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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Johann Maria Hildebrandt,

er die Gebiete der Vogos, Bedjuk und Az-Tcmmariam. Dort gab es eine Aus¬
beute für ihn, die ihn fast zu erdrücken drohte. Das Märchen seiner Knabenzeit,
der Traum seiner Jugend, die Hoffnung seines reiferen Alters schienen erfüllt.
Unermeßlich erschloß sich der tropische Urwald seinen Blicken. Neue Formen,
ursprüngliche Arten, neuer Schöpfungsinhalt zeigten sich seinem musternden Ange
auf Schritt und Tritt. Aber nicht die riesigen himmelanstrebenden Exemplare
des Affenbrotbaumes, nicht der herrliche Gummi- und Mekkaharzbaum, uoch die
prächtige Zeder, die fruchtbeladene Banane und die rauschende Sykomore fesselten
ihn; vielmehr reizte ihn vor allem die überaus reiche kleinere Flora, die den
Boden tausendfältig überdeckte.

Im October 1872 beim Beginn der Regenzeit kehrte er beutebeladen zurück
uach Massann. Bald jedoch machte er einen neuen Ausflug nach der Halbinsel
Buri und miethete sich um Weihnachten eine Barke, auf welcher er die Fahrt
nach Aden (an der südwestlichen Spitze Arabiens) wagte. Der Südwind ließ
ihn nur langsam vorwärts kommen, er stieg daher schon in Hanfila ans Land,
besuchte die Danatilländer bis zur Ragad, der Salzebene. Hier bestieg er den
Orteale, einen noch thätigen Vulkan, mußte aber leider umkehren, da ihn die
eignen Leute aller Lebensmittel beraubt hatten. Ohne Nahrung und Geld er¬
reichte er seine Barke. Später landete er nochmals bei Rae-Arar und erreichte
Ende Februar 1873 Aden auf Kameelen. Nach einem Berichte, den sein Freund
C. Rensch in der "Natur" 1876 veröffentlichte, erging es ihm dort sehr schlecht.
Genügende Gelder zur Fortsetzung der Reise fehlten, die in Aden niedergelegten
Sammlungen ans Geddah -- er war aus Aegypten über Geddah, Hadeidcch
und Moneda gereist -- waren verdorben, die Gegenstände seiner Reiseausrüstung
gestohlen. Ohne Geldmittel aber konnte er seine Aufgabe nicht erfüllen, da er
auf den Expeditionen eine große Anzahl Träger ?c. zu unterhalten und zu be¬
solden hatte. In seiner Bedrängniß suchte er sich selbst zu helfen, indem er seine
Dienste einem Aderer Hanse anbot, in dessen Auftrag er eine Reise nach dem
gegenüberliegenden afrikanischen SvmÄilandc unternahm. Dort besuchte er die
Svmülistädte Berbera und Bulhar, sowie mehrere kleine Küstenorte, kehrte auf
einige Tage nach Aden zurück und begab sich abermals nach SomÄi, um von
Lasgori aus die Bergketten des Abt, die Heimat des Weihrauchs, der Myrrhe,
der Aloe und des Drachenbanmes, zu untersuchen. Nachdem er bis zum Jafir-
passe vorgedrungen, mußte er unikehren das Geld ging wieder zur Neige. Aber¬
mals uach Aden gelangt, unternahm er nach Einschiffung seiner reichen Samm-
lungen eine Erholungsreise nach Kurratschi (Kurrachee) in Ostindien und fuhr
eine Strecke weit den Indus hinauf, um sich neu zu kräftigen. Diese Reise
verdankte er der Freundlichkeit eines englischen Capitäns. Im Juni 1873
kehrte er abermals nach Aden zurück, und da er das erwartete Geld dort
auch jetzt uoch nicht vorfand, reiste er nach einiger Zeit auf einem Dampfer
nach Sansibar. Während seine großen Sendungen in Deutschland bei ihrem


