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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Haimovcrs Ende und Herr Meding,

zu erreichen, lag nicht vor, sodaß also auch ans einer innern Widersinnigkeit
der einzuschlagenden Politik ein Zurückziehen von der Pflicht, dem Könige in
derselben (gegen das Vaterland!) zu dienen, nicht gefolgert werden konnte. Der
Kampf um die Zukunft Deutschlands war durch den Frieden von Nikolsburg
nach keiner Seite hin zu einem befriedigenden Abschlüsse gebracht, und weder
die föderative noch die unitarische Partei konnte durch deu geschaffnen Zustand
befriedigt sein. ... In den annectirten und den dem Norddeutschen Bunde ein¬
gefügten Gebieten herrschte tiefe Unzufriedenheit mit den neuen Verhältnissen.
Die Erbitterung in Süddeutschland war groß, noch tiefer und empfindlicher das
Gefühl der Demüthigung, welches am österreichischen Hofe niedergekämpft werden
mußte. ... Die außerordentliche Vergrößerung Preußens hatte die europäischen
Mächte in Unruhe versetzt. Die Eifersucht und die .patriotischen Beklemmungen'
Frankreichs waren nur durch die mangelnde Vorbereitung zu militärischer Action
und durch die Aussicht auf Kompensation für den Augenblick zum Schweigen
gebracht worden. . . . Der ganze Zustand, wie er 1366 geschaffen war, mußte
daher als ein provisorischer erscheinen, und es konnte keinem Zweifel unterliegen,
daß früher oder später sowohl von europäischer Seite als von Deutschland selbst
heraus der Versuch gemacht werden würde, ihn wieder zu beseitigen." Dem
gegenüber mußte, wie der Verfasser weiter ausführt, der König Georg sein Recht
währen, den Widerstand in .Hannover in jeder Weise kräftigen und einheitlich
organisiren und schließlich für eine militärische Action alles soweit vorbereiten,
um an der Spitze einer eignen Macht in den Kampf für seine Rechte eintreten
zu können.

Darnach handelte denn auch der Biedermann, dem wir das vorliegende
Buch verdanken. So wünscht er sein Verhalten wenigstens betrachtet zu sehen,
wenn auch unzweifelhaft andre Motive, z. B. die luemtive Seite der Sache,
mehr Bedeutung für ihn gehabt haben. Er half in Hannover eine Verschwö¬
rung organisiren, die viel bösen Willen bekundete, aber nur einige mehr komische
als gefährliche Demonstrationen zu Wege brachte. Vom April 1867 um lebte
er meist in Paris, wo er mit dem Gelde des Königs das äußerst kostspielige
und für seine Kasse sehr einträgliche, für die welfische Sache aber gänzlich nutz¬
lose Journal LituMon gründete und sich lebhaft an der Bildung der berüch¬
tigten Wclfenlegion betheiligte. Erst 1870 (nach Wörth und Sedan erst, wenn
wir nicht irren) gab er das Geschäft des Wühlens und Hetzens gegen das neue
Deutschland auf und machte seinen Frieden mit der preußischen Regierung, die
ihm gegen Auslieferung gewisser geheimer Papiere eine beträchtliche Pension
gewährte.

Er lebte darauf erst in der Schweiz, dann in Stuttgart und zuletzt in Berlin.
Der Versuch, eine große Revue zu gründen, welche die neuen politischen Grund¬
sätze predigen sollte, die er sich mit der Pension zugelegt, schlug fehl, wohl weil
kein Schriftsteller von einigem Charakter unter der Redaction des in allen Sätteln


Haimovcrs Ende und Herr Meding,

zu erreichen, lag nicht vor, sodaß also auch ans einer innern Widersinnigkeit
der einzuschlagenden Politik ein Zurückziehen von der Pflicht, dem Könige in
derselben (gegen das Vaterland!) zu dienen, nicht gefolgert werden konnte. Der
Kampf um die Zukunft Deutschlands war durch den Frieden von Nikolsburg
nach keiner Seite hin zu einem befriedigenden Abschlüsse gebracht, und weder
die föderative noch die unitarische Partei konnte durch deu geschaffnen Zustand
befriedigt sein. ... In den annectirten und den dem Norddeutschen Bunde ein¬
gefügten Gebieten herrschte tiefe Unzufriedenheit mit den neuen Verhältnissen.
Die Erbitterung in Süddeutschland war groß, noch tiefer und empfindlicher das
Gefühl der Demüthigung, welches am österreichischen Hofe niedergekämpft werden
mußte. ... Die außerordentliche Vergrößerung Preußens hatte die europäischen
Mächte in Unruhe versetzt. Die Eifersucht und die .patriotischen Beklemmungen'
Frankreichs waren nur durch die mangelnde Vorbereitung zu militärischer Action
und durch die Aussicht auf Kompensation für den Augenblick zum Schweigen
gebracht worden. . . . Der ganze Zustand, wie er 1366 geschaffen war, mußte
daher als ein provisorischer erscheinen, und es konnte keinem Zweifel unterliegen,
daß früher oder später sowohl von europäischer Seite als von Deutschland selbst
heraus der Versuch gemacht werden würde, ihn wieder zu beseitigen." Dem
gegenüber mußte, wie der Verfasser weiter ausführt, der König Georg sein Recht
währen, den Widerstand in .Hannover in jeder Weise kräftigen und einheitlich
organisiren und schließlich für eine militärische Action alles soweit vorbereiten,
um an der Spitze einer eignen Macht in den Kampf für seine Rechte eintreten
zu können.

Darnach handelte denn auch der Biedermann, dem wir das vorliegende
Buch verdanken. So wünscht er sein Verhalten wenigstens betrachtet zu sehen,
wenn auch unzweifelhaft andre Motive, z. B. die luemtive Seite der Sache,
mehr Bedeutung für ihn gehabt haben. Er half in Hannover eine Verschwö¬
rung organisiren, die viel bösen Willen bekundete, aber nur einige mehr komische
als gefährliche Demonstrationen zu Wege brachte. Vom April 1867 um lebte
er meist in Paris, wo er mit dem Gelde des Königs das äußerst kostspielige
und für seine Kasse sehr einträgliche, für die welfische Sache aber gänzlich nutz¬
lose Journal LituMon gründete und sich lebhaft an der Bildung der berüch¬
tigten Wclfenlegion betheiligte. Erst 1870 (nach Wörth und Sedan erst, wenn
wir nicht irren) gab er das Geschäft des Wühlens und Hetzens gegen das neue
Deutschland auf und machte seinen Frieden mit der preußischen Regierung, die
ihm gegen Auslieferung gewisser geheimer Papiere eine beträchtliche Pension
gewährte.

Er lebte darauf erst in der Schweiz, dann in Stuttgart und zuletzt in Berlin.
Der Versuch, eine große Revue zu gründen, welche die neuen politischen Grund¬
sätze predigen sollte, die er sich mit der Pension zugelegt, schlug fehl, wohl weil
kein Schriftsteller von einigem Charakter unter der Redaction des in allen Sätteln


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/196>, abgerufen am 25.11.2024.