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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Zur Charakteristik des Manchesterthums.
(Schluß.)
5. Noch einige freihändlerische Sophismen.

m
e weiten' Behauptung der Freihändler aus der Schule von Man¬
chester lautet: "staatlicher Schutz würde den Handel nach
außen hin vernichten." Bei der Antwort auf diesen Satz kann
man sich einfach auf Thatsachen berufen. Keine Nation der Welt
hat die Theorie, uach welcher der heimische Gewerbfleiß staatlich zu
schützen ist, in derselben Ausdehnung adoptirt und verwirklicht wie ehedem Eng¬
land, und keine Nation hat in jener Zeit einen so lebhaften und einträglichen
Handel mit dem Auslande getrieben. Jahrhunderte hindurch hat die Schutzzoll-
Politik dort unangefochten geherrscht, und Jahrhunderte hindurch hat der aus¬
wärtige Handel Englands stetig zugenommen. Der strengste staatliche Schutz ging
Hand in Hand mit dem größten auswärtige" Handel auf der Erde. In der That,
die herrische Thätigkeit und Rührigkeit und das wirthschaftliche Gedeihen, geweckt
und genährt von einem verständigen Schutzzollsystem, ist die sicherste Grundlage
eines dauerhaften und ausgedehnten Tauschhandels mit dein Auslande.

Erstens nämlich entstehen mit dem Schutze vor übermächtiger Concurrenz und
einem sichern heimischen Markte die Mittel zum Kaufen. Unter einem strengen
und eifersüchtigen Protectionssysteme sah man Manchester, Birmingham, Sheffield,
Leeds, Glasgow, Huddersfield, Bradford, Nottingham, Coventry und Leicester auf¬
blühen und reich werden. Man sah, wie hier die Geschicklichkeit in der Her¬
stellung von Waaren sich fortwährend vervollkommnete und die Maschinen immer
zweckmäßiger wurden. Der Schutz gegen das Ausland hat die Erfindungsgabe,
die Strebsamkeit und den Unternehmungsgeist der Engländer nicht vermindert,
sondern vermehrt. Die Baumwollen-, Wollen- und Eisenwaaren Englands waren
infolge dessen lange Zeit die besten, und erst als die ausländische Concurrenz zur
Herabsetzung der Preise zwang, fing man an, weniger sorgfältig zu arbeiten und
die Stoffe zu verfälschen. Was England jetzt sein würde, wenn es in der Jugend¬
zeit seiner Industrie ohne Schutz vor fremder Concurrenz geblieben wäre, läßt
sich nicht sagen. Es würde vielleicht das sein, was Irland ohne Schutz vor der
englischen Industrie ist. Sicher ist, daß mit dem Schutze die Mittel zum Kaufen
geschaffen und in staunenswerthen Maße vervielfältigt worden sind. "Alles, was
wir jetzt bedürfen," sagt unsre Quelle, "sind Märkte zur Stütze, zum Fortbestehen
dieser Mittel zum Kaufen und zur Vermehrung derselben. Ein sicherer heimischer
Markt schuf sie, unsichere und prccäre Märkte werden sie zerstören und an ihre


Zur Charakteristik des Manchesterthums.
(Schluß.)
5. Noch einige freihändlerische Sophismen.

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e weiten' Behauptung der Freihändler aus der Schule von Man¬
chester lautet: „staatlicher Schutz würde den Handel nach
außen hin vernichten." Bei der Antwort auf diesen Satz kann
man sich einfach auf Thatsachen berufen. Keine Nation der Welt
hat die Theorie, uach welcher der heimische Gewerbfleiß staatlich zu
schützen ist, in derselben Ausdehnung adoptirt und verwirklicht wie ehedem Eng¬
land, und keine Nation hat in jener Zeit einen so lebhaften und einträglichen
Handel mit dem Auslande getrieben. Jahrhunderte hindurch hat die Schutzzoll-
Politik dort unangefochten geherrscht, und Jahrhunderte hindurch hat der aus¬
wärtige Handel Englands stetig zugenommen. Der strengste staatliche Schutz ging
Hand in Hand mit dem größten auswärtige» Handel auf der Erde. In der That,
die herrische Thätigkeit und Rührigkeit und das wirthschaftliche Gedeihen, geweckt
und genährt von einem verständigen Schutzzollsystem, ist die sicherste Grundlage
eines dauerhaften und ausgedehnten Tauschhandels mit dein Auslande.

