Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Alfred Meißner. frommer Glaube einen unermeßlichen Neliauienwerth zuschreibt, gegen eine ge¬ Wenn wir sagen, daß in dem folgenden, weniger umfangreichen Romane Die Jahre 1862--1863 waren der Arbeit eines Romans "schwarzgelb" Alfred Meißner. frommer Glaube einen unermeßlichen Neliauienwerth zuschreibt, gegen eine ge¬ Wenn wir sagen, daß in dem folgenden, weniger umfangreichen Romane Die Jahre 1862—1863 waren der Arbeit eines Romans „schwarzgelb" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150362"/> <fw type="header" place="top"> Alfred Meißner.</fw><lb/> <p xml:id="ID_702" prev="#ID_701"> frommer Glaube einen unermeßlichen Neliauienwerth zuschreibt, gegen eine ge¬<lb/> waltige Summe ein genuesische Juden verpfändet worden ist, obwohl Pfaudgeber<lb/> und Pfandnehmer von der Werthlosigkeit des Pfaudstnckes vollständig überzeugt<lb/> sind. Hier sind besonders die Judengestalten charakteristisch. Juden treten auch<lb/> in „Lemberger und Sohn" wieder auf. In ihrer Form gleichen diese Erzählungen<lb/> Schachpartien, Zug um Zug; zwei Gegner setzen alle mögliche Genialität daran,<lb/> einander matt zu setzen, das Spiel geht weiter, in immer unerwarteteren, immer<lb/> frappanteren Wendungen weiter, Scharfsinn und Consequenz sind auf beiden<lb/> Seiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_703"> Wenn wir sagen, daß in dem folgenden, weniger umfangreichen Romane<lb/> „Neuer Adel" (1860) die tragischen Folgen falschen Ehrgeizes veranschaulicht werden<lb/> sollen, so ist damit nur ein kleiner Theil dieses Romans umschriebe». Den künst¬<lb/> lerischen Anforderungen an ein Dichterwerk entsprechend, das Grundirrthümer<lb/> einer ganzen Klasse von Menschen darlegt, sind hier mit der Haupthandlung<lb/> zahlreiche Episoden und eine Fülle von Charakteren vorgeführt, in denen mit<lb/> ebensoviel fruchtbarer Phantasie wie philosophischem Verstände im Gegensatz zu<lb/> jenen Irrthümern theils die Principien wahrer Lebensweisheit sich spiegeln, theils<lb/> den erstem wenigstens der tödtende Stachel genommen scheint. Einzelnen Gruppen<lb/> gegenüber, in denen die Hanptkräfte und Eigenschaften verkörpert sind, von denen<lb/> das Gedeihen des Bürgerthums bedingt ist, treten Repräsentanten jenes neuen<lb/> Adels auf, welcher, da er kaum die Atmosphäre seines neuen Standes geathmet,<lb/> schon den Vollblntadel nachzuahmen oder, je nachdem, zu earrikiren beginnt.<lb/> Die bürgerlichen Tugenden sind ihm verloren gegangen, an ihre Stelle tritt<lb/> glänzendes Flitterwerk, blendender Schein. Alles das entwickelt sich ans der<lb/> Handlung heraus in einer Fülle von Lebenswahrheit und Lebendigkeit. Von den<lb/> Hauptpersonen dieses Buches dürfen wohl der Herr von Nvsenstern und seine<lb/> Tochter als Meisterstücke der Charakteristik bezeichnet werden. Was die Anlage<lb/> des Ganzen betrifft, so ist dieselbe in erster Linie in echt künstlerischem Geiste<lb/> gehalten, von durchsichtiger Klarheit und fesselnder Kraft. Hierzu kommt aber<lb/> weiter, daß die Wahrheit des Localtons in der Schilderung Prags, der eigen¬<lb/> thümliche Geist in der Zeichnung böhmischer Volkscharaktere nur von einem auf¬<lb/> merksamen und scharfsichtigen Beobachter der alten Königsstadt und ihrer Be¬<lb/> völkerung, nur von einem Manne, der jahrelange Bemühungen auf das Studium<lb/> des Locals und des Cnltnrellen verwendete, so getroffen werden konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_704" next="#ID_705"> Die Jahre 1862—1863 waren der Arbeit eines Romans „schwarzgelb"<lb/> gewidmet. Johannes Scherr nennt dieses Werk die beste von den Roman-<lb/> dichtnngen Meißners und stellt es Gutzkvws „Rittern vom Geiste" zur Seite.<lb/> (Vom Zürichberg: Ein österreichischer Dichter.) Es reizte den Dichter, ein<lb/> durchaus auf Facken beruhendes Gemälde vorzuführen, es reizte die poetische<lb/> Darstellung der culturgeschichtlichen Entwickelung Oesterreichs. Aber die Auf¬<lb/> gabe war sehr schwierig. Man mußte, wie Alfred Meißner, jahrelang auf dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0212]
Alfred Meißner.
