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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Zur Charakteristik des Manchesterthums,

sie sei, und eine unbegrenzte Fläche für unregulirten Austausch würde das aller¬
beste sein, so würden einer solchen Folgerung die Thatsachen nicht entsprechen.
Im Gegentheil, es ist eine sehr schwierige Aufgabe, zu bestimmen, wie ausge¬
dehnt die Fläche sein und aus was für Theilen sie sich zusammensetzen darf,
wenn die Production am besten genährt und ihre Resultate am besten vertheilt
werden sollen. Fast in jedem Falle ist ihre richtige Lösung verschieden. In
jedem Fall ist es eine Aufgabe für einen großen Staatsmann mit weitem Blicke.

Man wirft ferner ein, wenn jedes Land das prvdueire, wozu es von Natur
geeignet sei, so werde die Industrie überall productiver sein, und jedermann
werde mehr haben. Aber wir haben gesehen, daß viele Länder dann aufhören
würden, überhaupt zu produciren. Um an einer oder zwei Stellen ein oder
zwei Procent zu Gunsten des Consumenten zu gewinnen, wird man an Dutzenden
von Stellen 98 oder 99 Procent opfern, welche die Producenten zu haben
pflegten, und welche sie jedes Jahr und oft mehrere male im Jahre ausgaben.
Die schließlich billigsten Manufacturen werden oft schon im Entstehen erstickt
durch das bloße Monopol der Priorität. Statt die Totalsumme der Erzeugnisse
des menschlichen Gewerbfleißes zu vervielfältigen, wird man sie nicht nur er¬
heblich verringern, sondern die Fläche verkleinern, über welche sie sich ausdehnen.
Und die zahlreichste und wichtigste Klasse von alle", die Arbeiter, werden, statt
mehr zu haben, dadurch, daß sie überallhin getrieben werden, um mit den
elcndcst gestellten Concurrenten in Wettbewerb zu treten, nothwendigerweise
überall viel weniger haben."

Weiterhin entgegnet man, wenn die verschiednen Climate und die verschiedne
Erzeugungsfähigkeit der Länder der Erde in Betracht gezogen würden, so er¬
scheine es offenbar als die Absicht der Vorsehung, daß ein allgemeiner freier
und ungeregelter Güteraustausch stattfinde. Für diese namentlich von Gladstone
mit Salbung vorgetragene Behauptung trifft es sich unglücklich, daß es einen
solchen Austausch in den Tausenden von Jahren, welche die Menschheit auf
dieser Erde existirt hat, niemals gegeben hat. Jede Nation hat in Berücksichti¬
gung ihrer eignen Interessen diese gefördert und wird sie fernerhin fördern, und
so wird das allgemeine Interesse des menschlichen Geschlechts wirksam gefordert
und gesichert werden. Sehen wir Deutsche also auf das deutsche Interesse. Suchen
wir die deutsche Industrie zu sicher", und lassen wir andre Völker mit der ihrigen
desgleichen thun. Diese praktische Arbeitstheilung wird weit mehr zu allgemeiner
Verbreitung von Gewcrbfleisz und Wohlstand und gediegnem Fortschritt der Mensch¬
heit führen, als die wunderliche Annahme einer Sorge der Vorsehung für das
wirthschnftliche Wohlbefinden des ganzen Menschengeschlechts. Wir finden im ge¬
wöhnlichen gesellschaftlichen Leben die Lehren ausgesprochner Kosmopoliten weder
sehr verlockend noch sehr nützlich. Die Wohlfahrt der Gesammtheit wird am besten
durch gewissenhafte Erfüllung der Pflicht in eigner bescheidner Sphäre von
feiten des einzelnen gefordert, das stattlichste Gebäude erhebt sich, wenn jeder


Zur Charakteristik des Manchesterthums,

sie sei, und eine unbegrenzte Fläche für unregulirten Austausch würde das aller¬
beste sein, so würden einer solchen Folgerung die Thatsachen nicht entsprechen.
Im Gegentheil, es ist eine sehr schwierige Aufgabe, zu bestimmen, wie ausge¬
dehnt die Fläche sein und aus was für Theilen sie sich zusammensetzen darf,
wenn die Production am besten genährt und ihre Resultate am besten vertheilt
werden sollen. Fast in jedem Falle ist ihre richtige Lösung verschieden. In
jedem Fall ist es eine Aufgabe für einen großen Staatsmann mit weitem Blicke.

Man wirft ferner ein, wenn jedes Land das prvdueire, wozu es von Natur
geeignet sei, so werde die Industrie überall productiver sein, und jedermann
werde mehr haben. Aber wir haben gesehen, daß viele Länder dann aufhören
würden, überhaupt zu produciren. Um an einer oder zwei Stellen ein oder
zwei Procent zu Gunsten des Consumenten zu gewinnen, wird man an Dutzenden
von Stellen 98 oder 99 Procent opfern, welche die Producenten zu haben
pflegten, und welche sie jedes Jahr und oft mehrere male im Jahre ausgaben.
Die schließlich billigsten Manufacturen werden oft schon im Entstehen erstickt
durch das bloße Monopol der Priorität. Statt die Totalsumme der Erzeugnisse
des menschlichen Gewerbfleißes zu vervielfältigen, wird man sie nicht nur er¬
heblich verringern, sondern die Fläche verkleinern, über welche sie sich ausdehnen.
Und die zahlreichste und wichtigste Klasse von alle», die Arbeiter, werden, statt
mehr zu haben, dadurch, daß sie überallhin getrieben werden, um mit den
elcndcst gestellten Concurrenten in Wettbewerb zu treten, nothwendigerweise
überall viel weniger haben."

