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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Zur Charakteristik des Manchesterthums,

einzelne von den Bauleuten dem ihm angewiesenen Flecke des Baues seiue un-
getheilte Aufmerksamkeit zuwendet. Ebenso verhält es sich mit ganz Europa;
wenn jedes Land hier seiner Industrie vor allem seine Sorgfalt widmet, so
werden sich über den ganzen Welttheil Handel und Gewerbfleiß, Erfahrung,
Geschicklichkeit, Reichthum und Bevölkerung heben und verbreiten.

"Endlich behauptet man, daß die künstliche Regelung der Bezirke, innerhalb
deren freier Güteraustausch stattfinden soll, den internationalen Handel zerstöre.
Auch das ist unbegründet. Die Erfahrung hat bereits das Gegentheil gelehrt.
Die Orte und die Gegeustände wohlthätigen wechselseitigen Austausches auf für beide
Seiten vortheilhafte Bedingungen hin existiren trotz unsrer Schutzzölle fort. Wir
importiren nach wie vor unsern französischen Wein, unsre Baumwolle, unsern
Thee und Kaffee, unsre Gewürze und Färbestoffe, unsern Zucker und Tabak
und selbst Getreide und Fleisch, kurz alles, was wir wirklich bedürfen. Aber
durch passende Regelung muß gesorgt werden, daß diese Einfuhrartikel, soweit
es durchführbar, aus Ländern kommen, die dafür Waaren unsrer Production
nehmen. Der Einfuhr muß eine entsprechende Ausfuhr zur Seite stehen. So
werden wir den internationalen Handelsverkehr verdoppeln und nicht vermindern,
und es wird überall Handel sein, nicht zwischen Reichthum an einem Ende und
Dürftigkeit am andern, sondern zwischen wohlhabenden und menschenreichen Na¬
tionen, die in gesunder Weise mit einander wetteifern."

Vielleicht hält der geneigte Leser es jetzt nicht mehr für so ausgemacht,
daß, wenn alle Länder der Erde den Freihandel, wie ihn Manchester und seine
Schüler und Missionäre ur Deutschland wollen, einführten, alle Länder mit
Nothwendigkeit Gewinn davon haben würden. Möglicherweise fühlt er sich jetzt
vielmehr geneigt, anzunehmen, daß viele, jn die meisten Länder und die wichtig¬
sten Klassen der Bevölkerung in ihnen in solchem Falle große Verluste erleiden
würden. Gewiß aber ist, daß die große Mehrzahl der Völker und Regierungen
die letztere Meinung theilen und dabei bleiben oder, wo sie theilweise von ihr
abgewichen sind, wie z. B. Frankreich, zu ihr zurückkehren werden, wie Deutschland
zu ihr zurückgekehrt ist. So aber würde der Satz, den wir hier an die Spitze
stellten und dann prüften, wenn er so beweisbar wäre, als er bestreitbar ist,
immer noch nur eine metaphysische Abstraction und eine sehr dürftige Grund¬
lage für einen weisen und praktischen Staatsmann sein, der das wirthschaftliche
Leben seines Landes durch Gesetze zu regeln berufen ist.

Eine andre Behauptung der Freihändler von der manchestcrlichen Species
lautet: "Geschützter Gewerbfleiß kränkelt."

Auch diese metaphorische Maxime hat ihre zahlreichen Gläubigen gefunden,
da sie lange Zeit unablässig gepredigt und wenig angefochten worden ist. Was
man fortwährend hört oder liest, das kann man leicht für wahr zu halten in
den Fall kommen. Seite, der englische Uebersetzer des Koran, soll durch stetes
Grübeln über diesem Buche Muhamedaner geworden sein.


Zur Charakteristik des Manchesterthums,

einzelne von den Bauleuten dem ihm angewiesenen Flecke des Baues seiue un-
getheilte Aufmerksamkeit zuwendet. Ebenso verhält es sich mit ganz Europa;
wenn jedes Land hier seiner Industrie vor allem seine Sorgfalt widmet, so
werden sich über den ganzen Welttheil Handel und Gewerbfleiß, Erfahrung,
Geschicklichkeit, Reichthum und Bevölkerung heben und verbreiten.

„Endlich behauptet man, daß die künstliche Regelung der Bezirke, innerhalb
deren freier Güteraustausch stattfinden soll, den internationalen Handel zerstöre.
Auch das ist unbegründet. Die Erfahrung hat bereits das Gegentheil gelehrt.
Die Orte und die Gegeustände wohlthätigen wechselseitigen Austausches auf für beide
Seiten vortheilhafte Bedingungen hin existiren trotz unsrer Schutzzölle fort. Wir
importiren nach wie vor unsern französischen Wein, unsre Baumwolle, unsern
Thee und Kaffee, unsre Gewürze und Färbestoffe, unsern Zucker und Tabak
und selbst Getreide und Fleisch, kurz alles, was wir wirklich bedürfen. Aber
durch passende Regelung muß gesorgt werden, daß diese Einfuhrartikel, soweit
es durchführbar, aus Ländern kommen, die dafür Waaren unsrer Production
nehmen. Der Einfuhr muß eine entsprechende Ausfuhr zur Seite stehen. So
werden wir den internationalen Handelsverkehr verdoppeln und nicht vermindern,
und es wird überall Handel sein, nicht zwischen Reichthum an einem Ende und
Dürftigkeit am andern, sondern zwischen wohlhabenden und menschenreichen Na¬
tionen, die in gesunder Weise mit einander wetteifern."

