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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die akademische Runsiansstellung in Berlin.

sieht unter einem prächtigen Baldachin, von Rittern und Bannerträgern um¬
geben, die Herzoge Prszimeslaus und Boleslaus sitzen, welchen damals die
Landesoberhoheit zustand. Vor ihnen steht ihr Kanzler, ein ehrwürdiger Greis,
welcher die Urkunde dem vor ihm knieenden Bürger Thomas von Guben und
seinen Gefährten, den deutschen Gründern der Stadt Posen, überreicht. Hinter
ihnen sitzt ebenfalls unter einem Thronhimmel der Bischof Bogufal von Gnesen,
und nach außen wird die Composition durch Männer aus dein Volke geschlossen,
die sich unter den Zeichen lebhafter Theilnahme herandrängen. Mit dem ge¬
gebnen Thema war nichts besseres anzufangen. Was sind uns Boleslaus und
Prszimeslaus? Was ist uns eine Ceremonie, welche über das locale Interesse
nicht hinausgeht? Selbst in Posen wird es nicht viele Leute geben, denen der
Puls schneller schlägt, wenn sie an Prszimeslaus und Boleslaus erinnert werden.
Der Künstler hat wirklich genug gethan, wenn er eine Anzahl interessanter
Charakterköpfe schuf und seine umfassenden Costümstudien verwerthete, um wenig¬
stens durch Entfaltung einer reichen Farbenpracht das Auge zu befriedigen.

Ungleich dankbarer war die Aufgabe, welche Otto Knille zugefallen ist.
Der Künstler arbeitet seit einer Reihe von Jahren an vier friesartigen Ge¬
mälden für das Treppenhaus der Berliner Universitätsbibliothek, welche die
vier Hauptepochen der geistigen Cultur an ihren vier Hauptsitzen, die classische
in Athen, die mittelalterliche in Paris, die der Renaissance in Wittenberg und
die moderne in Berlin, durch ihre vornehmsten Vertreter versinnlichen sollen.
Der Künstler hat jetzt die dritte dieser Compositionen vollendet: die Begrüßung
der Reformatoren durch die Humanisten. Es sind zwanzig Figuren auf Gold¬
grund, die durch ein inniges geistiges Band mit einander verbunden sind: auf
der einen Seite Luther in der schwarzen Kutte des Augustinermönchs, sein
edler Beschützer Friedrich der Weise, Spalatin, Melanchthon, Bugenhagen,
Carlstadt, auf der andern die Humanisten mit dem lorbeerbekränzten Hütten an
der Spitze, welcher den Reformatoren zum Gruße die Hand entgegen streckt.
Den zweizüngigen Erasmus hätten wir gern unter dieser wackern Gesellschaft
vermißt. An sie schließt sich eine Gruppe aus dem Volke: ein Scholar, ein
Landsknecht, Männer und Frauen, welche den Reformatoren zujubeln und sich
von zwei Dominikanern abwenden, die sich um den Ablaßkasten zu schaffen
machen. So erhebt sich das Repräsentativnsgemälde zu einem pragmatischen
Geschichtsbilde, welches Ursache und Wirkung in deutlichen Zusammenhang
bringt. Ein leuchtendes Colorit, dessen Glanz durch den fein gemusterten Gold¬
grund noch erhöht wird, giebt dem Ganzen einen festlichen Charakter. Auch
in der fröhlichen Tonstimmung giebt sich das "Erwachen der Geister," die
Signatur der Zeit, zu erkennen."

Ein drittes Historienbild, Eduard von Gebhardts "Himmelfahrt Christi,
erweckt keine großen Sympathien. Der geistvolle Künstler, der durch sein "Abend¬
mahl" große Erwartungen rege gemacht hat, ist auf einem Wege begriffen,


Die akademische Runsiansstellung in Berlin.

sieht unter einem prächtigen Baldachin, von Rittern und Bannerträgern um¬
geben, die Herzoge Prszimeslaus und Boleslaus sitzen, welchen damals die
Landesoberhoheit zustand. Vor ihnen steht ihr Kanzler, ein ehrwürdiger Greis,
welcher die Urkunde dem vor ihm knieenden Bürger Thomas von Guben und
seinen Gefährten, den deutschen Gründern der Stadt Posen, überreicht. Hinter
ihnen sitzt ebenfalls unter einem Thronhimmel der Bischof Bogufal von Gnesen,
und nach außen wird die Composition durch Männer aus dein Volke geschlossen,
die sich unter den Zeichen lebhafter Theilnahme herandrängen. Mit dem ge¬
gebnen Thema war nichts besseres anzufangen. Was sind uns Boleslaus und
Prszimeslaus? Was ist uns eine Ceremonie, welche über das locale Interesse
nicht hinausgeht? Selbst in Posen wird es nicht viele Leute geben, denen der
Puls schneller schlägt, wenn sie an Prszimeslaus und Boleslaus erinnert werden.
Der Künstler hat wirklich genug gethan, wenn er eine Anzahl interessanter
Charakterköpfe schuf und seine umfassenden Costümstudien verwerthete, um wenig¬
stens durch Entfaltung einer reichen Farbenpracht das Auge zu befriedigen.

