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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Hermann Lotzes System der Philosophie.

liebe Stellung anzuweisen; das Gefüge des existirenden Raumes würde hiernach
>vgar auf einer thätigen Wechselbedingung seiner leeren Punkte beruhen -- ein
ganz unvvllziehbarer, unverständlicher Gedanke. Und in diesen leeren Punkten
sollen dann die sie erfüllenden Dinge anwesend sein! Was soll das heißen? Es
^ührt zu dem kaum minder undenkbaren Gedanken, daß das Ding irgend ein
Verhältniß habe zu dem Nanmpunete, von welchem Verhältnisse doch aber keines
bon beiden irgend etwas weiteres erfahre, als eben dies, daß es stattfinde,
während beide im übrigen sich gerade so befinden, als wenn es nicht stattfände.
Sollen nun gar die räumlichen Entfernungen der Dinge von Einfluß auf deren
Zustünde sein, wie z.B. die Anziehungskraft und manche anderen physikalischen
Grüfte durch die Entfernung an Stärke verlieren sollen, so würde ein Verhältniß
von Leere", von dem die Dinge gar nichts bemerken können, und das ihnen volk-
ommen gleichgiltig bleibt, weil es zu ihrem eignen Wesen innerlich nicht gehört,
dennoch für ihr Thun und Treiben entscheidend! Zuletzt sind alle diese Bedenken
^gen die Realität des Raumes in dem Grundgedanken enthalten, den wir in
ersten Theile des Werkes ausführlich gerechtfertigt finden: daß die soge-
wnnten Beziehungen zwischen den Dingen, wenn sie nicht bloß in dem Geiste
es Betrachters vorhanden sein sollen, schlechterdings nur im Innern der realen
hemmte selbst verwirklicht sein können, welche, wie man zu sagen pflegt, in
^sen Beziehungen "stehn." Beziehungen giebt es hiernach eigentlich nicht
Aschen Dingen und Dinge", geschweige zwischen Dingen und einem leeren
nome. "Auf die lebendigen Wirksamkeiten der Dinge ist liberal! zurückzugehen,
wo fix sj"h ^ die erzeugenden Gründe alles dessen anzusehen, was wir als äußere
U'lativn zwischen ihnen ansehen und eigentlich nur sprachlich so bezeichnen; -- ich
Menge, daß dem entgegengesetzt das Bestreben sich immer mehr ausbreitet, alles,
pas geschieht, als Product vorher bestehender und sich ändernder Relationen
^fzufasseu und zu übersehen, daß zuletzt doch mir die lebendige innerliche Erreg¬
barkeit und Thätigkeit der Dinge es ist, die von jenen Relationen, selbst wenn
^ sür sich bestehen könnten, Nutzen ziehen und an die eine von ihnen einen
er,, Erfolg als an die andre würde knüpfen können." Die Andeutung sei im
^übergehen gestattet, daß die gleichen Bedenken, wie gegen den Raum, freilich
^ ^ ebenso gegen die Zeit geltend zu machen sein würden. Anstatt uns hierbei
" verweilen, folgen wir der Ueberleitung aus dein Raumprvblem zu dem Pro-
^un der Wechselwirkung, die uns unser Autor selbst an die Hand giebt, indem
w,c thätige Wechselbeziehung der Dinge, d h. der raumlosen, seelenartigen Ein-
die ihm die Atome ersetzen, an die Stelle der Räumlichkeit treten laßt.
^ Niemand hat seit Leibniz dem Probleme der Wechselwirkung die gleiche
Achtung geschenkt wie Lotze; vielleicht, weil jede Untersuchung mit Rath-
5>!,s on. enden drohte, hat mau den Blick davon wegzuwenden sich gewöhnt;
Tid"^'>^ !""^ Aufdecken begrifflicher Schwierigkeiten und scheinbarer
Sprüche in unsern gewöhnlichen Vorstellungsweisen den Subtilitäten der
"


""Köder 111. 1881. 87
Hermann Lotzes System der Philosophie.

liebe Stellung anzuweisen; das Gefüge des existirenden Raumes würde hiernach
>vgar auf einer thätigen Wechselbedingung seiner leeren Punkte beruhen — ein
ganz unvvllziehbarer, unverständlicher Gedanke. Und in diesen leeren Punkten
sollen dann die sie erfüllenden Dinge anwesend sein! Was soll das heißen? Es
^ührt zu dem kaum minder undenkbaren Gedanken, daß das Ding irgend ein
Verhältniß habe zu dem Nanmpunete, von welchem Verhältnisse doch aber keines
bon beiden irgend etwas weiteres erfahre, als eben dies, daß es stattfinde,
während beide im übrigen sich gerade so befinden, als wenn es nicht stattfände.
Sollen nun gar die räumlichen Entfernungen der Dinge von Einfluß auf deren
Zustünde sein, wie z.B. die Anziehungskraft und manche anderen physikalischen
Grüfte durch die Entfernung an Stärke verlieren sollen, so würde ein Verhältniß
von Leere», von dem die Dinge gar nichts bemerken können, und das ihnen volk-
ommen gleichgiltig bleibt, weil es zu ihrem eignen Wesen innerlich nicht gehört,
dennoch für ihr Thun und Treiben entscheidend! Zuletzt sind alle diese Bedenken
^gen die Realität des Raumes in dem Grundgedanken enthalten, den wir in
ersten Theile des Werkes ausführlich gerechtfertigt finden: daß die soge-
wnnten Beziehungen zwischen den Dingen, wenn sie nicht bloß in dem Geiste
es Betrachters vorhanden sein sollen, schlechterdings nur im Innern der realen
hemmte selbst verwirklicht sein können, welche, wie man zu sagen pflegt, in
^sen Beziehungen „stehn." Beziehungen giebt es hiernach eigentlich nicht
Aschen Dingen und Dinge», geschweige zwischen Dingen und einem leeren
nome. „Auf die lebendigen Wirksamkeiten der Dinge ist liberal! zurückzugehen,
wo fix sj„h ^ die erzeugenden Gründe alles dessen anzusehen, was wir als äußere
U'lativn zwischen ihnen ansehen und eigentlich nur sprachlich so bezeichnen; — ich
Menge, daß dem entgegengesetzt das Bestreben sich immer mehr ausbreitet, alles,
pas geschieht, als Product vorher bestehender und sich ändernder Relationen
^fzufasseu und zu übersehen, daß zuletzt doch mir die lebendige innerliche Erreg¬
barkeit und Thätigkeit der Dinge es ist, die von jenen Relationen, selbst wenn
^ sür sich bestehen könnten, Nutzen ziehen und an die eine von ihnen einen
er,, Erfolg als an die andre würde knüpfen können." Die Andeutung sei im
^übergehen gestattet, daß die gleichen Bedenken, wie gegen den Raum, freilich
^ ^ ebenso gegen die Zeit geltend zu machen sein würden. Anstatt uns hierbei
" verweilen, folgen wir der Ueberleitung aus dein Raumprvblem zu dem Pro-
^un der Wechselwirkung, die uns unser Autor selbst an die Hand giebt, indem
w,c thätige Wechselbeziehung der Dinge, d h. der raumlosen, seelenartigen Ein-
die ihm die Atome ersetzen, an die Stelle der Räumlichkeit treten laßt.
^ Niemand hat seit Leibniz dem Probleme der Wechselwirkung die gleiche
Achtung geschenkt wie Lotze; vielleicht, weil jede Untersuchung mit Rath-
5>!,s on. enden drohte, hat mau den Blick davon wegzuwenden sich gewöhnt;
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/297>, abgerufen am 01.09.2024.