Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Dresdener Zustände in den Jahren ^3^5 bis ^830. Karl Förster, auch Weber und Dahl und andere, von den Fremden alle lite- Tieck und Tiedge, beide um einem Orte, beide aufgesucht vou Fremden Aber noch andre Kreise öffneten sich dem künstlerischen, poetischen und Dresdener Zustände in den Jahren ^3^5 bis ^830. Karl Förster, auch Weber und Dahl und andere, von den Fremden alle lite- Tieck und Tiedge, beide um einem Orte, beide aufgesucht vou Fremden Aber noch andre Kreise öffneten sich dem künstlerischen, poetischen und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150611"/> <fw type="header" place="top"> Dresdener Zustände in den Jahren ^3^5 bis ^830.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1466" prev="#ID_1465"> Karl Förster, auch Weber und Dahl und andere, von den Fremden alle lite-<lb/> rarischen Notabilitäten, doch ebenso auch durchreisende Fürsten und Potentaten, so<lb/> z. B. die Schwester der Recke, die Herzogin von Kurland und deren Tochter, die<lb/> Herzogin von Sagan, einmal sogar der Kronprinz Friedrich Wilhelm von<lb/> Preußen, der die Recke noch kurz vor ihrem Tode besuchte. An den gewöhn¬<lb/> lichen Empfangstagen erwartete die Baronin, neben Tiedge auf dem Sopha<lb/> sitzend, die Gäste, und die Unterhaltung war nicht immer sehr lebendig. Oft<lb/> fand sich dann uueingeladcn die Langeweile ein, und oft konnte nur die ab¬<lb/> göttische Verehrung, die Tiedge bei Frau von der Recke genoß, ein Lächeln auf<lb/> das Antlitz der Gäste locken. Freilich wußte man sich auch bisweilen des Aergers<lb/> nicht zu erwehren, denn in der Literatur gab es für die Baronin nichts als<lb/> Tiedges Urania. Komisch war es dabei, daß Elise nichts genießen wollte, wenn<lb/> nicht ihr verehrter Freund seinen Theil davon hatte, und als einmal ihre<lb/> Kammerfrau — es war bei dem Besuch der Henriette Herz — ihr Pillen<lb/> reichte, lispelte sie in süßem, bittendem Tone: „Bvdapilla, Tiedge auch eine<lb/> Pille." Noch über ihren Tod hinaus wollte sie für ihn sorgen und bestimmte<lb/> testamentarisch, daß, falls sie vor ihm sterbe, er in ihrem Hause und ganz in<lb/> der gewohnten Weise fortleben sollte. Und wirklich war ihm beschieden, noch<lb/> acht Jahre seine Gönnerin zu überleben. Da wurde es freilich stiller und stiller<lb/> um ihn, und die Besucher, die sich allmählich seltner einfanden, glaubten sich<lb/> in dem altmodischen Zimmer mit dem in den neunziger Jahren stehenden Greis<lb/> in eine längst vergangne Zeit versetzt; die an den Wänden hängenden Porträts<lb/> von Göckingh, Hölty, Gleim, Bürger und den Stolbergen verstärkten diesen<lb/> Eindruck.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467"> Tieck und Tiedge, beide um einem Orte, beide aufgesucht vou Fremden<lb/> und hochgefeiert als Dichter — es konnte nicht ausbleiben, daß das zu mancherlei<lb/> Verwechselungen führte. Tieck war darüber oft ärgerlich, doch faßte er der¬<lb/> gleichen wohl auch von der heitern Seite; so in jener Gesellschaft, wo ein in<lb/> der Literatur nicht eben bewanderter Arzt Tiecks Wohl ausbrachte mit den<lb/> Worten: „Vivat Oranien!" Allgemeines Staunen. Endlich unterbrach Tieck<lb/> die peinliche Stille, welche nach dem räthselhaften Toast eingetreten war, und<lb/> sagte: „Das war ein großer Held, den können wir Wohl leben lassen." Dann<lb/> stellte sich heraus, daß der arme Doctor Tieck und Tiedge, Oranien und Urania<lb/> verwechselt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1468" next="#ID_1469"> Aber noch andre Kreise öffneten sich dem künstlerischen, poetischen und<lb/> wissenschaftlichen Dresden. So jener Dienstagabend bei Therese Aus dem<lb/> Winkel, der Dichterin, Malerin und Harfenvirtuosiu. Diesem Verein wurde<lb/> einst eine überraschende Freude zu theil. Am 7. October 1817 kam Frau<lb/> Helmine von Chezy mit ihren beiden Knaben aus Berlin abends in Dresden<lb/> ein, und als sie hörte, daß bei Therese Aus dem Winkel, die sie in Paris<lb/> hatte kennen lernen, Empfangsabend sei, machte sie sich mit ihren Sproß-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
Dresdener Zustände in den Jahren ^3^5 bis ^830.
