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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der FeudalitA und das deutsche Ariegsweseu im frühen Mittelcilter.

Mamun,, welche diesen siebenten Heerschild hoben, durchgreifende Kriterien fest¬
zustellen. Die Heerschilde sind also Symbole absoluter Lebensfähigkeit; die lehns-
unfähigen Heerbannleute, das gemeinfreie Volkskriegerthum hat mit dem Heerschilde
nichts mehr zu theilt.

Vermuthlich gelangte diese Entwicklung und namentlich auch der Kreis der
ritterbürtigem Geschlechter zu einem gewissen Abschlüsse während der schweren
Bürgerkriege unter Kaiser Heinrich IV. (1056 -- 1106). Damals suchten alle
Parteien so stark in Waffen aufzutreten als irgend möglich; massenhafte Ver¬
gebung von Lehen steigerte nur freilich die Zahl der Vassallen, vergeudete aber
dafür sowohl das Königsgut wie den Bestand der größeren Gütercomplcxe und
minderte demgemäß die unmittelbaren Einnahmen der Fürsten und Magnaten.
Diese Entwicklung kam dem Wachsthum und der Bedeutuug des Ministcrialen-
standes zugute, dessen feste Organisation, dessen unbedingtere Angehörigkeit, dessen
geringere Forderungen gar manchen Herren veranlaßten, statt die Zahl seiner
Vassallen zu mehren, vielmehr die kriegerische und damit zugleich die sociale Geltung
seiner Dienstmanuschaft zu heben. Zugleich aber schloß dieser Stand sich nach
unten hin fester ab, und zwar wahrscheinlich in der Weise, daß diejenigen Dienst¬
mannen, welche schon längere Zeit ritterlich gelebt hatten und meist von Vor¬
fahren stammten, die auch kriegerischen Beruf gehabt hatten, sich nun sträubten,
die große Zahl neu hinzukommender Krieger als ebenbürtige Genossen anzuer¬
kennen, zumal dann, wenn die Neulinge nicht imstande waren, sogleich in völlig
rittermäßiger Rüstung aufzutreten. Wohl seit dieser Frist legt man daher Gewicht
auf die Geburt im Stande. Die kriegerische Berufsthätigkeit genügt nicht mehr,
um einen Mann als Ritter zu charntterisiren; als solcher gilt er mir dann, wenn
er den Schild nicht nur trägt, sondern auch zu ihm geboren ist. Und das sind
nicht mir freie Vassallen, sondern auch unfreie Ministerialen, die allerdings im
1l, Jahrhundert noch kaum mit diesen: Namen, sondern meist als sörviönws,
hin'vitoi'of, Kurilen, mimM'i oder vlisutss bezeichnet werden, und zwar da, wo
der Unterschied von andern Unfreien besonders hervorgehoben werden sollte, als
nodilss 8vrvicmtk!8, msliores anz tamilM oder llonorMlös ministri.

Um ein Bild von den Bedingungen zu gewinnen, tinter denen die Reichs¬
heerfahrten während des 11. Jahrhunderts stattfanden, steht außer vereinzelten
Angaben in Urkunden und Chroniken nur die sogenannte Lonstitutio as expo-
"Wmuz Il.olim.im zur Verfügung -- allerdings ein Actenstück von bestrittenen
Werthe, welches unter dem Gewände eines karlingischcn Capitulares die Zu¬
sammenstellung derjenigen Normen enthält, unter denen die Lehnsleute zur Rom¬
fahrt aufgeboten wurden. Es liegt dieser Constitution eine gereimte Vorlage zu
Grunde, welche wahrscheinlich während der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts
in Lothringen entstanden ist und das damals geltende thatsächliche Recht ver¬
zeichnete. Diese vermuthlich ans Conrads II. Tagen stammende Vorlage scheint
dann zur Zeit Kaiser Friedrichs I. in die Form eines Gesetzes Karls d. Gr.


