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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

sehr sympathische Leistung, überaus zart in der Farbengebung, für welche ein
Oberkleid von lichtblauem Sammet den Grundton abgiebt, und fein in der
Charakteristik der lieblichen Züge. Wenn wir noch das solid und prächtig ge¬
malte, wenn auch nicht sonderlich durch geistige Belebung des Angesichts hervorragende
Porträt des jungen Fürsten Alexander von Bulgarien von Conrad Dielitz und
zwei energisch charcikterisirte, nur etwas zu grau gehaltene Porträts eines
jungen, zum erstenmale in Berlin auftretenden Künstlers Karl Stauffer von
Bern erwähnen, so ist die Liste der bemerkenswerthen Bildnisse geschlossen.
Gerade ein Dutzend unter hundertundzwanzig!

Fritz Paulsen, ein jüngerer Berliner Porträtmaler, der zeitweilig mit
Erfolg in die Spuren Gustav Richters trat, hat in diesem Jahre neben einem
weiblichen Bildniß mittlerer Qualität ein Genrebild ausgestellt, welches ein über¬
aus heikles Thema nicht gerade glücklich behandelt. Er führt uns in ein Ber¬
liner Gesindevermiethungsbüreau, in welches gerade ein Herr und eine Dame
getreten sind, um eine Amme zu miethen. Die Auserkorene, ein schmuckes
Mädchen in einer bäurischen Nationaltracht, muß sich inmitten einer Schaar
neugieriger Frauen und Mädchen, die höhnisch ihre Blicke auf sie richten oder
sich kichernd allerlei Bemerkungen zuflüstern, von feiten ihrer zukünftigen Herr¬
schaft eine Musterung gefallen lassen, die sich schon der öffentlichen Beschreibung,
um wie viel mehr der künstlerischen Darstellung entzieht. Wir erwähnen der¬
gleichen nur, um zu zeigen, bis zu welcher Geschmacklosigkeit sich selbst leidlich
talentvolle Künstler verirren. Und es bedarf nicht einmal so verzwickter Si¬
tuationen, um die Theilnahme, die Aufmerksamkeit, das Entzücken unsres Publi¬
kums zu erregen. Man glaubt nicht, wie wenig dazu gehört, um der großen
Menge eine Freude zu bereiten! Da malt ein junger Künstler, der kaum der
Akademie entwachsen ist, Georg Hom, ein hübsches lachendes Mädchen im Ne-
glig", welches, im Begriff zu Bett zu gehen, ein Licht emporhebt, dessen Flamme
sie mit der Hand schützt. Ein simples Brustbild ohne besondre technische Vor¬
züge. Aber das Motiv genügt, um den Beifall des Publicums zu gewinnen,
welches sich wenig um geistvolle malerische Behandlung oder um innern Gehalt
Winnerl und noch weniger nach berühmten Namen fragt. Sellmers "Ohne
Jagdschein" -- ein Gensdarm schreibt zwei Jäger, höchst groteske Gestalten,
die er ohne Jagdschein betroffen hat, zur Bestrafung auf -- macht beim großen
Publicum viel mehr Glück als Otto Kullich Neformatorenfries und A. von
Heydens figurenreiches Gemälde für den Schwurgerichssaal im Landgerichts¬
gebäude in Posen. Der Stoff des letztern liegt uns freilich sehr fern. Der
Künstler hatte den Auftrag erhalten, die zwei bedeutsamsten Momente in der
^chtsgeschichte der Stadt zu schildern: die Ertheilung des Magdeburger Stadt-
^ches im Jahre 1253 und die Verkündigung des allgemeinen preußischen Land-
^ches. Das erste, dieser Bilder, eine langgestreckte Composition mit etwa dreißig
Nguren in Vicrfünftel-Lebensgröße, befindet sich auf der Ausstellung. Man


Grenzboten III. 1381. on
Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

sehr sympathische Leistung, überaus zart in der Farbengebung, für welche ein
Oberkleid von lichtblauem Sammet den Grundton abgiebt, und fein in der
Charakteristik der lieblichen Züge. Wenn wir noch das solid und prächtig ge¬
malte, wenn auch nicht sonderlich durch geistige Belebung des Angesichts hervorragende
Porträt des jungen Fürsten Alexander von Bulgarien von Conrad Dielitz und
zwei energisch charcikterisirte, nur etwas zu grau gehaltene Porträts eines
jungen, zum erstenmale in Berlin auftretenden Künstlers Karl Stauffer von
Bern erwähnen, so ist die Liste der bemerkenswerthen Bildnisse geschlossen.
Gerade ein Dutzend unter hundertundzwanzig!

