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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Johann Maria Mdebrandt.

schön für mich, daß ich Dich noch einmal gesehen habe, daß Du aus der weiten
Ferne kamst, um mir die Augen zu schließen" -- so flüsterte der Mund des Ster¬
benden in den Stunden, in denen der bekümmerte Sohn an dem Sterbelager saß.

Die zweite Reise Hildebrandts umfaßt die Zeit vom 27. Januar 1875 bis
zum 13. November 1877. Mit reichlichen Unterstützungen, u. a. von der tgi. Aka¬
demie der Wissenschaften in Berlin und der Karl Ritter-Stiftung in Leipzig
versehen und von frohen Hoffnungen erfüllt, verließ er am 1. Februar 1875
an Bord des Lloyddampfers "Arctnsci" Europa und langte am 18. Februar
wohlbehalten in Aden an. Bor seiner Abreise hatte er noch in Düsseldorf (in
guter Erinnerung an den Respect, in welchem Heilkünstler bei den wilden Völ¬
kern stehen) bei dem Director der Augenklinik, Geheimrath Mooren, sich in der
Behandlung der in Afrika so häufig vorkommenden Augenkrankheiten unterweisen
lassen. Auch bestand diesmal seine Ausrüstung aus einem vollständigen wissen¬
schaftlichen Neiseinventar, zu dem 30 Zündnadelcarabiner mit Munition gehörten,
welche die preußische Regierung ihm hatte überweisen lassen. Außer den Schu߬
waffen bestand sein mächtigster Schutz in ein paar starken Bluthunden, die nur
seinem Rufe gehorchten, nachts vor seinem Zelt lagen und die Annäherung
keines Menschen oder Thieres zuließen. Im übrigen schützte ihn die Treue
und Anhänglichkeit seiner schwarzen Dienerschaft und seiner Träger vor mancher
Gefahr. Die schwarzen Gesellen hatten ihren Herrn liebgewonnen, denn er war
immer bei gutem Muthe, trotz unsäglicher Strapazen und Beschwerden. Wenn
seine Gepäckträger, die doch mehr als er an die Gluth der Sonne gewöhnt waren,
mit den gesammelten Schätzen erschöpft niedersinken wollten, dann sang Hilde¬
brandt ihnen ein deutsches Lied oder machte ihnen lustige Sprunge vor und
belebte so den Muth dieser Naturkinder aufs neue.

Die Anstrengungen der zweiten Reise waren allerdings ungewöhnlich groß.
Da er sich diesmal nur auf das Einsammeln des Außergewöhnlichem beschränkte,
so gelangte er eine tüchtige Strecke ins Innere des "schwarzen Continents" hinein.
Von Meid aus machte er zunächst eine Reise in das Sonmlland. Dabei ge¬
lang es ihm, die Mutterpflanze des Weihrauchs und der Myrrhe, sowie den
bisher unbekannten Pfeilgiftbaum Waba (eine Strychneenspeeies), endlich den
Drachenbaniil (Druellöir-r Ombst) aufzufinden. Auch die ethnographische Ausbeute
war reich. Alle Winkel der Svncklhütten durchstöberte er lind brachte so alles
zusaiilmeii, was zur Leibes-Nahrung und Nothdulft der Sonaten gehörte. Eine
Reihe photographischer Aufnahmen ist leider verdorben.

Eines Tages, als Hildebrandt gerade eine neue, schöne Moosart gefunden
hatte und im Begriffe war, sie zu zergliedern und zu Präpariren, wurde er durch
den wildeu Kriegsruf herzustürzender abessinischer Schaaren in seiner friedlichen
Beschäftigung unterbrochen. Hier kamen ihm feine Sprachkenntnisse und seine
Kaltblütigkeit zu statte". Er machte den, Anführer der mit erhobenen Speeren
andringenden Wilden begreiflich, daß durch die Pflanzen, welche er suche, in


Johann Maria Mdebrandt.

schön für mich, daß ich Dich noch einmal gesehen habe, daß Du aus der weiten
Ferne kamst, um mir die Augen zu schließen" — so flüsterte der Mund des Ster¬
benden in den Stunden, in denen der bekümmerte Sohn an dem Sterbelager saß.

Die zweite Reise Hildebrandts umfaßt die Zeit vom 27. Januar 1875 bis
zum 13. November 1877. Mit reichlichen Unterstützungen, u. a. von der tgi. Aka¬
demie der Wissenschaften in Berlin und der Karl Ritter-Stiftung in Leipzig
versehen und von frohen Hoffnungen erfüllt, verließ er am 1. Februar 1875
an Bord des Lloyddampfers „Arctnsci" Europa und langte am 18. Februar
wohlbehalten in Aden an. Bor seiner Abreise hatte er noch in Düsseldorf (in
guter Erinnerung an den Respect, in welchem Heilkünstler bei den wilden Völ¬
kern stehen) bei dem Director der Augenklinik, Geheimrath Mooren, sich in der
Behandlung der in Afrika so häufig vorkommenden Augenkrankheiten unterweisen
lassen. Auch bestand diesmal seine Ausrüstung aus einem vollständigen wissen¬
schaftlichen Neiseinventar, zu dem 30 Zündnadelcarabiner mit Munition gehörten,
welche die preußische Regierung ihm hatte überweisen lassen. Außer den Schu߬
waffen bestand sein mächtigster Schutz in ein paar starken Bluthunden, die nur
seinem Rufe gehorchten, nachts vor seinem Zelt lagen und die Annäherung
keines Menschen oder Thieres zuließen. Im übrigen schützte ihn die Treue
und Anhänglichkeit seiner schwarzen Dienerschaft und seiner Träger vor mancher
Gefahr. Die schwarzen Gesellen hatten ihren Herrn liebgewonnen, denn er war
immer bei gutem Muthe, trotz unsäglicher Strapazen und Beschwerden. Wenn
seine Gepäckträger, die doch mehr als er an die Gluth der Sonne gewöhnt waren,
mit den gesammelten Schätzen erschöpft niedersinken wollten, dann sang Hilde¬
brandt ihnen ein deutsches Lied oder machte ihnen lustige Sprunge vor und
belebte so den Muth dieser Naturkinder aufs neue.

