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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die akademische Rü"slaiisslellung in Berlin.

Nttgetheilten Gunst der Künstlerschaft, und alles stimmte lebhaft zu, weil der
Himmel voller Geigen hing. Ich war damals der einzige, der in der Presse
seine Stimme gegen diesen Bruch mit dem alten wohlbegründeten Herkommen
abgab. Es ist natürlich, daß eine solche vereinzelte Stimme in dem allgemeinen
Jubel verhallte. Ich bin nicht müde geworden, alljährlich ans das Mißliche
dieses Unternehmens hinzuweisen; aber nachdem einmal der verhängnisvolle
Schritt gethan worden, wird man "Schauens halber" nicht wieder zu dem alten
Turnus zurückgreifen, anch wenn die Resultate noch trauriger ausfallen sollten
als die der diesjährigen Kunstausstellung, welche einen unbeschreiblich trostlosen
Gesammteindruck macht.

Menzel, Krams, Vautier, Defregger, Andreas Ueberhand, H. v. Angeli,
Lenbach und wie sie alle heißen, können nicht alljährlich ein Meisterwerk aus
dem Aermel schütteln, um, vorausgesetzt, daß sie ein Interesse daran hätten,
den Glanz der Berliner Ausstellung aufrecht zu erhalten. Die Jury ist also,
um die Säle zu füllen, ans das Mittelgut, das immer parat ist, so lange es
Leinewand und Oelfarben giebt, angewiesen und darf in der Auswahl nicht zu
strenge sein, damit die Wände keine allzugroßen Lücken zeigen. Auch wenn die
Jury von den besten, echt künstlerischen Intentionen beseelt ist, macht sich gegen
ihren Willen doch von Jahr zu Jahr immer mehr der geschäftliche Standpunkt
geltend. Zugelassen wird eben alles, was technisch nicht gar zu stümperhaft
ist oder nicht gegen die gute Sitte verstößt. Von einer Eliteansstelluug,
welche aus dem vorhandenen Material das Beste oder mir Gutes vorführt,
ist keine Rede mehr. Da die Künstler alles irgendwie Erhebliche fiir die Aus-
stellung der Akademie aufbewahren, ist die Jury human und nachsichtig genug,
gefaßte Hoffnungen nicht zu zertrümmern, Illusionen nicht zu stören. So
nchtnngSwerth diese Grundsätze auch sind, die Kunst wird durch sie nicht ge¬
fördert. Die akademischen Ausstellungen hören auf, historisches Material zu
liefern, um nnr noch der Statistik in die Hand zu arbeiten. So und so viele
Bilder werden alljährlich nach Berlin geschickt, so und so viele werden von der
Jury als ungeeignet zurückgewiesen, so und so viele werden verkauft, und die
andern zerstreuen sich in die Loealausstellungen. Es ist ein großer Bildcr-
markt, dessen Chancen durch die Launen des Zufalls bestimmt werden.

Etwa 1400 Nummern sind in diesem Jahre eingesandt worden. Davon
haben etwa 1120 vor den Augen der Jury Gnade gefunden; der Nest war
nicht würdig, in der Ausstellung zu figuriren. Was für ein Schund mag daS
gewesen sein! fragt man sich unwillkürlich, wenn man die Ausstellung durch¬
wandert hat. Vielleicht ist Aussicht vorhanden, daß uns auch dieser Genuß in
seiner Totalität noch geboten wird. Einige Künstler, die sich besonders ver¬
letzt fühlen, haben sich zusammengethan, um eine "Ausstellung der Zurück¬
gewiesenen" zu eröffnen, zu welcher alle Schicksnlsbrüder eingeladen worden sind.
Ein nachtheiliges Licht auf die Jury kann aus diesem Oppvsitionssalon nicht


Die akademische Rü»slaiisslellung in Berlin.

Nttgetheilten Gunst der Künstlerschaft, und alles stimmte lebhaft zu, weil der
Himmel voller Geigen hing. Ich war damals der einzige, der in der Presse
seine Stimme gegen diesen Bruch mit dem alten wohlbegründeten Herkommen
abgab. Es ist natürlich, daß eine solche vereinzelte Stimme in dem allgemeinen
Jubel verhallte. Ich bin nicht müde geworden, alljährlich ans das Mißliche
dieses Unternehmens hinzuweisen; aber nachdem einmal der verhängnisvolle
Schritt gethan worden, wird man „Schauens halber" nicht wieder zu dem alten
Turnus zurückgreifen, anch wenn die Resultate noch trauriger ausfallen sollten
als die der diesjährigen Kunstausstellung, welche einen unbeschreiblich trostlosen
Gesammteindruck macht.

Menzel, Krams, Vautier, Defregger, Andreas Ueberhand, H. v. Angeli,
Lenbach und wie sie alle heißen, können nicht alljährlich ein Meisterwerk aus
dem Aermel schütteln, um, vorausgesetzt, daß sie ein Interesse daran hätten,
den Glanz der Berliner Ausstellung aufrecht zu erhalten. Die Jury ist also,
um die Säle zu füllen, ans das Mittelgut, das immer parat ist, so lange es
Leinewand und Oelfarben giebt, angewiesen und darf in der Auswahl nicht zu
strenge sein, damit die Wände keine allzugroßen Lücken zeigen. Auch wenn die
Jury von den besten, echt künstlerischen Intentionen beseelt ist, macht sich gegen
ihren Willen doch von Jahr zu Jahr immer mehr der geschäftliche Standpunkt
geltend. Zugelassen wird eben alles, was technisch nicht gar zu stümperhaft
ist oder nicht gegen die gute Sitte verstößt. Von einer Eliteansstelluug,
welche aus dem vorhandenen Material das Beste oder mir Gutes vorführt,
ist keine Rede mehr. Da die Künstler alles irgendwie Erhebliche fiir die Aus-
stellung der Akademie aufbewahren, ist die Jury human und nachsichtig genug,
gefaßte Hoffnungen nicht zu zertrümmern, Illusionen nicht zu stören. So
nchtnngSwerth diese Grundsätze auch sind, die Kunst wird durch sie nicht ge¬
fördert. Die akademischen Ausstellungen hören auf, historisches Material zu
liefern, um nnr noch der Statistik in die Hand zu arbeiten. So und so viele
Bilder werden alljährlich nach Berlin geschickt, so und so viele werden von der
Jury als ungeeignet zurückgewiesen, so und so viele werden verkauft, und die
andern zerstreuen sich in die Loealausstellungen. Es ist ein großer Bildcr-
markt, dessen Chancen durch die Launen des Zufalls bestimmt werden.

Etwa 1400 Nummern sind in diesem Jahre eingesandt worden. Davon
haben etwa 1120 vor den Augen der Jury Gnade gefunden; der Nest war
nicht würdig, in der Ausstellung zu figuriren. Was für ein Schund mag daS
gewesen sein! fragt man sich unwillkürlich, wenn man die Ausstellung durch¬
wandert hat. Vielleicht ist Aussicht vorhanden, daß uns auch dieser Genuß in
seiner Totalität noch geboten wird. Einige Künstler, die sich besonders ver¬
letzt fühlen, haben sich zusammengethan, um eine „Ausstellung der Zurück¬
gewiesenen" zu eröffnen, zu welcher alle Schicksnlsbrüder eingeladen worden sind.
Ein nachtheiliges Licht auf die Jury kann aus diesem Oppvsitionssalon nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/518>, abgerufen am 01.09.2024.