Fritz Paulsen, ein jüngerer Berliner Porträtmaler, der zeitweilig mit
Erfolg in die Spuren Gustav Richters trat, hat in diesem Jahre neben einem
weiblichen Bildniß mittlerer Qualität ein Genrebild ausgestellt, welches ein über¬
aus heikles Thema nicht gerade glücklich behandelt. Er führt uns in ein Ber¬
liner Gesindevermiethungsbüreau, in welches gerade ein Herr und eine Dame
getreten sind, um eine Amme zu miethen. Die Auserkorene, ein schmuckes
Mädchen in einer bäurischen Nationaltracht, muß sich inmitten einer Schaar
neugieriger Frauen und Mädchen, die höhnisch ihre Blicke auf sie richten oder
sich kichernd allerlei Bemerkungen zuflüstern, von feiten ihrer zukünftigen Herr¬
schaft eine Musterung gefallen lassen, die sich schon der öffentlichen Beschreibung,
um wie viel mehr der künstlerischen Darstellung entzieht. Wir erwähnen der¬
gleichen nur, um zu zeigen, bis zu welcher Geschmacklosigkeit sich selbst leidlich
talentvolle Künstler verirren. Und es bedarf nicht einmal so verzwickter Si¬
tuationen, um die Theilnahme, die Aufmerksamkeit, das Entzücken unsres Publi¬
kums zu erregen. Man glaubt nicht, wie wenig dazu gehört, um der großen
Menge eine Freude zu bereiten! Da malt ein junger Künstler, der kaum der
Akademie entwachsen ist, Georg Hom, ein hübsches lachendes Mädchen im Ne-
glig«, welches, im Begriff zu Bett zu gehen, ein Licht emporhebt, dessen Flamme
sie mit der Hand schützt. Ein simples Brustbild ohne besondre technische Vor¬
züge. Aber das Motiv genügt, um den Beifall des Publicums zu gewinnen,
welches sich wenig um geistvolle malerische Behandlung oder um innern Gehalt
Winnerl und noch weniger nach berühmten Namen fragt. Sellmers „Ohne
Jagdschein" — ein Gensdarm schreibt zwei Jäger, höchst groteske Gestalten,
die er ohne Jagdschein betroffen hat, zur Bestrafung auf — macht beim großen
Publicum viel mehr Glück als Otto Kullich Neformatorenfries und A. von
Heydens figurenreiches Gemälde für den Schwurgerichssaal im Landgerichts¬
gebäude in Posen. Der Stoff des letztern liegt uns freilich sehr fern. Der
Künstler hatte den Auftrag erhalten, die zwei bedeutsamsten Momente in der
^chtsgeschichte der Stadt zu schildern: die Ertheilung des Magdeburger Stadt-
^ches im Jahre 1253 und die Verkündigung des allgemeinen preußischen Land-
^ches. Das erste, dieser Bilder, eine langgestreckte Composition mit etwa dreißig
Nguren in Vicrfünftel-Lebensgröße, befindet sich auf der Ausstellung. Man


Grenzboten III. 1381. on
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[0521] Die akademische Kunstausstellung in Berlin. sehr sympathische Leistung, überaus zart in der Farbengebung, für welche ein Oberkleid von lichtblauem Sammet den Grundton abgiebt, und fein in der Charakteristik der lieblichen Züge. Wenn wir noch das solid und prächtig ge¬ malte, wenn auch nicht sonderlich durch geistige Belebung des Angesichts hervorragende Porträt des jungen Fürsten Alexander von Bulgarien von Conrad Dielitz und zwei energisch charcikterisirte, nur etwas zu grau gehaltene Porträts eines jungen, zum erstenmale in Berlin auftretenden Künstlers Karl Stauffer von Bern erwähnen, so ist die Liste der bemerkenswerthen Bildnisse geschlossen. Gerade ein Dutzend unter hundertundzwanzig! Fritz Paulsen, ein jüngerer Berliner Porträtmaler, der zeitweilig mit Erfolg in die Spuren Gustav Richters trat, hat in diesem Jahre neben einem weiblichen Bildniß mittlerer Qualität ein Genrebild ausgestellt, welches ein über¬ aus heikles Thema nicht gerade glücklich behandelt. Er führt uns in ein Ber¬ liner Gesindevermiethungsbüreau, in welches gerade ein Herr und eine Dame getreten sind, um eine Amme zu miethen. Die Auserkorene, ein schmuckes Mädchen in einer bäurischen Nationaltracht, muß sich inmitten einer Schaar neugieriger Frauen und Mädchen, die höhnisch ihre Blicke auf sie richten oder sich kichernd allerlei Bemerkungen zuflüstern, von feiten ihrer zukünftigen Herr¬ schaft eine Musterung gefallen lassen, die sich schon der öffentlichen Beschreibung, um wie viel mehr der künstlerischen Darstellung entzieht. Wir erwähnen der¬ gleichen nur, um zu zeigen, bis zu welcher Geschmacklosigkeit sich selbst leidlich talentvolle Künstler verirren. Und es bedarf nicht einmal so verzwickter Si¬ tuationen, um die Theilnahme, die Aufmerksamkeit, das Entzücken unsres Publi¬ kums zu erregen. Man glaubt nicht, wie wenig dazu gehört, um der großen Menge eine Freude zu bereiten! Da malt ein junger Künstler, der kaum der Akademie entwachsen ist, Georg Hom, ein hübsches lachendes Mädchen im Ne- glig«, welches, im Begriff zu Bett zu gehen, ein Licht emporhebt, dessen Flamme sie mit der Hand schützt. Ein simples Brustbild ohne besondre technische Vor¬ züge. Aber das Motiv genügt, um den Beifall des Publicums zu gewinnen, welches sich wenig um geistvolle malerische Behandlung oder um innern Gehalt Winnerl und noch weniger nach berühmten Namen fragt. Sellmers „Ohne Jagdschein" — ein Gensdarm schreibt zwei Jäger, höchst groteske Gestalten, die er ohne Jagdschein betroffen hat, zur Bestrafung auf — macht beim großen Publicum viel mehr Glück als Otto Kullich Neformatorenfries und A. von Heydens figurenreiches Gemälde für den Schwurgerichssaal im Landgerichts¬ gebäude in Posen. Der Stoff des letztern liegt uns freilich sehr fern. Der Künstler hatte den Auftrag erhalten, die zwei bedeutsamsten Momente in der ^chtsgeschichte der Stadt zu schildern: die Ertheilung des Magdeburger Stadt- ^ches im Jahre 1253 und die Verkündigung des allgemeinen preußischen Land- ^ches. Das erste, dieser Bilder, eine langgestreckte Composition mit etwa dreißig Nguren in Vicrfünftel-Lebensgröße, befindet sich auf der Ausstellung. Man Grenzboten III. 1381. on

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/521>, abgerufen am 01.09.2024.