Vielleicht hält der geneigte Leser es jetzt nicht mehr für so ausgemacht,
daß, wenn alle Länder der Erde den Freihandel, wie ihn Manchester und seine
Schüler und Missionäre ur Deutschland wollen, einführten, alle Länder mit
Nothwendigkeit Gewinn davon haben würden. Möglicherweise fühlt er sich jetzt
vielmehr geneigt, anzunehmen, daß viele, jn die meisten Länder und die wichtig¬
sten Klassen der Bevölkerung in ihnen in solchem Falle große Verluste erleiden
würden. Gewiß aber ist, daß die große Mehrzahl der Völker und Regierungen
die letztere Meinung theilen und dabei bleiben oder, wo sie theilweise von ihr
abgewichen sind, wie z. B. Frankreich, zu ihr zurückkehren werden, wie Deutschland
zu ihr zurückgekehrt ist. So aber würde der Satz, den wir hier an die Spitze
stellten und dann prüften, wenn er so beweisbar wäre, als er bestreitbar ist,
immer noch nur eine metaphysische Abstraction und eine sehr dürftige Grund¬
lage für einen weisen und praktischen Staatsmann sein, der das wirthschaftliche
Leben seines Landes durch Gesetze zu regeln berufen ist.

Eine andre Behauptung der Freihändler von der manchestcrlichen Species
lautet: „Geschützter Gewerbfleiß kränkelt."

Auch diese metaphorische Maxime hat ihre zahlreichen Gläubigen gefunden,
da sie lange Zeit unablässig gepredigt und wenig angefochten worden ist. Was
man fortwährend hört oder liest, das kann man leicht für wahr zu halten in
den Fall kommen. Seite, der englische Uebersetzer des Koran, soll durch stetes
Grübeln über diesem Buche Muhamedaner geworden sein.


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[0359] Zur Charakteristik des Manchesterthums, einzelne von den Bauleuten dem ihm angewiesenen Flecke des Baues seiue un- getheilte Aufmerksamkeit zuwendet. Ebenso verhält es sich mit ganz Europa; wenn jedes Land hier seiner Industrie vor allem seine Sorgfalt widmet, so werden sich über den ganzen Welttheil Handel und Gewerbfleiß, Erfahrung, Geschicklichkeit, Reichthum und Bevölkerung heben und verbreiten. „Endlich behauptet man, daß die künstliche Regelung der Bezirke, innerhalb deren freier Güteraustausch stattfinden soll, den internationalen Handel zerstöre. Auch das ist unbegründet. Die Erfahrung hat bereits das Gegentheil gelehrt. Die Orte und die Gegeustände wohlthätigen wechselseitigen Austausches auf für beide Seiten vortheilhafte Bedingungen hin existiren trotz unsrer Schutzzölle fort. Wir importiren nach wie vor unsern französischen Wein, unsre Baumwolle, unsern Thee und Kaffee, unsre Gewürze und Färbestoffe, unsern Zucker und Tabak und selbst Getreide und Fleisch, kurz alles, was wir wirklich bedürfen. Aber durch passende Regelung muß gesorgt werden, daß diese Einfuhrartikel, soweit es durchführbar, aus Ländern kommen, die dafür Waaren unsrer Production nehmen. Der Einfuhr muß eine entsprechende Ausfuhr zur Seite stehen. So werden wir den internationalen Handelsverkehr verdoppeln und nicht vermindern, und es wird überall Handel sein, nicht zwischen Reichthum an einem Ende und Dürftigkeit am andern, sondern zwischen wohlhabenden und menschenreichen Na¬ tionen, die in gesunder Weise mit einander wetteifern." Vielleicht hält der geneigte Leser es jetzt nicht mehr für so ausgemacht, daß, wenn alle Länder der Erde den Freihandel, wie ihn Manchester und seine Schüler und Missionäre ur Deutschland wollen, einführten, alle Länder mit Nothwendigkeit Gewinn davon haben würden. Möglicherweise fühlt er sich jetzt vielmehr geneigt, anzunehmen, daß viele, jn die meisten Länder und die wichtig¬ sten Klassen der Bevölkerung in ihnen in solchem Falle große Verluste erleiden würden. Gewiß aber ist, daß die große Mehrzahl der Völker und Regierungen die letztere Meinung theilen und dabei bleiben oder, wo sie theilweise von ihr abgewichen sind, wie z. B. Frankreich, zu ihr zurückkehren werden, wie Deutschland zu ihr zurückgekehrt ist. So aber würde der Satz, den wir hier an die Spitze stellten und dann prüften, wenn er so beweisbar wäre, als er bestreitbar ist, immer noch nur eine metaphysische Abstraction und eine sehr dürftige Grund¬ lage für einen weisen und praktischen Staatsmann sein, der das wirthschaftliche Leben seines Landes durch Gesetze zu regeln berufen ist. Eine andre Behauptung der Freihändler von der manchestcrlichen Species lautet: „Geschützter Gewerbfleiß kränkelt." Auch diese metaphorische Maxime hat ihre zahlreichen Gläubigen gefunden, da sie lange Zeit unablässig gepredigt und wenig angefochten worden ist. Was man fortwährend hört oder liest, das kann man leicht für wahr zu halten in den Fall kommen. Seite, der englische Uebersetzer des Koran, soll durch stetes Grübeln über diesem Buche Muhamedaner geworden sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/359>, abgerufen am 25.11.2024.