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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die moderne Geschütz-Industrie.

Längsstäbe -- gebildet, deren verschiedene Dicke es in zwei cylindrische Theile
zerlegt. Zwei dieser Ringe sind mit einer Anzahl viereckiger Vertiefungen ver¬
sehen, welche zum Hineinstecken von Hebebäumen dienen, um das Kanonenstück
an- und abschrauben zu können. Das Rohr ist 16 Fuß lang, 328 Centner
schwer, hat 24^ Zoll (0,64 Meter) Kaliber für eine Steinkugel von 680 Pfund;
die Kammer kann über einen Centner Pulver fassen. Geschmiedet ist das Ge¬
schütz wahrscheinlich im Jahre 1382, als Philipp van Artevelde, der Brauer von
Gent, Oudenarde belagerte.

Ein zweiter Repräsentant ist die schmiedeeiserne Bombarde Nous nox,
welche gegenwärtig in der Königsbastei des Schlosses zu Edinburg lagert. Sie
ist ganz ähnlich wie die "Tolle Grete" construirt, nur hat das abnehmbare
Kammerstück ebenso wie der vordere Theil eine innere Lage von Längsstäben, sie
ist 12>/z Fuß lang, 132 Centner schwer und hat 20 Zoll Kaliber für eine Stein¬
kugel von 300 Pfund. Der Name bedeutet etwa "Faule -- ungeheure -- Grete."
Eine schottische Chronik weiß von diesem Geschütz folgendes zu berichten: "Als
das schottische Parlament im Jahre 1455 die Reichsacht über das mächtige Ge¬
schlecht der Douglas verhängt hatte, unternahm König Jacob II. die Belagerung
des Schlosses Threcwe, welches den letzten festen Zufluchtsort der Geächteten
bildete. Unter den Landleuten, die aus der Umgegend herbeiströmten, um den
Fortgang der Belagerung zu sehen, befand sich auch ein Grobschmied, Namens
M'Kilt, nebst seinen Söhnen. Da er wahrnahm, daß die Artillerie des Königs
gegen die festen Mauern des Schlosses fast gar nichts auszurichten vermochte,
so erbot er sich, ein wirksames Geschütz herzustellen, falls ihm das erforderliche
Eisen dazu geliefert würde. Der König nahm dies Erbieten mit Freuden an,
und die patriotischen Bewohner von Kirkcudbright gaben jeder eine Stange Eisen
zu dem löblichen Unternehmen her. M'Kilt machte sich alsbald ans Werk und
schmiedete in Bunsens Croft, in der unmittelbaren Nähe von Jacobs Lager, ein
Rohr, welches Nous NsF getauft wurde und dessen mächtige Breschwirkung
binnen kurzem die Uebergabe des Schlosses Threave herbeiführte. Der dankbare
König belehnte den Armstrong des Is. Jahrhunderts zum Lohn mit den Lcindc-
reien von Mollcmce, nach denen, wie es damals Sitte war, der Grobschmicd
nun ebenfalls den Namen Mollcmce annahm----Ein zweites Geschütz, welches
Jacob nach dem Muster der Nous Na^ schmieden ließ, wurde ihm selbst
verderblich, indem es 1460 bei der Belagerung von Roxburgh zersprang und
den daneben stehenden König tödtete. Rems Nsg' dagegen war 1489 wieder
bei der Belagerung von Dunbarton thätig, wurde dann nach Edinburg und
acht Jahre später nach Norham gebracht und gab 1558 die Salutschüsse zur
Feier der Vermählung der unglücklichen Maria Stuart mit dem Dauphin von
Frankreich und 1682 zu Ehren des Herzogs von Aork. Bei der letzteren Ge¬
legenheit indeß zersprangen einige Ringe am Bodenstück, ohne daß aber die
innere Stablage gefährdet worden wäre."


Die moderne Geschütz-Industrie.

Längsstäbe — gebildet, deren verschiedene Dicke es in zwei cylindrische Theile
zerlegt. Zwei dieser Ringe sind mit einer Anzahl viereckiger Vertiefungen ver¬
sehen, welche zum Hineinstecken von Hebebäumen dienen, um das Kanonenstück
an- und abschrauben zu können. Das Rohr ist 16 Fuß lang, 328 Centner
schwer, hat 24^ Zoll (0,64 Meter) Kaliber für eine Steinkugel von 680 Pfund;
die Kammer kann über einen Centner Pulver fassen. Geschmiedet ist das Ge¬
schütz wahrscheinlich im Jahre 1382, als Philipp van Artevelde, der Brauer von
Gent, Oudenarde belagerte.

Ein zweiter Repräsentant ist die schmiedeeiserne Bombarde Nous nox,
welche gegenwärtig in der Königsbastei des Schlosses zu Edinburg lagert. Sie
ist ganz ähnlich wie die „Tolle Grete" construirt, nur hat das abnehmbare
Kammerstück ebenso wie der vordere Theil eine innere Lage von Längsstäben, sie
ist 12>/z Fuß lang, 132 Centner schwer und hat 20 Zoll Kaliber für eine Stein¬
kugel von 300 Pfund. Der Name bedeutet etwa „Faule — ungeheure — Grete."
Eine schottische Chronik weiß von diesem Geschütz folgendes zu berichten: „Als
das schottische Parlament im Jahre 1455 die Reichsacht über das mächtige Ge¬
schlecht der Douglas verhängt hatte, unternahm König Jacob II. die Belagerung
des Schlosses Threcwe, welches den letzten festen Zufluchtsort der Geächteten
bildete. Unter den Landleuten, die aus der Umgegend herbeiströmten, um den
Fortgang der Belagerung zu sehen, befand sich auch ein Grobschmied, Namens
M'Kilt, nebst seinen Söhnen. Da er wahrnahm, daß die Artillerie des Königs
gegen die festen Mauern des Schlosses fast gar nichts auszurichten vermochte,
so erbot er sich, ein wirksames Geschütz herzustellen, falls ihm das erforderliche
Eisen dazu geliefert würde. Der König nahm dies Erbieten mit Freuden an,
und die patriotischen Bewohner von Kirkcudbright gaben jeder eine Stange Eisen
zu dem löblichen Unternehmen her. M'Kilt machte sich alsbald ans Werk und
schmiedete in Bunsens Croft, in der unmittelbaren Nähe von Jacobs Lager, ein
Rohr, welches Nous NsF getauft wurde und dessen mächtige Breschwirkung
binnen kurzem die Uebergabe des Schlosses Threave herbeiführte. Der dankbare
König belehnte den Armstrong des Is. Jahrhunderts zum Lohn mit den Lcindc-
reien von Mollcmce, nach denen, wie es damals Sitte war, der Grobschmicd
nun ebenfalls den Namen Mollcmce annahm----Ein zweites Geschütz, welches
Jacob nach dem Muster der Nous Na^ schmieden ließ, wurde ihm selbst
verderblich, indem es 1460 bei der Belagerung von Roxburgh zersprang und
den daneben stehenden König tödtete. Rems Nsg' dagegen war 1489 wieder
bei der Belagerung von Dunbarton thätig, wurde dann nach Edinburg und
acht Jahre später nach Norham gebracht und gab 1558 die Salutschüsse zur
Feier der Vermählung der unglücklichen Maria Stuart mit dem Dauphin von
Frankreich und 1682 zu Ehren des Herzogs von Aork. Bei der letzteren Ge¬
legenheit indeß zersprangen einige Ringe am Bodenstück, ohne daß aber die
innere Stablage gefährdet worden wäre."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/424>, abgerufen am 01.09.2024.