Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Das deutsche Lied seit Robert Schumann. Dies eine Lied "Das Meer" wiegt sehr viel, es hat etwas elementares. Wie da Alle Namen aufzuführen von solchen, die als Liedcreomponistcn an die Das deutsche Lied seit Robert Schumann. Dies eine Lied „Das Meer" wiegt sehr viel, es hat etwas elementares. Wie da Alle Namen aufzuführen von solchen, die als Liedcreomponistcn an die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150229"/> <fw type="header" place="top"> Das deutsche Lied seit Robert Schumann.</fw><lb/> <p xml:id="ID_218" prev="#ID_217"> Dies eine Lied „Das Meer" wiegt sehr viel, es hat etwas elementares. Wie da<lb/> nach den tiefsinnigen Deklamationen das „Hoiho" einsetzt, das wirkt in der That<lb/> wie eine frische Brise nach Windstille, wie lustige Regimentsmusik nach stunden¬<lb/> langen Mönchslitaueien. H. Zopff hat in seinem Cyclus „Liebes Leid und Lust"<lb/> manches, was schön und eigen empfunden ist. August Klughardt, der Componist<lb/> des hoffentlich bald überall bekannten „Iwein", hat mehrere Hefte Lieder veröffent¬<lb/> licht, unter denen die kurzeu Nummern des „Liebestraums" und ein längerer Gesang<lb/> „Am Allerseelentag" besondre Beachtung verdienen. Auch Georg Heutschel, der<lb/> bekannte Baritonist, schreibt viel Lieder, unter denen eins und das andre durch<lb/> die frappante Cvpirung eines Brahmssche» Zuges auffüllt. Musikalisch interessant<lb/> und doch dabei von einfachster Wirkung sind drei canonische Duette von ihm,<lb/> namentlich das erste: „Kein Feuer, keine Kohle." Sonst sind unter den junge»<lb/> Musikern bekannter» Namens, die hübsche Lieder componirt haben, noch zu<lb/> nennen: Joseph Sucher, der Hamburger Capellmeister, der Pianist Anton Urspruch<lb/> („Rosenlieder"), Franz Ries, der Versasser zwei trefflicher Violinsniteu, Albert<lb/> Becker, der Componist einer Messe (L-moll), und Reinhold Becker, der Componist<lb/> eines feinen Violineoncertes. Sein Lied „Wenn der Frühling auf die Berge steigt"<lb/> ist ein wahres Preislied an Frische und Langathmigkeit. Richard Metzdorff<lb/> und Ernst E. Taubert, die als Jnstrumentalcomponiste» emporstrebe», haben<lb/> auch auf dem Liede viel producirt, beide u. a. die Scheffelschen Trompeterlicder.<lb/> Metzdorffs Composition ist etwas prätentiös, die Taubertsche ist neben der von<lb/> Brückler die beste. Aus dem Kreise der Specialisten mögen Alexander Winter-<lb/> berger, Arno Kleffel und A. Naubert hervorgehoben sein. Die letztern<lb/> beiden verdienen Anerkennung wegen des Fleißes und der Sorgfalt, die sie der<lb/> Form ihrer Lieder gewidmet haben, Winterberger tritt mehr als sie mit Indivi¬<lb/> dualität der Erfindung hin. Zwar extravagirt sie zuweilen, wirft Dissonanzen<lb/> heraus, die man für Druckfehler halten möchte, streift auch wieder aus Triviale,<lb/> darf sich aber im allgemeinen auf einen starken Naturzug verlassen, der oft reizt<lb/> und zuweilen packt.</p><lb/> <p xml:id="ID_219"> Alle Namen aufzuführen von solchen, die als Liedcreomponistcn an die<lb/> Oeffentlichkeit zu treten einmalige oder wiederholte Versuche gemacht haben, ist<lb/> natürlich unmöglich. Bei der großen Concurrenz ist es sehr schwer durchzu-<lb/> driuge», und der äußere Erfolg hängt nicht allein von der Güte der Lieder ab.<lb/> Mit mehr Ausdauer hätte Hans von Bülow sich eine hervorragendere Stellung<lb/> als Liedercomponist sichern können. Wie viele hübsche Lieder könnten wir noch<lb/> anführen von Japha, Dvprosse, Meinardus, Jadassohn, Hermann Wolf, Gustav<lb/> Wolf, Fritz Steinbach, aber wo soll das Ende sei»! Hoffentlich scheidet der<lb/> Leser von dem Gegenstande mit dem Bewußtsein, daß um die Zukunft des deutschen<lb/> Liedes niemand besorgt zu sein braucht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Das deutsche Lied seit Robert Schumann.
