Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Zur Charakteristik des Manchesterthums, Ein langsamer, Peinlicher, häufig demüthigender Weg zum Wissen fürwahr -- Welche Experimentalwissenschaft gäbe es wohl, in welcher die ganze volle Wir müssen in die Vergangenheit zurückblicken. Wenn man von modernen Die Nothwendigkeit einer Volkswirthschaftslehre, sehr verschieden von dem Zur Charakteristik des Manchesterthums, Ein langsamer, Peinlicher, häufig demüthigender Weg zum Wissen fürwahr — Welche Experimentalwissenschaft gäbe es wohl, in welcher die ganze volle Wir müssen in die Vergangenheit zurückblicken. Wenn man von modernen Die Nothwendigkeit einer Volkswirthschaftslehre, sehr verschieden von dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150624"/> <fw type="header" place="top"> Zur Charakteristik des Manchesterthums,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1503"> Ein langsamer, Peinlicher, häufig demüthigender Weg zum Wissen fürwahr —<lb/> aber der allein wahre. Andre Wege mögen zu mehr oder weniger plausibler<lb/> Meinungen und Vermuthungen führen, jener allein führt zu sicherem und beweis¬<lb/> baren Wissen. Was wir aber bedürfen, ist nicht Vermuthung, sondern Wissen,<lb/> oder in der kräftigen Sprache des Baders der Erfahrungswissenschaften Inmcl dotis<lb/> vt znobMIiter oxw-u-j, shal osrw se, ostsusivö seirs.</p><lb/> <p xml:id="ID_1504"> Welche Experimentalwissenschaft gäbe es wohl, in welcher die ganze volle<lb/> Wahrheit auf einen Schlag entdeckt worden wäre oder im Verlaufe weniger Jahr¬<lb/> zehnte? Und noch viel weniger dürfen wir uns Verhalten, als ob wir glaubten,<lb/> daß wir mit einer plötzlichen Erleuchtung begnadigt worden wären, die uns gründ¬<lb/> lichen und unwiderleglicher Aufschluß über einen so verwickelten und dunkeln Kreis<lb/> von Gegenständen, Kräften und Verhältnissen gegeben hätte wie die National¬<lb/> ökonomie. Wenn wir zu eiuer gerechten Schätzung unsrer modernen englischen<lb/> Gedanken gelangen wollen > von den deutschen gilt natürlich dasselbe^, so müssen<lb/> wir in die Vergangenheit zurück, rings um uns und vorwärts in die Zukunft<lb/> blicken, sonst gleichen wir dem Bauer, dessen geschichtliches und geographisches<lb/> Wissen sich in den Grenzen seines eignen Lebens in seinem heimischen Dorfe oder<lb/> Kirchspiele bewegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1505"> Wir müssen in die Vergangenheit zurückblicken. Wenn man von modernen<lb/> Nationalökonomen ein Wesen macht, als ob kein Mensch vor ihnen etwas Ordent¬<lb/> liches gewußt hätte, und als ob kein Mensch nach ihnen etwas Bedeutendes mehr<lb/> würde entdecken können, so dürfen wir uns überzeugt halten, daß wir die Sprache<lb/> von Pfuschern, von oberflächlichen Scriblern, nicht aber die Sprache der Wissen¬<lb/> schaft hören. Vixvi'v tortss Mtg ^gÄiuomoug.. Es giebt viele Denker und Schriftsteller<lb/> vor Adam Smith, von denen die Nachwelt mehr halten wird, als eine gewisse<lb/> modische PseudoWissenschaft von ihnen gehalten sehen möchte. Bacon, Montesquieu,<lb/> Fenelon, Petty, Swift und Voltaire werden, wenn sie nicht mit wissenschaftlichen<lb/> Ausdrücken zu Paradiren pflegten und nicht vom Wüste moderner zweifelhafter<lb/> Theorien beengt waren, deshalb von der Nachwelt gewiß nicht weniger geschätzt<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1506" next="#ID_1507"> Die Nothwendigkeit einer Volkswirthschaftslehre, sehr verschieden von dem<lb/> rohen und unfruchtbaren Systeme, das bis jetzt in der Mode war, liegt für jeden,<lb/> der Umschau hält, auf der Hand. Die moderne Gesellschaft zeigt dem ernsten Be¬<lb/> obachter als die Konsequenzen vergangner und gegenwärtiger nationalökonomischer<lb/> Systeme praktische Ergebnisse, die keineswegs Ursache geben, stolz zu sein. Der<lb/> ungeheure Fortschritt, den die Naturwissenschaften seit dem Anfang dieses Jahr¬<lb/> hunderts gemacht haben, hat die Mittel zur Erzeugung von Reichthum tausendfach<lb/> vervielfältigt. In den überreichen und unerschöpflichen Gaben der Natur liegt<lb/> nicht mir genug, sondern mehr als genug für jedes Menschenkind. Und doch hindert<lb/> eine geheimnißvolle und unsichtbare, aber unüberschreitbare Schranke dessen Ver-<lb/> theilung und schließt die Massen vom gelobten Lande aus. Gigantische sociale</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
Zur Charakteristik des Manchesterthums,
Ein langsamer, Peinlicher, häufig demüthigender Weg zum Wissen fürwahr —
aber der allein wahre. Andre Wege mögen zu mehr oder weniger plausibler
Meinungen und Vermuthungen führen, jener allein führt zu sicherem und beweis¬
baren Wissen. Was wir aber bedürfen, ist nicht Vermuthung, sondern Wissen,
oder in der kräftigen Sprache des Baders der Erfahrungswissenschaften Inmcl dotis
vt znobMIiter oxw-u-j, shal osrw se, ostsusivö seirs.
