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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Aus Christian Gottfried Äörners Reisetagebiichorn,

Heinses gelesen, seine Empfänglichkeit, sein Enthusiasmus für den "Virtuosen
jeder Art" flammten hell auf, die "unschätzbaren" Niederländer wurden mit
Eifer und Antheil betrachtet, und wie billig trägt auch in Körners kritischen,
nur für die eigne Erinnerung bestimmten Bemerkungen Rubens den Preis davon.
Aber wenn auch Düsseldorf seiner besondern Leidenschaft für Kunstwerke volles
Genügen gab, so ward eine andre Neigung, berühmte Autoren persönlich kennen
zu lernen, in welcher Körner und sein gräflicher Reisegenosse zusammengestimmt
zu haben scheinen, hier nicht befriedigt, "Den Geheimen Rath Jacobi, Verfasser
des .Woldemar' (der eben erschienen war), und seinen Bruder, den Dichter, der
sich anch hier aufhält, konnten wir wegen ihrer Abwesenheit nicht sprechen." Ganz
gewiß war dies für Körner empfindlich genug, und die Seidenmnunfactnren von
Krefeld, welche er in Eriuuenuig seiner besondern Studien über Technik und
Staatsökonomie antheilnchmend besichtigte, haben ihn schwerlich völlig dafür ent¬
schädigt. Ueber Geldern und Eleve erreichten die Reisenden am 16. October die
holländische Grenze und durften sich rühmen, unter den damals waltenden Ver¬
hältnissen schnell und glücklich gereist zu sein,

Holland sollten die Reisenden zunächst uur sehr oberflächlich sehen und in
wenigen Tagen wieder verlassen. Sie waren nämlich kaum über Nymwegen,
Utrecht, Leiden nach dem Haag gelangt, wo sie im "Parlament von England,"
das Körner als guten Gasthof "bis aufs Essen" charakterisiert, Quartier genommen
hatten, als sie sich durch das Zureden eines Bekannten bestimmen ließen, als¬
bald nach England aufzubrechen. "Wir entschlossen uns, unsre Reise durch Holland
auf die Zurückkauft zu verschieben. Ich war dadurch über die Gewißheit der
künftigen Hollandreise gesichert, daß der Graf seinen Wagen im Haag bei seinem
Banquier stehen zu lassen sich entschloß." Diese im Haag am 17. Oetober ein¬
getragene Bemerkung Körners scheint darauf hinzudeuten, daß er schon mehrfache
Erfahrungen über die rasch wechselnden Pläne und unzuverlässigen Entschlüsse
seines erlauchten Reisebegleiters gemacht hatte. Jedenfalls drängte es ihn in
den nächsten Tagen Rotterdam und Amsterdam vorläufig zu besuche" und einige
Stunden lang ihre Merkwürdigkeiten zu durchstreichen. In Amsterdam fiel ihm
die Prunklosigkeit der öffentlichen Gebände auf: "Sonderbar ists, daß sich diese
Amsterdamer öffentlichen Anstalten, Spitäler, Toll- und Zuchthäuser nicht durch
prächtige Gebäude ankündigen. Das Aeußere dieser Häuser ist vielmehr unan¬
sehnlich und wenig versprechend, aber das Innere reinlich und der Absicht an¬
gemessen." Am meisten interessirten ihn natürlich die Dinge, welche er zum
erstenmal sah: in Amsterdam die Admiralität und das ostindische Haus. Seine
Kunstliebe fand nur Nahrung an den prächtigen Bildern der holländischen Schule.
Das Theater entzückte ihn nicht; es war in jener Zeit gleich der holländischen
Literatur in kläglicher Weise von französischen Vorbildern abhängig. "Ins
holländische Schauspiel" schreibt er. "Am Theater und den Decorationen war
nichts gespart, Kleidung angemessen- Action aber und Declaration war ohne


Aus Christian Gottfried Äörners Reisetagebiichorn,

Heinses gelesen, seine Empfänglichkeit, sein Enthusiasmus für den „Virtuosen
jeder Art" flammten hell auf, die „unschätzbaren" Niederländer wurden mit
Eifer und Antheil betrachtet, und wie billig trägt auch in Körners kritischen,
nur für die eigne Erinnerung bestimmten Bemerkungen Rubens den Preis davon.
Aber wenn auch Düsseldorf seiner besondern Leidenschaft für Kunstwerke volles
Genügen gab, so ward eine andre Neigung, berühmte Autoren persönlich kennen
zu lernen, in welcher Körner und sein gräflicher Reisegenosse zusammengestimmt
zu haben scheinen, hier nicht befriedigt, „Den Geheimen Rath Jacobi, Verfasser
des .Woldemar' (der eben erschienen war), und seinen Bruder, den Dichter, der
sich anch hier aufhält, konnten wir wegen ihrer Abwesenheit nicht sprechen." Ganz
gewiß war dies für Körner empfindlich genug, und die Seidenmnunfactnren von
Krefeld, welche er in Eriuuenuig seiner besondern Studien über Technik und
Staatsökonomie antheilnchmend besichtigte, haben ihn schwerlich völlig dafür ent¬
schädigt. Ueber Geldern und Eleve erreichten die Reisenden am 16. October die
holländische Grenze und durften sich rühmen, unter den damals waltenden Ver¬
hältnissen schnell und glücklich gereist zu sein,

