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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Feudalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

heranziehn Wollei? und zu dem Ende wiederholt die Bestimmung getroffen, beiß
die Bnnnbnße den Grundbesitz nicht für kiinftige Leistungen schwächen solle. Aber
schon diese letztere Wendung zeigt, daß der Staat sich außer Stande sah, eine
allgemeine Norm festzustellen, und thatsächlich sind die Anforderungen derart
gewesen, daß der Ruin der kleinen Eigenthümer unvermeidlich war.

Hatten die vorhin erwähnten Versuche, sich der Wehrpflicht zu entziehen,
einen leise humoristischen Beigeschmack, so tritt die ganze Furchtbarkeit der
karlingischcn Dienstanforderungen in der, erschreckenden Thatsache zu Tage, daß
in den letzten Negierungsjahren des großen Kaisers entflohene Dienstpflichtige
ihre Eltern und nächsten Verwandten ermordeten, nur um der Aufspürung und
Auslieferung durch jene zu entgehen.

Alle vorbeugenden Maßregeln, alle Strenge, alle Milde Karls erwiesen
sich als unzureichend für die Aufrechterhaltung des alten Heerbanns; die Ent¬
wicklung des Lehnswesens blieb in ununterbrochenem Fortschritte und gewann
sogar noch erhöhte" Aufschwung dnrch das Institut der Immunität. Unter
imnimiit^) verstanden die Römer das Freisein von öffentlichen Diensten oder
Abgaben, wie das namentlich dem Fisealgute und zwar auch dann zukam, wenn
es in andre Hände als die des Staates überging. Außerdem war der Kirche für
alle ihre Besitzungen Immunität verliehen, sodaß also sämmtlichen königlichen
und geistlichen Benesieien Immunität eigen war. Nun war es altgermanische
Art, die staatlichen Verhältnisse privatreclMch aufzufassen, und dem entsprechend
wurde die Immunität derart verstanden und ausgedehnt, daß die Besitzer ab¬
gabenfreier Benesieien eben diejenigen Leistungen, von denen sie selbst dem
Staate gegenüber dispensirt waren, von ihren Eingesessnen für sich forderten.
Dies steigerte natürlich aufs neue die Macht der Vassallen. In ganz be¬
sondrer Weise kamen die Jmmunitätsprivilegien wieder der Geistlichkeit zu
statten. Ihre Gebiete waren von vornherein der Gerichtsbarkeit der öffent¬
lichen Beamten entzogen; da ward es ihnen denn leicht, den Grafen anch
in andern Dingen fern zu halten, namentlich insofern es sich um die Ver¬
kündigung des Heerbanns handelte. Offenbar haben die Geistlichen, gestützt auf
das kanonische Recht, welches ihnen verbot, Waffen zu tragen, zuweilen nicht
nur sich selbst, sondern auch ihre Mannen dem Dienste entzogen. Letztere ver¬
muthlich sogar noch häufiger als sich selbst. Denn so mächtig war damals noch
die altdeutsche Anschauung, daß das Verbot der Wnffenführung den Mann ent¬
ehre, daß auch die Weltgeistlichen sich ihr fügen mußten, und überdies waren
die Prälaten gar nicht selten streitlustige Herren, die sich gern über den Kanon
hinwegsetzten. Thaten sie das aber, so übernahmen sie meist auch die Führung
ihrer Mannen im Kriege. Dies letztere mußte deu weltlichen Großen noch näher
liegen, und dadurch kamen die Könige bald in eine eigenthümlich peinliche Lage.



Von munus Dienstpflicht.
Die Entwicklung der Feudalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

heranziehn Wollei? und zu dem Ende wiederholt die Bestimmung getroffen, beiß
die Bnnnbnße den Grundbesitz nicht für kiinftige Leistungen schwächen solle. Aber
schon diese letztere Wendung zeigt, daß der Staat sich außer Stande sah, eine
allgemeine Norm festzustellen, und thatsächlich sind die Anforderungen derart
gewesen, daß der Ruin der kleinen Eigenthümer unvermeidlich war.

Hatten die vorhin erwähnten Versuche, sich der Wehrpflicht zu entziehen,
einen leise humoristischen Beigeschmack, so tritt die ganze Furchtbarkeit der
karlingischcn Dienstanforderungen in der, erschreckenden Thatsache zu Tage, daß
in den letzten Negierungsjahren des großen Kaisers entflohene Dienstpflichtige
ihre Eltern und nächsten Verwandten ermordeten, nur um der Aufspürung und
Auslieferung durch jene zu entgehen.

Alle vorbeugenden Maßregeln, alle Strenge, alle Milde Karls erwiesen
sich als unzureichend für die Aufrechterhaltung des alten Heerbanns; die Ent¬
wicklung des Lehnswesens blieb in ununterbrochenem Fortschritte und gewann
sogar noch erhöhte» Aufschwung dnrch das Institut der Immunität. Unter
imnimiit^) verstanden die Römer das Freisein von öffentlichen Diensten oder
Abgaben, wie das namentlich dem Fisealgute und zwar auch dann zukam, wenn
es in andre Hände als die des Staates überging. Außerdem war der Kirche für
alle ihre Besitzungen Immunität verliehen, sodaß also sämmtlichen königlichen
und geistlichen Benesieien Immunität eigen war. Nun war es altgermanische
Art, die staatlichen Verhältnisse privatreclMch aufzufassen, und dem entsprechend
wurde die Immunität derart verstanden und ausgedehnt, daß die Besitzer ab¬
gabenfreier Benesieien eben diejenigen Leistungen, von denen sie selbst dem
Staate gegenüber dispensirt waren, von ihren Eingesessnen für sich forderten.
Dies steigerte natürlich aufs neue die Macht der Vassallen. In ganz be¬
sondrer Weise kamen die Jmmunitätsprivilegien wieder der Geistlichkeit zu
statten. Ihre Gebiete waren von vornherein der Gerichtsbarkeit der öffent¬
lichen Beamten entzogen; da ward es ihnen denn leicht, den Grafen anch
in andern Dingen fern zu halten, namentlich insofern es sich um die Ver¬
kündigung des Heerbanns handelte. Offenbar haben die Geistlichen, gestützt auf
das kanonische Recht, welches ihnen verbot, Waffen zu tragen, zuweilen nicht
nur sich selbst, sondern auch ihre Mannen dem Dienste entzogen. Letztere ver¬
muthlich sogar noch häufiger als sich selbst. Denn so mächtig war damals noch
die altdeutsche Anschauung, daß das Verbot der Wnffenführung den Mann ent¬
ehre, daß auch die Weltgeistlichen sich ihr fügen mußten, und überdies waren
die Prälaten gar nicht selten streitlustige Herren, die sich gern über den Kanon
hinwegsetzten. Thaten sie das aber, so übernahmen sie meist auch die Führung
ihrer Mannen im Kriege. Dies letztere mußte deu weltlichen Großen noch näher
liegen, und dadurch kamen die Könige bald in eine eigenthümlich peinliche Lage.



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/156>, abgerufen am 25.11.2024.