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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

den Düsseldorfern Landschaftsmalern das kosmopolitische Element vertritt. Seine
Gemälde reizen freilich mehr durch die ungewöhnlichen Stoffe als durch die
rein künstlerische Wirkung, die durch das harte und bunte Colorit stark beein¬
trächtigt wird.

Daß in die Physiognomie der Düsseldorfer Landschaftsmalerei neuerdings
einige realistische Züge extremsten Charakters eingezeichnet worden sind, habe"
wir schon bemerkt. Am entschlossensten geht in dieser Richtung Gregor von
Bvchmann vor, ein aus Esthland stammender Deutschrusse (1850 geboren),
der zwar seine Studien auf der Düsseldorfer Akademie gemacht hat, aber in
seiner Naturauffassung durch die französischen und belgischen Realisten neuesten
Schlages beeinflußt wird, die absolut keine Luft sehen wollen und die Figuren
unvermittelt und unverschmolzen in die Landschaft hineinsetzen. Bei seinen Mo¬
tiven, welche er fast ausschließlich der russischen Heimat entlehnt, sucht er den
melancholischen Eindruck, den Landschaft, Menschen und Vieh machen, noch da¬
durch zu verstärken, daß er alle lebhaften Farben gleichsam durch einen grauen
Schleier bricht. Gleichwohl übt seine Manier, die durch die Schärfe der Cha¬
rakteristik blendet, wie alles Bizarre und Ungewöhnliche, eine große Anziehungs¬
kraft auf die jüngern Künstler aus, und es hat den Allschein, als würde seine
seltsame Anschauungsweise der Natur zahlreiche Nachahmer finden, welche sich
in dieser neuen Art von Weltschmerz gefallen.

Auch an der Akademie hat der Realismus, freilich in einer weit ma߬
volleren Form, Eingang gefunden. Als Oswald Ueberhand 1872 seine Pro¬
fessur niederlegte und Albert Flaum, der ihn zeitweilig vertreten hatte, ebenfalls
aus der Lehrerschaft ausschied, hatte mau die Absicht, an der Tradition festzu¬
halten und auch ferner die Landschaftsmalern an der Akademie durch einen
Meister der ideal-romantischen Richtung vertreten zu lassen. Es scheint indessen,
daß man keine geeignete Lehrkraft finden konnte, und so fiel die Wahl schließlich
auf Eugen Ducker, der jedoch sein Lehramt erst seit 1875 ununterbrochen aus¬
übt, nachdem er für eine Zeit lang wieder zurückgetreten war. Ducker wurde
am 1t). Februar 1841 zu Arensberg in Livland geboren, machte seine Studien
ans der Akademie in Petersburg und ging 1864 nach Düsseldorf, wo er sich
dauernd niederließ. Seine Specialität ist die Marine- und Strandmalerei. Der
Einfluß Andreas Achenbachs ist in seinen Gemälden nicht zu verkennen. Doch
liebt er nicht die blendenden Effecte, sondern begnügt sich, mit breitem Pinsel die
intimen Reize der Wasserfläche und der Strandseenerie zu schildern. Während
er anfangs etwas decorativ malte, legt er jetzt eine immer steigende Sorgfalt
auf die Durchbildung der Form, wofür eine Strandlandschaft von der Insel
Rügen bei aufgehenden Vollmond in der Berliner Nativnalgalerie ein ehren¬
volles Zeugniß ablegt.




Für die Redaction verantwortlich! Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Mnrqunrt in Reudnitz-Leipzig.
Die Düsseldorfer Schule.

den Düsseldorfern Landschaftsmalern das kosmopolitische Element vertritt. Seine
Gemälde reizen freilich mehr durch die ungewöhnlichen Stoffe als durch die
rein künstlerische Wirkung, die durch das harte und bunte Colorit stark beein¬
trächtigt wird.

Daß in die Physiognomie der Düsseldorfer Landschaftsmalerei neuerdings
einige realistische Züge extremsten Charakters eingezeichnet worden sind, habe»
wir schon bemerkt. Am entschlossensten geht in dieser Richtung Gregor von
Bvchmann vor, ein aus Esthland stammender Deutschrusse (1850 geboren),
der zwar seine Studien auf der Düsseldorfer Akademie gemacht hat, aber in
seiner Naturauffassung durch die französischen und belgischen Realisten neuesten
Schlages beeinflußt wird, die absolut keine Luft sehen wollen und die Figuren
unvermittelt und unverschmolzen in die Landschaft hineinsetzen. Bei seinen Mo¬
tiven, welche er fast ausschließlich der russischen Heimat entlehnt, sucht er den
melancholischen Eindruck, den Landschaft, Menschen und Vieh machen, noch da¬
durch zu verstärken, daß er alle lebhaften Farben gleichsam durch einen grauen
Schleier bricht. Gleichwohl übt seine Manier, die durch die Schärfe der Cha¬
rakteristik blendet, wie alles Bizarre und Ungewöhnliche, eine große Anziehungs¬
kraft auf die jüngern Künstler aus, und es hat den Allschein, als würde seine
seltsame Anschauungsweise der Natur zahlreiche Nachahmer finden, welche sich
in dieser neuen Art von Weltschmerz gefallen.