Die Anstrengungen der zweiten Reise waren allerdings ungewöhnlich groß.
Da er sich diesmal nur auf das Einsammeln des Außergewöhnlichem beschränkte,
so gelangte er eine tüchtige Strecke ins Innere des „schwarzen Continents" hinein.
Von Meid aus machte er zunächst eine Reise in das Sonmlland. Dabei ge¬
lang es ihm, die Mutterpflanze des Weihrauchs und der Myrrhe, sowie den
bisher unbekannten Pfeilgiftbaum Waba (eine Strychneenspeeies), endlich den
Drachenbaniil (Druellöir-r Ombst) aufzufinden. Auch die ethnographische Ausbeute
war reich. Alle Winkel der Svncklhütten durchstöberte er lind brachte so alles
zusaiilmeii, was zur Leibes-Nahrung und Nothdulft der Sonaten gehörte. Eine
Reihe photographischer Aufnahmen ist leider verdorben.

Eines Tages, als Hildebrandt gerade eine neue, schöne Moosart gefunden
hatte und im Begriffe war, sie zu zergliedern und zu Präpariren, wurde er durch
den wildeu Kriegsruf herzustürzender abessinischer Schaaren in seiner friedlichen
Beschäftigung unterbrochen. Hier kamen ihm feine Sprachkenntnisse und seine
Kaltblütigkeit zu statte». Er machte den, Anführer der mit erhobenen Speeren
andringenden Wilden begreiflich, daß durch die Pflanzen, welche er suche, in


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[0387] Johann Maria Mdebrandt. schön für mich, daß ich Dich noch einmal gesehen habe, daß Du aus der weiten Ferne kamst, um mir die Augen zu schließen" — so flüsterte der Mund des Ster¬ benden in den Stunden, in denen der bekümmerte Sohn an dem Sterbelager saß. Die zweite Reise Hildebrandts umfaßt die Zeit vom 27. Januar 1875 bis zum 13. November 1877. Mit reichlichen Unterstützungen, u. a. von der tgi. Aka¬ demie der Wissenschaften in Berlin und der Karl Ritter-Stiftung in Leipzig versehen und von frohen Hoffnungen erfüllt, verließ er am 1. Februar 1875 an Bord des Lloyddampfers „Arctnsci" Europa und langte am 18. Februar wohlbehalten in Aden an. Bor seiner Abreise hatte er noch in Düsseldorf (in guter Erinnerung an den Respect, in welchem Heilkünstler bei den wilden Völ¬ kern stehen) bei dem Director der Augenklinik, Geheimrath Mooren, sich in der Behandlung der in Afrika so häufig vorkommenden Augenkrankheiten unterweisen lassen. Auch bestand diesmal seine Ausrüstung aus einem vollständigen wissen¬ schaftlichen Neiseinventar, zu dem 30 Zündnadelcarabiner mit Munition gehörten, welche die preußische Regierung ihm hatte überweisen lassen. Außer den Schu߬ waffen bestand sein mächtigster Schutz in ein paar starken Bluthunden, die nur seinem Rufe gehorchten, nachts vor seinem Zelt lagen und die Annäherung keines Menschen oder Thieres zuließen. Im übrigen schützte ihn die Treue und Anhänglichkeit seiner schwarzen Dienerschaft und seiner Träger vor mancher Gefahr. Die schwarzen Gesellen hatten ihren Herrn liebgewonnen, denn er war immer bei gutem Muthe, trotz unsäglicher Strapazen und Beschwerden. Wenn seine Gepäckträger, die doch mehr als er an die Gluth der Sonne gewöhnt waren, mit den gesammelten Schätzen erschöpft niedersinken wollten, dann sang Hilde¬ brandt ihnen ein deutsches Lied oder machte ihnen lustige Sprunge vor und belebte so den Muth dieser Naturkinder aufs neue. Die Anstrengungen der zweiten Reise waren allerdings ungewöhnlich groß. Da er sich diesmal nur auf das Einsammeln des Außergewöhnlichem beschränkte, so gelangte er eine tüchtige Strecke ins Innere des „schwarzen Continents" hinein. Von Meid aus machte er zunächst eine Reise in das Sonmlland. Dabei ge¬ lang es ihm, die Mutterpflanze des Weihrauchs und der Myrrhe, sowie den bisher unbekannten Pfeilgiftbaum Waba (eine Strychneenspeeies), endlich den Drachenbaniil (Druellöir-r Ombst) aufzufinden. Auch die ethnographische Ausbeute war reich. Alle Winkel der Svncklhütten durchstöberte er lind brachte so alles zusaiilmeii, was zur Leibes-Nahrung und Nothdulft der Sonaten gehörte. Eine Reihe photographischer Aufnahmen ist leider verdorben. Eines Tages, als Hildebrandt gerade eine neue, schöne Moosart gefunden hatte und im Begriffe war, sie zu zergliedern und zu Präpariren, wurde er durch den wildeu Kriegsruf herzustürzender abessinischer Schaaren in seiner friedlichen Beschäftigung unterbrochen. Hier kamen ihm feine Sprachkenntnisse und seine Kaltblütigkeit zu statte». Er machte den, Anführer der mit erhobenen Speeren andringenden Wilden begreiflich, daß durch die Pflanzen, welche er suche, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/387>, abgerufen am 01.09.2024.