frommer Glaube einen unermeßlichen Neliauienwerth zuschreibt, gegen eine ge¬
waltige Summe ein genuesische Juden verpfändet worden ist, obwohl Pfaudgeber
und Pfandnehmer von der Werthlosigkeit des Pfaudstnckes vollständig überzeugt
sind. Hier sind besonders die Judengestalten charakteristisch. Juden treten auch
in „Lemberger und Sohn" wieder auf. In ihrer Form gleichen diese Erzählungen
Schachpartien, Zug um Zug; zwei Gegner setzen alle mögliche Genialität daran,
einander matt zu setzen, das Spiel geht weiter, in immer unerwarteteren, immer
frappanteren Wendungen weiter, Scharfsinn und Consequenz sind auf beiden
Seiten.
Wenn wir sagen, daß in dem folgenden, weniger umfangreichen Romane
„Neuer Adel" (1860) die tragischen Folgen falschen Ehrgeizes veranschaulicht werden
sollen, so ist damit nur ein kleiner Theil dieses Romans umschriebe». Den künst¬
lerischen Anforderungen an ein Dichterwerk entsprechend, das Grundirrthümer
einer ganzen Klasse von Menschen darlegt, sind hier mit der Haupthandlung
zahlreiche Episoden und eine Fülle von Charakteren vorgeführt, in denen mit
ebensoviel fruchtbarer Phantasie wie philosophischem Verstände im Gegensatz zu
jenen Irrthümern theils die Principien wahrer Lebensweisheit sich spiegeln, theils
den erstem wenigstens der tödtende Stachel genommen scheint. Einzelnen Gruppen
gegenüber, in denen die Hanptkräfte und Eigenschaften verkörpert sind, von denen
das Gedeihen des Bürgerthums bedingt ist, treten Repräsentanten jenes neuen
Adels auf, welcher, da er kaum die Atmosphäre seines neuen Standes geathmet,
schon den Vollblntadel nachzuahmen oder, je nachdem, zu earrikiren beginnt.
Die bürgerlichen Tugenden sind ihm verloren gegangen, an ihre Stelle tritt
glänzendes Flitterwerk, blendender Schein. Alles das entwickelt sich ans der
Handlung heraus in einer Fülle von Lebenswahrheit und Lebendigkeit. Von den
Hauptpersonen dieses Buches dürfen wohl der Herr von Nvsenstern und seine
Tochter als Meisterstücke der Charakteristik bezeichnet werden. Was die Anlage
des Ganzen betrifft, so ist dieselbe in erster Linie in echt künstlerischem Geiste
gehalten, von durchsichtiger Klarheit und fesselnder Kraft. Hierzu kommt aber
weiter, daß die Wahrheit des Localtons in der Schilderung Prags, der eigen¬
thümliche Geist in der Zeichnung böhmischer Volkscharaktere nur von einem auf¬
merksamen und scharfsichtigen Beobachter der alten Königsstadt und ihrer Be¬
völkerung, nur von einem Manne, der jahrelange Bemühungen auf das Studium
des Locals und des Cnltnrellen verwendete, so getroffen werden konnte.
Die Jahre 1862—1863 waren der Arbeit eines Romans „schwarzgelb"
gewidmet. Johannes Scherr nennt dieses Werk die beste von den Roman-
dichtnngen Meißners und stellt es Gutzkvws „Rittern vom Geiste" zur Seite.
(Vom Zürichberg: Ein österreichischer Dichter.) Es reizte den Dichter, ein
durchaus auf Facken beruhendes Gemälde vorzuführen, es reizte die poetische
Darstellung der culturgeschichtlichen Entwickelung Oesterreichs. Aber die Auf¬
gabe war sehr schwierig. Man mußte, wie Alfred Meißner, jahrelang auf dem
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