Auch an der Akademie hat der Realismus, freilich in einer weit ma߬
volleren Form, Eingang gefunden. Als Oswald Ueberhand 1872 seine Pro¬
fessur niederlegte und Albert Flaum, der ihn zeitweilig vertreten hatte, ebenfalls
aus der Lehrerschaft ausschied, hatte mau die Absicht, an der Tradition festzu¬
halten und auch ferner die Landschaftsmalern an der Akademie durch einen
Meister der ideal-romantischen Richtung vertreten zu lassen. Es scheint indessen,
daß man keine geeignete Lehrkraft finden konnte, und so fiel die Wahl schließlich
auf Eugen Ducker, der jedoch sein Lehramt erst seit 1875 ununterbrochen aus¬
übt, nachdem er für eine Zeit lang wieder zurückgetreten war. Ducker wurde
am 1t). Februar 1841 zu Arensberg in Livland geboren, machte seine Studien
ans der Akademie in Petersburg und ging 1864 nach Düsseldorf, wo er sich
dauernd niederließ. Seine Specialität ist die Marine- und Strandmalerei. Der
Einfluß Andreas Achenbachs ist in seinen Gemälden nicht zu verkennen. Doch
liebt er nicht die blendenden Effecte, sondern begnügt sich, mit breitem Pinsel die
intimen Reize der Wasserfläche und der Strandseenerie zu schildern. Während
er anfangs etwas decorativ malte, legt er jetzt eine immer steigende Sorgfalt
auf die Durchbildung der Form, wofür eine Strandlandschaft von der Insel
Rügen bei aufgehenden Vollmond in der Berliner Nativnalgalerie ein ehren¬
volles Zeugniß ablegt.




Für die Redaction verantwortlich! Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Mnrqunrt in Reudnitz-Leipzig.
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[0400] Die Düsseldorfer Schule. den Düsseldorfern Landschaftsmalern das kosmopolitische Element vertritt. Seine Gemälde reizen freilich mehr durch die ungewöhnlichen Stoffe als durch die rein künstlerische Wirkung, die durch das harte und bunte Colorit stark beein¬ trächtigt wird. Daß in die Physiognomie der Düsseldorfer Landschaftsmalerei neuerdings einige realistische Züge extremsten Charakters eingezeichnet worden sind, habe» wir schon bemerkt. Am entschlossensten geht in dieser Richtung Gregor von Bvchmann vor, ein aus Esthland stammender Deutschrusse (1850 geboren), der zwar seine Studien auf der Düsseldorfer Akademie gemacht hat, aber in seiner Naturauffassung durch die französischen und belgischen Realisten neuesten Schlages beeinflußt wird, die absolut keine Luft sehen wollen und die Figuren unvermittelt und unverschmolzen in die Landschaft hineinsetzen. Bei seinen Mo¬ tiven, welche er fast ausschließlich der russischen Heimat entlehnt, sucht er den melancholischen Eindruck, den Landschaft, Menschen und Vieh machen, noch da¬ durch zu verstärken, daß er alle lebhaften Farben gleichsam durch einen grauen Schleier bricht. Gleichwohl übt seine Manier, die durch die Schärfe der Cha¬ rakteristik blendet, wie alles Bizarre und Ungewöhnliche, eine große Anziehungs¬ kraft auf die jüngern Künstler aus, und es hat den Allschein, als würde seine seltsame Anschauungsweise der Natur zahlreiche Nachahmer finden, welche sich in dieser neuen Art von Weltschmerz gefallen. Auch an der Akademie hat der Realismus, freilich in einer weit ma߬ volleren Form, Eingang gefunden. Als Oswald Ueberhand 1872 seine Pro¬ fessur niederlegte und Albert Flaum, der ihn zeitweilig vertreten hatte, ebenfalls aus der Lehrerschaft ausschied, hatte mau die Absicht, an der Tradition festzu¬ halten und auch ferner die Landschaftsmalern an der Akademie durch einen Meister der ideal-romantischen Richtung vertreten zu lassen. Es scheint indessen, daß man keine geeignete Lehrkraft finden konnte, und so fiel die Wahl schließlich auf Eugen Ducker, der jedoch sein Lehramt erst seit 1875 ununterbrochen aus¬ übt, nachdem er für eine Zeit lang wieder zurückgetreten war. Ducker wurde am 1t). Februar 1841 zu Arensberg in Livland geboren, machte seine Studien ans der Akademie in Petersburg und ging 1864 nach Düsseldorf, wo er sich dauernd niederließ. Seine Specialität ist die Marine- und Strandmalerei. Der Einfluß Andreas Achenbachs ist in seinen Gemälden nicht zu verkennen. Doch liebt er nicht die blendenden Effecte, sondern begnügt sich, mit breitem Pinsel die intimen Reize der Wasserfläche und der Strandseenerie zu schildern. Während er anfangs etwas decorativ malte, legt er jetzt eine immer steigende Sorgfalt auf die Durchbildung der Form, wofür eine Strandlandschaft von der Insel Rügen bei aufgehenden Vollmond in der Berliner Nativnalgalerie ein ehren¬ volles Zeugniß ablegt. Für die Redaction verantwortlich! Johannes Gruuow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Mnrqunrt in Reudnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/400>, abgerufen am 01.09.2024.