Ungleich dankbarer war die Aufgabe, welche Otto Knille zugefallen ist.
Der Künstler arbeitet seit einer Reihe von Jahren an vier friesartigen Ge¬
mälden für das Treppenhaus der Berliner Universitätsbibliothek, welche die
vier Hauptepochen der geistigen Cultur an ihren vier Hauptsitzen, die classische
in Athen, die mittelalterliche in Paris, die der Renaissance in Wittenberg und
die moderne in Berlin, durch ihre vornehmsten Vertreter versinnlichen sollen.
Der Künstler hat jetzt die dritte dieser Compositionen vollendet: die Begrüßung
der Reformatoren durch die Humanisten. Es sind zwanzig Figuren auf Gold¬
grund, die durch ein inniges geistiges Band mit einander verbunden sind: auf
der einen Seite Luther in der schwarzen Kutte des Augustinermönchs, sein
edler Beschützer Friedrich der Weise, Spalatin, Melanchthon, Bugenhagen,
Carlstadt, auf der andern die Humanisten mit dem lorbeerbekränzten Hütten an
der Spitze, welcher den Reformatoren zum Gruße die Hand entgegen streckt.
Den zweizüngigen Erasmus hätten wir gern unter dieser wackern Gesellschaft
vermißt. An sie schließt sich eine Gruppe aus dem Volke: ein Scholar, ein
Landsknecht, Männer und Frauen, welche den Reformatoren zujubeln und sich
von zwei Dominikanern abwenden, die sich um den Ablaßkasten zu schaffen
machen. So erhebt sich das Repräsentativnsgemälde zu einem pragmatischen
Geschichtsbilde, welches Ursache und Wirkung in deutlichen Zusammenhang
bringt. Ein leuchtendes Colorit, dessen Glanz durch den fein gemusterten Gold¬
grund noch erhöht wird, giebt dem Ganzen einen festlichen Charakter. Auch
in der fröhlichen Tonstimmung giebt sich das „Erwachen der Geister," die
Signatur der Zeit, zu erkennen."

Ein drittes Historienbild, Eduard von Gebhardts „Himmelfahrt Christi,
erweckt keine großen Sympathien. Der geistvolle Künstler, der durch sein „Abend¬
mahl" große Erwartungen rege gemacht hat, ist auf einem Wege begriffen,


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[0522] Die akademische Runsiansstellung in Berlin. sieht unter einem prächtigen Baldachin, von Rittern und Bannerträgern um¬ geben, die Herzoge Prszimeslaus und Boleslaus sitzen, welchen damals die Landesoberhoheit zustand. Vor ihnen steht ihr Kanzler, ein ehrwürdiger Greis, welcher die Urkunde dem vor ihm knieenden Bürger Thomas von Guben und seinen Gefährten, den deutschen Gründern der Stadt Posen, überreicht. Hinter ihnen sitzt ebenfalls unter einem Thronhimmel der Bischof Bogufal von Gnesen, und nach außen wird die Composition durch Männer aus dein Volke geschlossen, die sich unter den Zeichen lebhafter Theilnahme herandrängen. Mit dem ge¬ gebnen Thema war nichts besseres anzufangen. Was sind uns Boleslaus und Prszimeslaus? Was ist uns eine Ceremonie, welche über das locale Interesse nicht hinausgeht? Selbst in Posen wird es nicht viele Leute geben, denen der Puls schneller schlägt, wenn sie an Prszimeslaus und Boleslaus erinnert werden. Der Künstler hat wirklich genug gethan, wenn er eine Anzahl interessanter Charakterköpfe schuf und seine umfassenden Costümstudien verwerthete, um wenig¬ stens durch Entfaltung einer reichen Farbenpracht das Auge zu befriedigen. Ungleich dankbarer war die Aufgabe, welche Otto Knille zugefallen ist. Der Künstler arbeitet seit einer Reihe von Jahren an vier friesartigen Ge¬ mälden für das Treppenhaus der Berliner Universitätsbibliothek, welche die vier Hauptepochen der geistigen Cultur an ihren vier Hauptsitzen, die classische in Athen, die mittelalterliche in Paris, die der Renaissance in Wittenberg und die moderne in Berlin, durch ihre vornehmsten Vertreter versinnlichen sollen. Der Künstler hat jetzt die dritte dieser Compositionen vollendet: die Begrüßung der Reformatoren durch die Humanisten. Es sind zwanzig Figuren auf Gold¬ grund, die durch ein inniges geistiges Band mit einander verbunden sind: auf der einen Seite Luther in der schwarzen Kutte des Augustinermönchs, sein edler Beschützer Friedrich der Weise, Spalatin, Melanchthon, Bugenhagen, Carlstadt, auf der andern die Humanisten mit dem lorbeerbekränzten Hütten an der Spitze, welcher den Reformatoren zum Gruße die Hand entgegen streckt. Den zweizüngigen Erasmus hätten wir gern unter dieser wackern Gesellschaft vermißt. An sie schließt sich eine Gruppe aus dem Volke: ein Scholar, ein Landsknecht, Männer und Frauen, welche den Reformatoren zujubeln und sich von zwei Dominikanern abwenden, die sich um den Ablaßkasten zu schaffen machen. So erhebt sich das Repräsentativnsgemälde zu einem pragmatischen Geschichtsbilde, welches Ursache und Wirkung in deutlichen Zusammenhang bringt. Ein leuchtendes Colorit, dessen Glanz durch den fein gemusterten Gold¬ grund noch erhöht wird, giebt dem Ganzen einen festlichen Charakter. Auch in der fröhlichen Tonstimmung giebt sich das „Erwachen der Geister," die Signatur der Zeit, zu erkennen." Ein drittes Historienbild, Eduard von Gebhardts „Himmelfahrt Christi, erweckt keine großen Sympathien. Der geistvolle Künstler, der durch sein „Abend¬ mahl" große Erwartungen rege gemacht hat, ist auf einem Wege begriffen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/522>, abgerufen am 01.09.2024.