Johann Maria Hildebrandt,

er die Gebiete der Vogos, Bedjuk und Az-Tcmmariam. Dort gab es eine Aus¬
beute für ihn, die ihn fast zu erdrücken drohte. Das Märchen seiner Knabenzeit,
der Traum seiner Jugend, die Hoffnung seines reiferen Alters schienen erfüllt.
Unermeßlich erschloß sich der tropische Urwald seinen Blicken. Neue Formen,
ursprüngliche Arten, neuer Schöpfungsinhalt zeigten sich seinem musternden Ange
auf Schritt und Tritt. Aber nicht die riesigen himmelanstrebenden Exemplare
des Affenbrotbaumes, nicht der herrliche Gummi- und Mekkaharzbaum, uoch die
prächtige Zeder, die fruchtbeladene Banane und die rauschende Sykomore fesselten
ihn; vielmehr reizte ihn vor allem die überaus reiche kleinere Flora, die den
Boden tausendfältig überdeckte.

Im October 1872 beim Beginn der Regenzeit kehrte er beutebeladen zurück
uach Massann. Bald jedoch machte er einen neuen Ausflug nach der Halbinsel
Buri und miethete sich um Weihnachten eine Barke, auf welcher er die Fahrt
nach Aden (an der südwestlichen Spitze Arabiens) wagte. Der Südwind ließ
ihn nur langsam vorwärts kommen, er stieg daher schon in Hanfila ans Land,
besuchte die Danatilländer bis zur Ragad, der Salzebene. Hier bestieg er den
Orteale, einen noch thätigen Vulkan, mußte aber leider umkehren, da ihn die
eignen Leute aller Lebensmittel beraubt hatten. Ohne Nahrung und Geld er¬
reichte er seine Barke. Später landete er nochmals bei Rae-Arar und erreichte
Ende Februar 1873 Aden auf Kameelen. Nach einem Berichte, den sein Freund
C. Rensch in der „Natur" 1876 veröffentlichte, erging es ihm dort sehr schlecht.
Genügende Gelder zur Fortsetzung der Reise fehlten, die in Aden niedergelegten
Sammlungen ans Geddah — er war aus Aegypten über Geddah, Hadeidcch
und Moneda gereist — waren verdorben, die Gegenstände seiner Reiseausrüstung
gestohlen. Ohne Geldmittel aber konnte er seine Aufgabe nicht erfüllen, da er
auf den Expeditionen eine große Anzahl Träger ?c. zu unterhalten und zu be¬
solden hatte. In seiner Bedrängniß suchte er sich selbst zu helfen, indem er seine
Dienste einem Aderer Hanse anbot, in dessen Auftrag er eine Reise nach dem
gegenüberliegenden afrikanischen SvmÄilandc unternahm. Dort besuchte er die
Svmülistädte Berbera und Bulhar, sowie mehrere kleine Küstenorte, kehrte auf
einige Tage nach Aden zurück und begab sich abermals nach SomÄi, um von
Lasgori aus die Bergketten des Abt, die Heimat des Weihrauchs, der Myrrhe,
der Aloe und des Drachenbanmes, zu untersuchen. Nachdem er bis zum Jafir-
passe vorgedrungen, mußte er unikehren das Geld ging wieder zur Neige. Aber¬
mals uach Aden gelangt, unternahm er nach Einschiffung seiner reichen Samm-
lungen eine Erholungsreise nach Kurratschi (Kurrachee) in Ostindien und fuhr
eine Strecke weit den Indus hinauf, um sich neu zu kräftigen. Diese Reise
verdankte er der Freundlichkeit eines englischen Capitäns. Im Juni 1873
kehrte er abermals nach Aden zurück, und da er das erwartete Geld dort
auch jetzt uoch nicht vorfand, reiste er nach einiger Zeit auf einem Dampfer
nach Sansibar. Während seine großen Sendungen in Deutschland bei ihrem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/384>, abgerufen am 01.09.2024.