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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Rückblicke auf die Leserversammlung in Karlsruhe.

Interesse zu wahren und dann als "Interessenten" am politischen Leben theil¬
zunehmen.

Dieses Loblied des Berliner Tageblatts ist uicht unwichtig. Nicht der
Thätigkeit der Versammlung, die anwesenden Lehrer in ihrem Berufe zu fördern,
wird Anerkennung gezollt, sondern der Stellung, die sie zu den politischen
Fragen der Gegenwart nimmt. Das also ist des Pudels Kern, Damit wäre
eigentlich die Frage nach der Begründung der Pnttkamerschen Erklärung schon
entschieden. Irgendwelche Agitation auf dem Gebiete der Politik gehört nicht
zum Berufe des Lehrers, und wenn eine Lehrerversammlung sich mit der¬
gleichen beschäftigt, so hat doch ein Minister zum mindesten das Recht, zu ver¬
langen, daß man Urlaubsgesuche zum Besuche der Versammlung abschlägig
bescheide.

Lassen wir jedoch die politische Seite ganz unberührt und beschäftigen wir
uns zunächst mit den Argumenten, die Herr Schulrath Hoffmann (Hamburg)
in seiner Rede über den Nutzen der Allgemeinen deutschen Lehrerversammlung
vorführte. Zuerst stellte er die Behauptung auf. daß diese Versammlung dazu
beitrage, den Lehrerstand kenntnißreicher zu machen. Die Anregung, die man
hier empfange, thue es und thue es mit großem Erfolge; die Ideen, die hier
ausgesprochen würden, trieben, wenn man nach Hause, in die Schule zurück¬
komme, dazu, neue Studien zu machen, sich zu vervollständigen in seinem Wissen
und zu vervollkommnen in seinen: Können, und davon hätten dann die Schüler
ihren Vortheil. Höher aber sei der Gewinn anzuschlagen, den der Lehrerstand
von solchen Versammlungen sür seinen Charakter habe, für seine Ehrenhaftigkeit.
Diejenigen, welche die Gesellschaft ihrer College" zu scheuen hätten, kämen nicht
zu den Versammlungen; diejenigen aber, welche hereintraten, die wollten sich
aufrichten an den Männern, die ihnen als Vorbilder vorleuchteten, die wollten
von ihnen lernen, um sich würdig zu machen ihrer Genossenschaft. Ferner
würden in den Lehrerversammlungen innige Verbindungen mit Berufsgenossen,
mit Geistesverwandten, mit Gleichstellenden geschlossen. Auch das sei ein Be¬
dürfniß für den Lehrer. Auch die festliche" Zugaben, die mit den Versamm¬
lungen verbunden seien, müßten als ein Gewinn für den Lehrerstand betrachtet
werden. Nun gäbe eS Wohl eine Menge amtlicher Conferenzen, in welchen die
Lehrer die Borträge ihrer Vorgesetzten hören könnten. Aber diesen Vereinigungen
fehle etwas, das gerade das Spezifische der allgemeinen und besondern Lehrer-
Vereine sei. Das sei der persönliche Verkehr, der gegenseitige Austausch der
Gedanken und die Mittheilung der Erfahrungen, die durch nichts andres voll¬
ständig ersetzt werden könne.

Diesen schönklingenden Ausführungen möchten wir nun doch entgegenhalten,
daß die kurzen Stunden des Zusammenseins auf einer solchen Versammlung
kaum genügen können, innige Verbindungen mit Gleichstrcbenden zu schließen
oder dem einzelnen eine höhere Auffassung seines Berufs zu geben, und was die


Rückblicke auf die Leserversammlung in Karlsruhe.

Interesse zu wahren und dann als „Interessenten" am politischen Leben theil¬
zunehmen.

Dieses Loblied des Berliner Tageblatts ist uicht unwichtig. Nicht der
Thätigkeit der Versammlung, die anwesenden Lehrer in ihrem Berufe zu fördern,
wird Anerkennung gezollt, sondern der Stellung, die sie zu den politischen
Fragen der Gegenwart nimmt. Das also ist des Pudels Kern, Damit wäre
eigentlich die Frage nach der Begründung der Pnttkamerschen Erklärung schon
entschieden. Irgendwelche Agitation auf dem Gebiete der Politik gehört nicht
zum Berufe des Lehrers, und wenn eine Lehrerversammlung sich mit der¬
gleichen beschäftigt, so hat doch ein Minister zum mindesten das Recht, zu ver¬
langen, daß man Urlaubsgesuche zum Besuche der Versammlung abschlägig
bescheide.