Dies eine Lied „Das Meer" wiegt sehr viel, es hat etwas elementares. Wie da
nach den tiefsinnigen Deklamationen das „Hoiho" einsetzt, das wirkt in der That
wie eine frische Brise nach Windstille, wie lustige Regimentsmusik nach stunden¬
langen Mönchslitaueien. H. Zopff hat in seinem Cyclus „Liebes Leid und Lust"
manches, was schön und eigen empfunden ist. August Klughardt, der Componist
des hoffentlich bald überall bekannten „Iwein", hat mehrere Hefte Lieder veröffent¬
licht, unter denen die kurzeu Nummern des „Liebestraums" und ein längerer Gesang
„Am Allerseelentag" besondre Beachtung verdienen. Auch Georg Heutschel, der
bekannte Baritonist, schreibt viel Lieder, unter denen eins und das andre durch
die frappante Cvpirung eines Brahmssche» Zuges auffüllt. Musikalisch interessant
und doch dabei von einfachster Wirkung sind drei canonische Duette von ihm,
namentlich das erste: „Kein Feuer, keine Kohle." Sonst sind unter den junge»
Musikern bekannter» Namens, die hübsche Lieder componirt haben, noch zu
nennen: Joseph Sucher, der Hamburger Capellmeister, der Pianist Anton Urspruch
(„Rosenlieder"), Franz Ries, der Versasser zwei trefflicher Violinsniteu, Albert
Becker, der Componist einer Messe (L-moll), und Reinhold Becker, der Componist
eines feinen Violineoncertes. Sein Lied „Wenn der Frühling auf die Berge steigt"
ist ein wahres Preislied an Frische und Langathmigkeit. Richard Metzdorff
und Ernst E. Taubert, die als Jnstrumentalcomponiste» emporstrebe», haben
auch auf dem Liede viel producirt, beide u. a. die Scheffelschen Trompeterlicder.
Metzdorffs Composition ist etwas prätentiös, die Taubertsche ist neben der von
Brückler die beste. Aus dem Kreise der Specialisten mögen Alexander Winter-
berger, Arno Kleffel und A. Naubert hervorgehoben sein. Die letztern
beiden verdienen Anerkennung wegen des Fleißes und der Sorgfalt, die sie der
Form ihrer Lieder gewidmet haben, Winterberger tritt mehr als sie mit Indivi¬
dualität der Erfindung hin. Zwar extravagirt sie zuweilen, wirft Dissonanzen
heraus, die man für Druckfehler halten möchte, streift auch wieder aus Triviale,
darf sich aber im allgemeinen auf einen starken Naturzug verlassen, der oft reizt
und zuweilen packt.
Alle Namen aufzuführen von solchen, die als Liedcreomponistcn an die
Oeffentlichkeit zu treten einmalige oder wiederholte Versuche gemacht haben, ist
natürlich unmöglich. Bei der großen Concurrenz ist es sehr schwer durchzu-
driuge», und der äußere Erfolg hängt nicht allein von der Güte der Lieder ab.
Mit mehr Ausdauer hätte Hans von Bülow sich eine hervorragendere Stellung
als Liedercomponist sichern können. Wie viele hübsche Lieder könnten wir noch
anführen von Japha, Dvprosse, Meinardus, Jadassohn, Hermann Wolf, Gustav
Wolf, Fritz Steinbach, aber wo soll das Ende sei»! Hoffentlich scheidet der
Leser von dem Gegenstande mit dem Bewußtsein, daß um die Zukunft des deutschen
Liedes niemand besorgt zu sein braucht.
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