Erstens nämlich entstehen mit dem Schutze vor übermächtiger Concurrenz und
einem sichern heimischen Markte die Mittel zum Kaufen. Unter einem strengen
und eifersüchtigen Protectionssysteme sah man Manchester, Birmingham, Sheffield,
Leeds, Glasgow, Huddersfield, Bradford, Nottingham, Coventry und Leicester auf¬
blühen und reich werden. Man sah, wie hier die Geschicklichkeit in der Her¬
stellung von Waaren sich fortwährend vervollkommnete und die Maschinen immer
zweckmäßiger wurden. Der Schutz gegen das Ausland hat die Erfindungsgabe,
die Strebsamkeit und den Unternehmungsgeist der Engländer nicht vermindert,
sondern vermehrt. Die Baumwollen-, Wollen- und Eisenwaaren Englands waren
infolge dessen lange Zeit die besten, und erst als die ausländische Concurrenz zur
Herabsetzung der Preise zwang, fing man an, weniger sorgfältig zu arbeiten und
die Stoffe zu verfälschen. Was England jetzt sein würde, wenn es in der Jugend¬
zeit seiner Industrie ohne Schutz vor fremder Concurrenz geblieben wäre, läßt
sich nicht sagen. Es würde vielleicht das sein, was Irland ohne Schutz vor der
englischen Industrie ist. Sicher ist, daß mit dem Schutze die Mittel zum Kaufen
geschaffen und in staunenswerthen Maße vervielfältigt worden sind. „Alles, was
wir jetzt bedürfen," sagt unsre Quelle, „sind Märkte zur Stütze, zum Fortbestehen
dieser Mittel zum Kaufen und zur Vermehrung derselben. Ein sicherer heimischer
Markt schuf sie, unsichere und prccäre Märkte werden sie zerstören und an ihre


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[0466] Zur Charakteristik des Manchesterthums. (Schluß.) 5. Noch einige freihändlerische Sophismen. m e weiten' Behauptung der Freihändler aus der Schule von Man¬ chester lautet: „staatlicher Schutz würde den Handel nach außen hin vernichten." Bei der Antwort auf diesen Satz kann man sich einfach auf Thatsachen berufen. Keine Nation der Welt hat die Theorie, uach welcher der heimische Gewerbfleiß staatlich zu schützen ist, in derselben Ausdehnung adoptirt und verwirklicht wie ehedem Eng¬ land, und keine Nation hat in jener Zeit einen so lebhaften und einträglichen Handel mit dem Auslande getrieben. Jahrhunderte hindurch hat die Schutzzoll- Politik dort unangefochten geherrscht, und Jahrhunderte hindurch hat der aus¬ wärtige Handel Englands stetig zugenommen. Der strengste staatliche Schutz ging Hand in Hand mit dem größten auswärtige» Handel auf der Erde. In der That, die herrische Thätigkeit und Rührigkeit und das wirthschaftliche Gedeihen, geweckt und genährt von einem verständigen Schutzzollsystem, ist die sicherste Grundlage eines dauerhaften und ausgedehnten Tauschhandels mit dein Auslande. Erstens nämlich entstehen mit dem Schutze vor übermächtiger Concurrenz und einem sichern heimischen Markte die Mittel zum Kaufen. Unter einem strengen und eifersüchtigen Protectionssysteme sah man Manchester, Birmingham, Sheffield, Leeds, Glasgow, Huddersfield, Bradford, Nottingham, Coventry und Leicester auf¬ blühen und reich werden. Man sah, wie hier die Geschicklichkeit in der Her¬ stellung von Waaren sich fortwährend vervollkommnete und die Maschinen immer zweckmäßiger wurden. Der Schutz gegen das Ausland hat die Erfindungsgabe, die Strebsamkeit und den Unternehmungsgeist der Engländer nicht vermindert, sondern vermehrt. Die Baumwollen-, Wollen- und Eisenwaaren Englands waren infolge dessen lange Zeit die besten, und erst als die ausländische Concurrenz zur Herabsetzung der Preise zwang, fing man an, weniger sorgfältig zu arbeiten und die Stoffe zu verfälschen. Was England jetzt sein würde, wenn es in der Jugend¬ zeit seiner Industrie ohne Schutz vor fremder Concurrenz geblieben wäre, läßt sich nicht sagen. Es würde vielleicht das sein, was Irland ohne Schutz vor der englischen Industrie ist. Sicher ist, daß mit dem Schutze die Mittel zum Kaufen geschaffen und in staunenswerthen Maße vervielfältigt worden sind. „Alles, was wir jetzt bedürfen," sagt unsre Quelle, „sind Märkte zur Stütze, zum Fortbestehen dieser Mittel zum Kaufen und zur Vermehrung derselben. Ein sicherer heimischer Markt schuf sie, unsichere und prccäre Märkte werden sie zerstören und an ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/466>, abgerufen am 01.09.2024.