Lassen wir jedoch die politische Seite ganz unberührt und beschäftigen wir
uns zunächst mit den Argumenten, die Herr Schulrath Hoffmann (Hamburg)
in seiner Rede über den Nutzen der Allgemeinen deutschen Lehrerversammlung
vorführte. Zuerst stellte er die Behauptung auf. daß diese Versammlung dazu
beitrage, den Lehrerstand kenntnißreicher zu machen. Die Anregung, die man
hier empfange, thue es und thue es mit großem Erfolge; die Ideen, die hier
ausgesprochen würden, trieben, wenn man nach Hause, in die Schule zurück¬
komme, dazu, neue Studien zu machen, sich zu vervollständigen in seinem Wissen
und zu vervollkommnen in seinen: Können, und davon hätten dann die Schüler
ihren Vortheil. Höher aber sei der Gewinn anzuschlagen, den der Lehrerstand
von solchen Versammlungen sür seinen Charakter habe, für seine Ehrenhaftigkeit.
Diejenigen, welche die Gesellschaft ihrer College» zu scheuen hätten, kämen nicht
zu den Versammlungen; diejenigen aber, welche hereintraten, die wollten sich
aufrichten an den Männern, die ihnen als Vorbilder vorleuchteten, die wollten
von ihnen lernen, um sich würdig zu machen ihrer Genossenschaft. Ferner
würden in den Lehrerversammlungen innige Verbindungen mit Berufsgenossen,
mit Geistesverwandten, mit Gleichstellenden geschlossen. Auch das sei ein Be¬
dürfniß für den Lehrer. Auch die festliche» Zugaben, die mit den Versamm¬
lungen verbunden seien, müßten als ein Gewinn für den Lehrerstand betrachtet
werden. Nun gäbe eS Wohl eine Menge amtlicher Conferenzen, in welchen die
Lehrer die Borträge ihrer Vorgesetzten hören könnten. Aber diesen Vereinigungen
fehle etwas, das gerade das Spezifische der allgemeinen und besondern Lehrer-
Vereine sei. Das sei der persönliche Verkehr, der gegenseitige Austausch der
Gedanken und die Mittheilung der Erfahrungen, die durch nichts andres voll¬
ständig ersetzt werden könne.

Diesen schönklingenden Ausführungen möchten wir nun doch entgegenhalten,
daß die kurzen Stunden des Zusammenseins auf einer solchen Versammlung
kaum genügen können, innige Verbindungen mit Gleichstrcbenden zu schließen
oder dem einzelnen eine höhere Auffassung seines Berufs zu geben, und was die


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[0561] Rückblicke auf die Leserversammlung in Karlsruhe. Interesse zu wahren und dann als „Interessenten" am politischen Leben theil¬ zunehmen. Dieses Loblied des Berliner Tageblatts ist uicht unwichtig. Nicht der Thätigkeit der Versammlung, die anwesenden Lehrer in ihrem Berufe zu fördern, wird Anerkennung gezollt, sondern der Stellung, die sie zu den politischen Fragen der Gegenwart nimmt. Das also ist des Pudels Kern, Damit wäre eigentlich die Frage nach der Begründung der Pnttkamerschen Erklärung schon entschieden. Irgendwelche Agitation auf dem Gebiete der Politik gehört nicht zum Berufe des Lehrers, und wenn eine Lehrerversammlung sich mit der¬ gleichen beschäftigt, so hat doch ein Minister zum mindesten das Recht, zu ver¬ langen, daß man Urlaubsgesuche zum Besuche der Versammlung abschlägig bescheide. Lassen wir jedoch die politische Seite ganz unberührt und beschäftigen wir uns zunächst mit den Argumenten, die Herr Schulrath Hoffmann (Hamburg) in seiner Rede über den Nutzen der Allgemeinen deutschen Lehrerversammlung vorführte. Zuerst stellte er die Behauptung auf. daß diese Versammlung dazu beitrage, den Lehrerstand kenntnißreicher zu machen. Die Anregung, die man hier empfange, thue es und thue es mit großem Erfolge; die Ideen, die hier ausgesprochen würden, trieben, wenn man nach Hause, in die Schule zurück¬ komme, dazu, neue Studien zu machen, sich zu vervollständigen in seinem Wissen und zu vervollkommnen in seinen: Können, und davon hätten dann die Schüler ihren Vortheil. Höher aber sei der Gewinn anzuschlagen, den der Lehrerstand von solchen Versammlungen sür seinen Charakter habe, für seine Ehrenhaftigkeit. Diejenigen, welche die Gesellschaft ihrer College» zu scheuen hätten, kämen nicht zu den Versammlungen; diejenigen aber, welche hereintraten, die wollten sich aufrichten an den Männern, die ihnen als Vorbilder vorleuchteten, die wollten von ihnen lernen, um sich würdig zu machen ihrer Genossenschaft. Ferner würden in den Lehrerversammlungen innige Verbindungen mit Berufsgenossen, mit Geistesverwandten, mit Gleichstellenden geschlossen. Auch das sei ein Be¬ dürfniß für den Lehrer. Auch die festliche» Zugaben, die mit den Versamm¬ lungen verbunden seien, müßten als ein Gewinn für den Lehrerstand betrachtet werden. Nun gäbe eS Wohl eine Menge amtlicher Conferenzen, in welchen die Lehrer die Borträge ihrer Vorgesetzten hören könnten. Aber diesen Vereinigungen fehle etwas, das gerade das Spezifische der allgemeinen und besondern Lehrer- Vereine sei. Das sei der persönliche Verkehr, der gegenseitige Austausch der Gedanken und die Mittheilung der Erfahrungen, die durch nichts andres voll¬ ständig ersetzt werden könne. Diesen schönklingenden Ausführungen möchten wir nun doch entgegenhalten, daß die kurzen Stunden des Zusammenseins auf einer solchen Versammlung kaum genügen können, innige Verbindungen mit Gleichstrcbenden zu schließen oder dem einzelnen eine höhere Auffassung seines Berufs zu geben, und was die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/561>, abgerufen am 01.09.2024.