Holland sollten die Reisenden zunächst uur sehr oberflächlich sehen und in
wenigen Tagen wieder verlassen. Sie waren nämlich kaum über Nymwegen,
Utrecht, Leiden nach dem Haag gelangt, wo sie im „Parlament von England,"
das Körner als guten Gasthof „bis aufs Essen" charakterisiert, Quartier genommen
hatten, als sie sich durch das Zureden eines Bekannten bestimmen ließen, als¬
bald nach England aufzubrechen. „Wir entschlossen uns, unsre Reise durch Holland
auf die Zurückkauft zu verschieben. Ich war dadurch über die Gewißheit der
künftigen Hollandreise gesichert, daß der Graf seinen Wagen im Haag bei seinem
Banquier stehen zu lassen sich entschloß." Diese im Haag am 17. Oetober ein¬
getragene Bemerkung Körners scheint darauf hinzudeuten, daß er schon mehrfache
Erfahrungen über die rasch wechselnden Pläne und unzuverlässigen Entschlüsse
seines erlauchten Reisebegleiters gemacht hatte. Jedenfalls drängte es ihn in
den nächsten Tagen Rotterdam und Amsterdam vorläufig zu besuche« und einige
Stunden lang ihre Merkwürdigkeiten zu durchstreichen. In Amsterdam fiel ihm
die Prunklosigkeit der öffentlichen Gebände auf: „Sonderbar ists, daß sich diese
Amsterdamer öffentlichen Anstalten, Spitäler, Toll- und Zuchthäuser nicht durch
prächtige Gebäude ankündigen. Das Aeußere dieser Häuser ist vielmehr unan¬
sehnlich und wenig versprechend, aber das Innere reinlich und der Absicht an¬
gemessen." Am meisten interessirten ihn natürlich die Dinge, welche er zum
erstenmal sah: in Amsterdam die Admiralität und das ostindische Haus. Seine
Kunstliebe fand nur Nahrung an den prächtigen Bildern der holländischen Schule.
Das Theater entzückte ihn nicht; es war in jener Zeit gleich der holländischen
Literatur in kläglicher Weise von französischen Vorbildern abhängig. „Ins
holländische Schauspiel" schreibt er. „Am Theater und den Decorationen war
nichts gespart, Kleidung angemessen- Action aber und Declaration war ohne


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[0256] Aus Christian Gottfried Äörners Reisetagebiichorn, Heinses gelesen, seine Empfänglichkeit, sein Enthusiasmus für den „Virtuosen jeder Art" flammten hell auf, die „unschätzbaren" Niederländer wurden mit Eifer und Antheil betrachtet, und wie billig trägt auch in Körners kritischen, nur für die eigne Erinnerung bestimmten Bemerkungen Rubens den Preis davon. Aber wenn auch Düsseldorf seiner besondern Leidenschaft für Kunstwerke volles Genügen gab, so ward eine andre Neigung, berühmte Autoren persönlich kennen zu lernen, in welcher Körner und sein gräflicher Reisegenosse zusammengestimmt zu haben scheinen, hier nicht befriedigt, „Den Geheimen Rath Jacobi, Verfasser des .Woldemar' (der eben erschienen war), und seinen Bruder, den Dichter, der sich anch hier aufhält, konnten wir wegen ihrer Abwesenheit nicht sprechen." Ganz gewiß war dies für Körner empfindlich genug, und die Seidenmnunfactnren von Krefeld, welche er in Eriuuenuig seiner besondern Studien über Technik und Staatsökonomie antheilnchmend besichtigte, haben ihn schwerlich völlig dafür ent¬ schädigt. Ueber Geldern und Eleve erreichten die Reisenden am 16. October die holländische Grenze und durften sich rühmen, unter den damals waltenden Ver¬ hältnissen schnell und glücklich gereist zu sein, Holland sollten die Reisenden zunächst uur sehr oberflächlich sehen und in wenigen Tagen wieder verlassen. Sie waren nämlich kaum über Nymwegen, Utrecht, Leiden nach dem Haag gelangt, wo sie im „Parlament von England," das Körner als guten Gasthof „bis aufs Essen" charakterisiert, Quartier genommen hatten, als sie sich durch das Zureden eines Bekannten bestimmen ließen, als¬ bald nach England aufzubrechen. „Wir entschlossen uns, unsre Reise durch Holland auf die Zurückkauft zu verschieben. Ich war dadurch über die Gewißheit der künftigen Hollandreise gesichert, daß der Graf seinen Wagen im Haag bei seinem Banquier stehen zu lassen sich entschloß." Diese im Haag am 17. Oetober ein¬ getragene Bemerkung Körners scheint darauf hinzudeuten, daß er schon mehrfache Erfahrungen über die rasch wechselnden Pläne und unzuverlässigen Entschlüsse seines erlauchten Reisebegleiters gemacht hatte. Jedenfalls drängte es ihn in den nächsten Tagen Rotterdam und Amsterdam vorläufig zu besuche« und einige Stunden lang ihre Merkwürdigkeiten zu durchstreichen. In Amsterdam fiel ihm die Prunklosigkeit der öffentlichen Gebände auf: „Sonderbar ists, daß sich diese Amsterdamer öffentlichen Anstalten, Spitäler, Toll- und Zuchthäuser nicht durch prächtige Gebäude ankündigen. Das Aeußere dieser Häuser ist vielmehr unan¬ sehnlich und wenig versprechend, aber das Innere reinlich und der Absicht an¬ gemessen." Am meisten interessirten ihn natürlich die Dinge, welche er zum erstenmal sah: in Amsterdam die Admiralität und das ostindische Haus. Seine Kunstliebe fand nur Nahrung an den prächtigen Bildern der holländischen Schule. Das Theater entzückte ihn nicht; es war in jener Zeit gleich der holländischen Literatur in kläglicher Weise von französischen Vorbildern abhängig. „Ins holländische Schauspiel" schreibt er. „Am Theater und den Decorationen war nichts gespart, Kleidung angemessen- Action aber und Declaration war ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/256>, abgerufen am 01.09.2024.