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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die modenie Geschütz-Industrie.

Fabrik für das moderne Geschützwesen eingeleitet und seitdem unausgesetzt ver¬
folgt hat. Aber um diesen Weg der Weiterentwicklung in correcter Richtung
zu halten, war es unerläßlich, den Anleitungen zu folgen, welche durch die all¬
gemeine Lehre der Ballistik gegeben sind, von der die innere Ballistik eben nur
ein Einzeltheil ist, dessen abgeschlossene Formulirung erst der neuesten Zeit ange¬
hört. Das ballistische Problem im großen umfaßt die Aufgabe, die Bahnen
geworfener Körper zu bestimmen. Die Ballistik zeigt sonach eine große Aehn-
lichkeit mit der Astronomie, die es ebenfalls mit der Bestimmung von Bahnen
in Bewegung begriffener Körper zu thun hat. Aber die Astronomie hat es bei
der Betrachtung der Bewegung der Himmelskörper fast ausschließlich mit einer
einzigen Kraft, der allgemeinen Attraction zu thun, wogegen bei der Bewegung
abgeschossener Projeetile zwei Kräfte, die Schwere und der Luftwiderstand, be¬
rücksichtigt werden müssen, wodurch die mathematische Behandlung sich sehr viel
schwieriger gestaltet, abgesehen von den Bedingungen, die durch den Einfluß der Um¬
drehung der Langgeschosse noch hinzukommen Der Astronom braucht nur Zeit, um so
viel Beobachtungen anzustellen, als er für erforderlich hält, damit sie, als Grund¬
lage der Rechnung, das Resultat mit der beabsichtigten Genauigkeit liefern. Der
Artillerist muß, um beobachten zu können, die Erscheinung selbst erst ins Leben treten
lassen, d. h. Schießversuche anstellen, und dies kostet Zeit und Geld. In diese
Function des Artilleristen ist nun in vollem Maße die Fabrik eingetreten. Ab¬
gesehen von der Einrichtung zu dem ersten Beschießen der Rohre in der Fabrik
selbst, haben wir von Schießplätzen in Visbeck bei Dülmen und bei Bredelar
gehört, welche von der Fabrik benutzt wurden, und die immer steigenden An¬
sprüche an die Art der Versnchsermittelungen haben schließlich zu der Einrich¬
tung eines eignen Schießplatzes bei Meppen geführt, welcher in einem frühern
Artikel: "Die Versuchsstation der Kruppschen Fabrik" in eingehender Weise in
diesen Blättern beschrieben worden ist.

Sehr richtig hat die Fabrik erkannt, daß allein auf diesem Wege durch streug
mathematische Behandlung eine derartige Entwicklung, wie sie dieselbe mit dem
Geschützwesen im Auge hatte, möglich sei. Aus der vorangegangenen Darstel¬
lung werden sich schon indirecte Bestätigungen der Wahrheit dieses Satzes
gezeigt haben. Der Fachmann von Beruf darf also um so weniger von dieser
Grundlage abweichen. Einer unsrer begabtesten Artillerie-Schriftsteller, welcher
leider im besten Mannesalter heimgegangen ist, sagt sehr treffend hierüber fol¬
gendes: "Eine Behandlung, die von mathematischer Basis ausgeht, hat mir
nothwendig geschienen, da sie in der Natur des ballistischen Problems begründet
ist. Eine andre Betrachtungsweise kann kein Kares Bild geben, wie z. B. die
in den "Grundzügen der Artillerie-Wissenschaft" (Berlin, G. Reimer, 1856) ent¬
haltene. Dadurch, daß in genanntem Werke das ganze Problem mit allgemeinen
Redensarten abgefertigt wird, ist es gekommen, daß fast alle über die Bewegung
der Projeetile gezogenen Schlüsse und aufgestellten Ansichten jeder Begründung


Die modenie Geschütz-Industrie.

Fabrik für das moderne Geschützwesen eingeleitet und seitdem unausgesetzt ver¬
folgt hat. Aber um diesen Weg der Weiterentwicklung in correcter Richtung
zu halten, war es unerläßlich, den Anleitungen zu folgen, welche durch die all¬
gemeine Lehre der Ballistik gegeben sind, von der die innere Ballistik eben nur
ein Einzeltheil ist, dessen abgeschlossene Formulirung erst der neuesten Zeit ange¬
hört. Das ballistische Problem im großen umfaßt die Aufgabe, die Bahnen
geworfener Körper zu bestimmen. Die Ballistik zeigt sonach eine große Aehn-
lichkeit mit der Astronomie, die es ebenfalls mit der Bestimmung von Bahnen
in Bewegung begriffener Körper zu thun hat. Aber die Astronomie hat es bei
der Betrachtung der Bewegung der Himmelskörper fast ausschließlich mit einer
einzigen Kraft, der allgemeinen Attraction zu thun, wogegen bei der Bewegung
abgeschossener Projeetile zwei Kräfte, die Schwere und der Luftwiderstand, be¬
rücksichtigt werden müssen, wodurch die mathematische Behandlung sich sehr viel
schwieriger gestaltet, abgesehen von den Bedingungen, die durch den Einfluß der Um¬
drehung der Langgeschosse noch hinzukommen Der Astronom braucht nur Zeit, um so
viel Beobachtungen anzustellen, als er für erforderlich hält, damit sie, als Grund¬
lage der Rechnung, das Resultat mit der beabsichtigten Genauigkeit liefern. Der
Artillerist muß, um beobachten zu können, die Erscheinung selbst erst ins Leben treten
lassen, d. h. Schießversuche anstellen, und dies kostet Zeit und Geld. In diese
Function des Artilleristen ist nun in vollem Maße die Fabrik eingetreten. Ab¬
gesehen von der Einrichtung zu dem ersten Beschießen der Rohre in der Fabrik
selbst, haben wir von Schießplätzen in Visbeck bei Dülmen und bei Bredelar
gehört, welche von der Fabrik benutzt wurden, und die immer steigenden An¬
sprüche an die Art der Versnchsermittelungen haben schließlich zu der Einrich¬
tung eines eignen Schießplatzes bei Meppen geführt, welcher in einem frühern
Artikel: „Die Versuchsstation der Kruppschen Fabrik" in eingehender Weise in
diesen Blättern beschrieben worden ist.

Sehr richtig hat die Fabrik erkannt, daß allein auf diesem Wege durch streug
mathematische Behandlung eine derartige Entwicklung, wie sie dieselbe mit dem
Geschützwesen im Auge hatte, möglich sei. Aus der vorangegangenen Darstel¬
lung werden sich schon indirecte Bestätigungen der Wahrheit dieses Satzes
gezeigt haben. Der Fachmann von Beruf darf also um so weniger von dieser
Grundlage abweichen. Einer unsrer begabtesten Artillerie-Schriftsteller, welcher
leider im besten Mannesalter heimgegangen ist, sagt sehr treffend hierüber fol¬
gendes: „Eine Behandlung, die von mathematischer Basis ausgeht, hat mir
nothwendig geschienen, da sie in der Natur des ballistischen Problems begründet
ist. Eine andre Betrachtungsweise kann kein Kares Bild geben, wie z. B. die
in den »Grundzügen der Artillerie-Wissenschaft« (Berlin, G. Reimer, 1856) ent¬
haltene. Dadurch, daß in genanntem Werke das ganze Problem mit allgemeinen
Redensarten abgefertigt wird, ist es gekommen, daß fast alle über die Bewegung
der Projeetile gezogenen Schlüsse und aufgestellten Ansichten jeder Begründung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/550>, abgerufen am 26.12.2024.