professor der Kunstgeschichte ein der Leipziger Universität von Zeit zu Zeit auch nach der Seite hin Früchte trägt, daß er jüngern Kräften die Anregung zu genauerer Erforschung der localen Kunstgeschichte giebt, wollen wir bei dieser Gelegenheit besonders aussprechen. Im nachfolgenden geben wir aus der Arbeit Muthcrs einige Auszüge. Anton Graff war am 18, November 1736 in Winterthur geboren, wo sein Vater das in der Familie erbliche Handwerk der Zinngießer betrieb. Ueber seine Kindheit ist wenig überliefert. In der Schule soll er — „wie alle auf¬ geweckten Knaben," setzt der Verfasser unsrer Biographie etwas kühn hinzu — keinen sonderlichen Fleiß gezeigt haben und deshalb von seinem Magister oft arg gezaust worden sein. Heidegger erzählt, daß er während der Schulstunden lieber gezeichnet habe, und da das Schreibpapier dazu nicht verwendet werden durfte, die ledernen Beinkleider mit den Erzeugnissen seiner Fertigkeit bedeckt habe, „Glücklicher Einfall! Ohne dich wäre Graff ungeachtet der Abneigung für Lesen und Schreiben ein Pfarrer oder sonst so was geworden. Denn sobald die Beinkleider von vorn und an den Seiten bemalt waren und Figur auf Figur stand, so mußte das Genie jedermann in die Augen leuchten," Nachdem er 1753 mit 16^/z Jcchreu die Schule verlassen, wurde er zu einem „Flachmaler" namens Schellenberg, der eben in Winterthur eine Zeichen¬ schule eröffnet hatte, in die Lehre gegeben. Der Vater, der anfangs durchaus gewollt hatte, der Knabe sollte Zinngießer werden, ließ seinen Widerspruch fallen, als sich zeigte, daß Antoni in kurzem alle seine Mitschüler übertraf. Viel zu holen war freilich bei dem Meister Schellcnberg nicht; er war einer jener Jnnungs- maler der guten alten Zeit, die Bildnisse und Landschaften zu malen wußten, aber, wenn es verlangt wurde, auch einen gewöhnlichen Anstrich besorgten. Nach Schluß des ersten Lehrjahres entschied sich Graff für einen bestimmten Zweig der Malerei und wählte aus peeuniciren Rücksichten das Porträt, Er wußte, daß er von seiner Kunst werde leben müssen; als Porträtmaler aber hoffte er am ehesten sein Fortkommen in der Welt zu finden. Nach Ablauf seiner Lehrzeit, 1756, machte sich Graff aus seiner Heimat auf und wandte sich nach Augsburg, wo er auf Schellenbergs Empfehlung einen redlichen Förderer an Johann Jacob Haid, dem Kupferstecher und Verleger großer Prachtwerke, fand, Haid verschaffte ihm Kost, Wohnung, auch einige Arbeit. Doch sollte sein Aufenthalt in Augsburg fürs erste nicht von langer Dauer sein, Kaum hatte sich Antoni in der Stadt eingewöhnt, die wohleingerichtete Akademie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/157>, abgerufen am 15.01.2025.