Weiterhin entgegnet man, wenn die verschiednen Climate und die verschiedne
Erzeugungsfähigkeit der Länder der Erde in Betracht gezogen würden, so er¬
scheine es offenbar als die Absicht der Vorsehung, daß ein allgemeiner freier
und ungeregelter Güteraustausch stattfinde. Für diese namentlich von Gladstone
mit Salbung vorgetragene Behauptung trifft es sich unglücklich, daß es einen
solchen Austausch in den Tausenden von Jahren, welche die Menschheit auf
dieser Erde existirt hat, niemals gegeben hat. Jede Nation hat in Berücksichti¬
gung ihrer eignen Interessen diese gefördert und wird sie fernerhin fördern, und
so wird das allgemeine Interesse des menschlichen Geschlechts wirksam gefordert
und gesichert werden. Sehen wir Deutsche also auf das deutsche Interesse. Suchen
wir die deutsche Industrie zu sicher«, und lassen wir andre Völker mit der ihrigen
desgleichen thun. Diese praktische Arbeitstheilung wird weit mehr zu allgemeiner
Verbreitung von Gewcrbfleisz und Wohlstand und gediegnem Fortschritt der Mensch¬
heit führen, als die wunderliche Annahme einer Sorge der Vorsehung für das
wirthschnftliche Wohlbefinden des ganzen Menschengeschlechts. Wir finden im ge¬
wöhnlichen gesellschaftlichen Leben die Lehren ausgesprochner Kosmopoliten weder
sehr verlockend noch sehr nützlich. Die Wohlfahrt der Gesammtheit wird am besten
durch gewissenhafte Erfüllung der Pflicht in eigner bescheidner Sphäre von
feiten des einzelnen gefordert, das stattlichste Gebäude erhebt sich, wenn jeder


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[0358] Zur Charakteristik des Manchesterthums, sie sei, und eine unbegrenzte Fläche für unregulirten Austausch würde das aller¬ beste sein, so würden einer solchen Folgerung die Thatsachen nicht entsprechen. Im Gegentheil, es ist eine sehr schwierige Aufgabe, zu bestimmen, wie ausge¬ dehnt die Fläche sein und aus was für Theilen sie sich zusammensetzen darf, wenn die Production am besten genährt und ihre Resultate am besten vertheilt werden sollen. Fast in jedem Falle ist ihre richtige Lösung verschieden. In jedem Fall ist es eine Aufgabe für einen großen Staatsmann mit weitem Blicke. Man wirft ferner ein, wenn jedes Land das prvdueire, wozu es von Natur geeignet sei, so werde die Industrie überall productiver sein, und jedermann werde mehr haben. Aber wir haben gesehen, daß viele Länder dann aufhören würden, überhaupt zu produciren. Um an einer oder zwei Stellen ein oder zwei Procent zu Gunsten des Consumenten zu gewinnen, wird man an Dutzenden von Stellen 98 oder 99 Procent opfern, welche die Producenten zu haben pflegten, und welche sie jedes Jahr und oft mehrere male im Jahre ausgaben. Die schließlich billigsten Manufacturen werden oft schon im Entstehen erstickt durch das bloße Monopol der Priorität. Statt die Totalsumme der Erzeugnisse des menschlichen Gewerbfleißes zu vervielfältigen, wird man sie nicht nur er¬ heblich verringern, sondern die Fläche verkleinern, über welche sie sich ausdehnen. Und die zahlreichste und wichtigste Klasse von alle», die Arbeiter, werden, statt mehr zu haben, dadurch, daß sie überallhin getrieben werden, um mit den elcndcst gestellten Concurrenten in Wettbewerb zu treten, nothwendigerweise überall viel weniger haben." Weiterhin entgegnet man, wenn die verschiednen Climate und die verschiedne Erzeugungsfähigkeit der Länder der Erde in Betracht gezogen würden, so er¬ scheine es offenbar als die Absicht der Vorsehung, daß ein allgemeiner freier und ungeregelter Güteraustausch stattfinde. Für diese namentlich von Gladstone mit Salbung vorgetragene Behauptung trifft es sich unglücklich, daß es einen solchen Austausch in den Tausenden von Jahren, welche die Menschheit auf dieser Erde existirt hat, niemals gegeben hat. Jede Nation hat in Berücksichti¬ gung ihrer eignen Interessen diese gefördert und wird sie fernerhin fördern, und so wird das allgemeine Interesse des menschlichen Geschlechts wirksam gefordert und gesichert werden. Sehen wir Deutsche also auf das deutsche Interesse. Suchen wir die deutsche Industrie zu sicher«, und lassen wir andre Völker mit der ihrigen desgleichen thun. Diese praktische Arbeitstheilung wird weit mehr zu allgemeiner Verbreitung von Gewcrbfleisz und Wohlstand und gediegnem Fortschritt der Mensch¬ heit führen, als die wunderliche Annahme einer Sorge der Vorsehung für das wirthschnftliche Wohlbefinden des ganzen Menschengeschlechts. Wir finden im ge¬ wöhnlichen gesellschaftlichen Leben die Lehren ausgesprochner Kosmopoliten weder sehr verlockend noch sehr nützlich. Die Wohlfahrt der Gesammtheit wird am besten durch gewissenhafte Erfüllung der Pflicht in eigner bescheidner Sphäre von feiten des einzelnen gefordert, das stattlichste Gebäude erhebt sich, wenn jeder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/358>, abgerufen am 01.09.2024.