Karl Förster, auch Weber und Dahl und andere, von den Fremden alle lite-
rarischen Notabilitäten, doch ebenso auch durchreisende Fürsten und Potentaten, so
z. B. die Schwester der Recke, die Herzogin von Kurland und deren Tochter, die
Herzogin von Sagan, einmal sogar der Kronprinz Friedrich Wilhelm von
Preußen, der die Recke noch kurz vor ihrem Tode besuchte. An den gewöhn¬
lichen Empfangstagen erwartete die Baronin, neben Tiedge auf dem Sopha
sitzend, die Gäste, und die Unterhaltung war nicht immer sehr lebendig. Oft
fand sich dann uueingeladcn die Langeweile ein, und oft konnte nur die ab¬
göttische Verehrung, die Tiedge bei Frau von der Recke genoß, ein Lächeln auf
das Antlitz der Gäste locken. Freilich wußte man sich auch bisweilen des Aergers
nicht zu erwehren, denn in der Literatur gab es für die Baronin nichts als
Tiedges Urania. Komisch war es dabei, daß Elise nichts genießen wollte, wenn
nicht ihr verehrter Freund seinen Theil davon hatte, und als einmal ihre
Kammerfrau — es war bei dem Besuch der Henriette Herz — ihr Pillen
reichte, lispelte sie in süßem, bittendem Tone: „Bvdapilla, Tiedge auch eine
Pille." Noch über ihren Tod hinaus wollte sie für ihn sorgen und bestimmte
testamentarisch, daß, falls sie vor ihm sterbe, er in ihrem Hause und ganz in
der gewohnten Weise fortleben sollte. Und wirklich war ihm beschieden, noch
acht Jahre seine Gönnerin zu überleben. Da wurde es freilich stiller und stiller
um ihn, und die Besucher, die sich allmählich seltner einfanden, glaubten sich
in dem altmodischen Zimmer mit dem in den neunziger Jahren stehenden Greis
in eine längst vergangne Zeit versetzt; die an den Wänden hängenden Porträts
von Göckingh, Hölty, Gleim, Bürger und den Stolbergen verstärkten diesen
Eindruck.
Tieck und Tiedge, beide um einem Orte, beide aufgesucht vou Fremden
und hochgefeiert als Dichter — es konnte nicht ausbleiben, daß das zu mancherlei
Verwechselungen führte. Tieck war darüber oft ärgerlich, doch faßte er der¬
gleichen wohl auch von der heitern Seite; so in jener Gesellschaft, wo ein in
der Literatur nicht eben bewanderter Arzt Tiecks Wohl ausbrachte mit den
Worten: „Vivat Oranien!" Allgemeines Staunen. Endlich unterbrach Tieck
die peinliche Stille, welche nach dem räthselhaften Toast eingetreten war, und
sagte: „Das war ein großer Held, den können wir Wohl leben lassen." Dann
stellte sich heraus, daß der arme Doctor Tieck und Tiedge, Oranien und Urania
verwechselt hatte.
Aber noch andre Kreise öffneten sich dem künstlerischen, poetischen und
wissenschaftlichen Dresden. So jener Dienstagabend bei Therese Aus dem
Winkel, der Dichterin, Malerin und Harfenvirtuosiu. Diesem Verein wurde
einst eine überraschende Freude zu theil. Am 7. October 1817 kam Frau
Helmine von Chezy mit ihren beiden Knaben aus Berlin abends in Dresden
ein, und als sie hörte, daß bei Therese Aus dem Winkel, die sie in Paris
hatte kennen lernen, Empfangsabend sei, machte sie sich mit ihren Sproß-
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