Die Entwicklung der FeudalitA und das deutsche Ariegsweseu im frühen Mittelcilter.

Mamun,, welche diesen siebenten Heerschild hoben, durchgreifende Kriterien fest¬
zustellen. Die Heerschilde sind also Symbole absoluter Lebensfähigkeit; die lehns-
unfähigen Heerbannleute, das gemeinfreie Volkskriegerthum hat mit dem Heerschilde
nichts mehr zu theilt.

Vermuthlich gelangte diese Entwicklung und namentlich auch der Kreis der
ritterbürtigem Geschlechter zu einem gewissen Abschlüsse während der schweren
Bürgerkriege unter Kaiser Heinrich IV. (1056 — 1106). Damals suchten alle
Parteien so stark in Waffen aufzutreten als irgend möglich; massenhafte Ver¬
gebung von Lehen steigerte nur freilich die Zahl der Vassallen, vergeudete aber
dafür sowohl das Königsgut wie den Bestand der größeren Gütercomplcxe und
minderte demgemäß die unmittelbaren Einnahmen der Fürsten und Magnaten.
Diese Entwicklung kam dem Wachsthum und der Bedeutuug des Ministcrialen-
standes zugute, dessen feste Organisation, dessen unbedingtere Angehörigkeit, dessen
geringere Forderungen gar manchen Herren veranlaßten, statt die Zahl seiner
Vassallen zu mehren, vielmehr die kriegerische und damit zugleich die sociale Geltung
seiner Dienstmanuschaft zu heben. Zugleich aber schloß dieser Stand sich nach
unten hin fester ab, und zwar wahrscheinlich in der Weise, daß diejenigen Dienst¬
mannen, welche schon längere Zeit ritterlich gelebt hatten und meist von Vor¬
fahren stammten, die auch kriegerischen Beruf gehabt hatten, sich nun sträubten,
die große Zahl neu hinzukommender Krieger als ebenbürtige Genossen anzuer¬
kennen, zumal dann, wenn die Neulinge nicht imstande waren, sogleich in völlig
rittermäßiger Rüstung aufzutreten. Wohl seit dieser Frist legt man daher Gewicht
auf die Geburt im Stande. Die kriegerische Berufsthätigkeit genügt nicht mehr,
um einen Mann als Ritter zu charntterisiren; als solcher gilt er mir dann, wenn
er den Schild nicht nur trägt, sondern auch zu ihm geboren ist. Und das sind
nicht mir freie Vassallen, sondern auch unfreie Ministerialen, die allerdings im
1l, Jahrhundert noch kaum mit diesen: Namen, sondern meist als sörviönws,
hin'vitoi'of, Kurilen, mimM'i oder vlisutss bezeichnet werden, und zwar da, wo
der Unterschied von andern Unfreien besonders hervorgehoben werden sollte, als
nodilss 8vrvicmtk!8, msliores anz tamilM oder llonorMlös ministri.

Um ein Bild von den Bedingungen zu gewinnen, tinter denen die Reichs¬
heerfahrten während des 11. Jahrhunderts stattfanden, steht außer vereinzelten
Angaben in Urkunden und Chroniken nur die sogenannte Lonstitutio as expo-
«Wmuz Il.olim.im zur Verfügung — allerdings ein Actenstück von bestrittenen
Werthe, welches unter dem Gewände eines karlingischcn Capitulares die Zu¬
sammenstellung derjenigen Normen enthält, unter denen die Lehnsleute zur Rom¬
fahrt aufgeboten wurden. Es liegt dieser Constitution eine gereimte Vorlage zu
Grunde, welche wahrscheinlich während der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts
in Lothringen entstanden ist und das damals geltende thatsächliche Recht ver¬
zeichnete. Diese vermuthlich ans Conrads II. Tagen stammende Vorlage scheint
dann zur Zeit Kaiser Friedrichs I. in die Form eines Gesetzes Karls d. Gr.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/243>, abgerufen am 01.09.2024.