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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

einen Stellvertreter aufbrachten, und diese Zahlung wurde ein Haupthebel für
die Unterwerfung der Altfreien unter die Territorialhoheit, Die LchnsverlMt-
nisse bildeten somit das eigentliche Fundament der Wehrverfassnng des Reichs;
zwar bedingten sie nicht die Verpflichtung zum Dienste an sich, wohl aber eine
besondre und zugleich die hauptsächlichste Art dieser Verpflichtung, welche sich
von der auf dem Allod ruhenden durch ihre Größe unterschied.

Dispensationen von der Kriegslcistung kamen vor. Bis auf Heinrich VI.
findet man geistliche Stifter aus wirthschaftlichen oder andern Ursachen befreit.*)
So dispeustrte Conrad II. die Abtei Werden, Conrad III. Benedictbencrn; einige
andre, besonders baierische Stifter, wie Tegernsee und Nieder-Altaich, waren
in Folge älterer Traditionen frei, während wieder der Dispens andrer Stifter,
wie Osnabrück und Corvei, in der Folge erlosch.

Ein Recht, sich loszukaufen, hatten weder Prälaten noch Fürsten, Es war
Sache der königlichen Gnade, den Lvskauf zu gestatten. Als Lvskaufsgeld
(bostorickitium) wurde bei niederen Lehen zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene
Quote der Jahreseinkünftc verlangt, so unter Conrad II. ein Drittel.^) Die
lüonstiwtio Ah exxöäitions RomMg. hat in dieser Hinsicht keine Ueberlieferung.
Bei Fürsten war eine Berechnung des Hostenditiums nach dem Jahreseinkommen
nicht wohl durchführbar; denn hierbei handelte es sich zum Theil um Allode,
die anders zu veranschlagen waren als Reichslehen, und überdies machte die
Weiterverleihung des Besitzes eine richtige Schätzung der Einkünfte nahezu un¬
möglich. Daher wurde bei Fürsten die Höhe ihrer Loskaufssummc vermuthlich
nach der üblicherweise von ihnen zu stellenden Mannschaft berechnet. Der König
durfte übrigens, wenn er es wollte, von der Heerfahrt befreien, auch ohne das
Hostcnditium zu fordern.

Galt nun in der Theorie die Wehrpflicht aller, so wurde doch thatsächlich
sogar zu den italischen Zügen niemals die gestimmte Heereskraft auf¬
geboten, weder alle Fürsten und Reichsfreieu, noch von jedem Stande die
volle Stärke. Und diejenige", welche zurückblicken, waren wieder keineswegs etwa
alle dispensirt oder losgekauft; vielmehr galt ein Theil von ihnen offenbar als
Reserve, sodaß sich gelegentlich zwei Aufgebote unterscheiden lassen,*^)

Immerhin bestand ein ooirsuows numsrus, d. h. eine von altersher über¬
kommene Matrikel, welche als Anhalt für die Stärke des Aufgebotes jedes





*) Die einzige Exemtion eines weltlichen Fürsten, welche überhaupt stattfand, füllt erst
in das 1L, Jahrhundert, Es ist die des ncncrcirtcu Herzogthums Oesterreich van 11S6.
Sein Herzog sollte zu keiner Heerfahrt verpflichtet sein ansicr in die Oesterreich benachbarten
Reiche und Provinzen,
**) Nach Kaiser Friedrichs ronealischem Gesetze von 11S8 in Deutschland und Italien
die Hülste, nach dem füchsischer Lehensrcchte nur ein Zehntel der Jahrcseinkünfte.
***) sehnlich scheint es sa schon uuter Otto II. gewesen zu sein. Zu Friedrichs I. Zeit
ist es unzweifelhaft.
Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

einen Stellvertreter aufbrachten, und diese Zahlung wurde ein Haupthebel für
die Unterwerfung der Altfreien unter die Territorialhoheit, Die LchnsverlMt-
nisse bildeten somit das eigentliche Fundament der Wehrverfassnng des Reichs;
zwar bedingten sie nicht die Verpflichtung zum Dienste an sich, wohl aber eine
besondre und zugleich die hauptsächlichste Art dieser Verpflichtung, welche sich
von der auf dem Allod ruhenden durch ihre Größe unterschied.

Dispensationen von der Kriegslcistung kamen vor. Bis auf Heinrich VI.
findet man geistliche Stifter aus wirthschaftlichen oder andern Ursachen befreit.*)
So dispeustrte Conrad II. die Abtei Werden, Conrad III. Benedictbencrn; einige
andre, besonders baierische Stifter, wie Tegernsee und Nieder-Altaich, waren
in Folge älterer Traditionen frei, während wieder der Dispens andrer Stifter,
wie Osnabrück und Corvei, in der Folge erlosch.

Ein Recht, sich loszukaufen, hatten weder Prälaten noch Fürsten, Es war
Sache der königlichen Gnade, den Lvskauf zu gestatten. Als Lvskaufsgeld
(bostorickitium) wurde bei niederen Lehen zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene
Quote der Jahreseinkünftc verlangt, so unter Conrad II. ein Drittel.^) Die
lüonstiwtio Ah exxöäitions RomMg. hat in dieser Hinsicht keine Ueberlieferung.
Bei Fürsten war eine Berechnung des Hostenditiums nach dem Jahreseinkommen
nicht wohl durchführbar; denn hierbei handelte es sich zum Theil um Allode,
die anders zu veranschlagen waren als Reichslehen, und überdies machte die
Weiterverleihung des Besitzes eine richtige Schätzung der Einkünfte nahezu un¬
möglich. Daher wurde bei Fürsten die Höhe ihrer Loskaufssummc vermuthlich
nach der üblicherweise von ihnen zu stellenden Mannschaft berechnet. Der König
durfte übrigens, wenn er es wollte, von der Heerfahrt befreien, auch ohne das
Hostcnditium zu fordern.

Galt nun in der Theorie die Wehrpflicht aller, so wurde doch thatsächlich
sogar zu den italischen Zügen niemals die gestimmte Heereskraft auf¬
geboten, weder alle Fürsten und Reichsfreieu, noch von jedem Stande die
volle Stärke. Und diejenige», welche zurückblicken, waren wieder keineswegs etwa
alle dispensirt oder losgekauft; vielmehr galt ein Theil von ihnen offenbar als
Reserve, sodaß sich gelegentlich zwei Aufgebote unterscheiden lassen,*^)

Immerhin bestand ein ooirsuows numsrus, d. h. eine von altersher über¬
kommene Matrikel, welche als Anhalt für die Stärke des Aufgebotes jedes





*) Die einzige Exemtion eines weltlichen Fürsten, welche überhaupt stattfand, füllt erst
in das 1L, Jahrhundert, Es ist die des ncncrcirtcu Herzogthums Oesterreich van 11S6.
Sein Herzog sollte zu keiner Heerfahrt verpflichtet sein ansicr in die Oesterreich benachbarten
Reiche und Provinzen,
**) Nach Kaiser Friedrichs ronealischem Gesetze von 11S8 in Deutschland und Italien
die Hülste, nach dem füchsischer Lehensrcchte nur ein Zehntel der Jahrcseinkünfte.
***) sehnlich scheint es sa schon uuter Otto II. gewesen zu sein. Zu Friedrichs I. Zeit
ist es unzweifelhaft.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/245>, abgerufen am 01.09.2024.