Welche Experimentalwissenschaft gäbe es wohl, in welcher die ganze volle
Wahrheit auf einen Schlag entdeckt worden wäre oder im Verlaufe weniger Jahr¬
zehnte? Und noch viel weniger dürfen wir uns Verhalten, als ob wir glaubten,
daß wir mit einer plötzlichen Erleuchtung begnadigt worden wären, die uns gründ¬
lichen und unwiderleglicher Aufschluß über einen so verwickelten und dunkeln Kreis
von Gegenständen, Kräften und Verhältnissen gegeben hätte wie die National¬
ökonomie. Wenn wir zu eiuer gerechten Schätzung unsrer modernen englischen
Gedanken gelangen wollen > von den deutschen gilt natürlich dasselbe^, so müssen
wir in die Vergangenheit zurück, rings um uns und vorwärts in die Zukunft
blicken, sonst gleichen wir dem Bauer, dessen geschichtliches und geographisches
Wissen sich in den Grenzen seines eignen Lebens in seinem heimischen Dorfe oder
Kirchspiele bewegt.
Wir müssen in die Vergangenheit zurückblicken. Wenn man von modernen
Nationalökonomen ein Wesen macht, als ob kein Mensch vor ihnen etwas Ordent¬
liches gewußt hätte, und als ob kein Mensch nach ihnen etwas Bedeutendes mehr
würde entdecken können, so dürfen wir uns überzeugt halten, daß wir die Sprache
von Pfuschern, von oberflächlichen Scriblern, nicht aber die Sprache der Wissen¬
schaft hören. Vixvi'v tortss Mtg ^gÄiuomoug.. Es giebt viele Denker und Schriftsteller
vor Adam Smith, von denen die Nachwelt mehr halten wird, als eine gewisse
modische PseudoWissenschaft von ihnen gehalten sehen möchte. Bacon, Montesquieu,
Fenelon, Petty, Swift und Voltaire werden, wenn sie nicht mit wissenschaftlichen
Ausdrücken zu Paradiren pflegten und nicht vom Wüste moderner zweifelhafter
Theorien beengt waren, deshalb von der Nachwelt gewiß nicht weniger geschätzt
werden.
Die Nothwendigkeit einer Volkswirthschaftslehre, sehr verschieden von dem
rohen und unfruchtbaren Systeme, das bis jetzt in der Mode war, liegt für jeden,
der Umschau hält, auf der Hand. Die moderne Gesellschaft zeigt dem ernsten Be¬
obachter als die Konsequenzen vergangner und gegenwärtiger nationalökonomischer
Systeme praktische Ergebnisse, die keineswegs Ursache geben, stolz zu sein. Der
ungeheure Fortschritt, den die Naturwissenschaften seit dem Anfang dieses Jahr¬
hunderts gemacht haben, hat die Mittel zur Erzeugung von Reichthum tausendfach
vervielfältigt. In den überreichen und unerschöpflichen Gaben der Natur liegt
nicht mir genug, sondern mehr als genug für jedes Menschenkind. Und doch hindert
eine geheimnißvolle und unsichtbare, aber unüberschreitbare Schranke dessen Ver-
theilung und schließt die Massen vom gelobten Lande aus. Gigantische sociale
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