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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Soinmerniarchen.

die Knappheit und Sauberkeit*) der Sprache, den frischen männlichen Humor
der Darstellung, der auch bei wehmüthigen Stoffen keine weinerliche Sentimenta¬
lität aufkommen läßt, die eminente Vertrautheit mit dem Leben der Natur, der
Thiere, der Pflanzen -- was werden gerade in dieser Beziehung oft für lächer¬
liche Schnitzer gemacht! --, der offne Blick für die Poesie des Kleinen, dies
alles kehrt auch hier wieder. Mag Baumbach eine Hochzeit in der Dorfkirche
schildern oder das Treiben auf der Schicßwiese während eines Schützenfestes,
immer zeigt seine Schilderung die feinste Beobachtungsgabe. Selbst wenn er die
Tische erwähnt, an denen die Schützen poeulireu, so sind es für ihn nicht einfach
die Tische, sondern die "mit nassen Ringeln reich gezierten Tische/' Wie un-
genirt er bei der ältern Sagenpoesie Anleihen macht, ohne daß man ihm des¬
halb gram sein könnte, auch das haben wir früher schon bei seinen Liedern
hervorgehoben. Sein Märchenbuch ist aller Welt verschuldet. Aber wer möchte
die graziöse Art, wie er den Faust oder die Lorelei herbeizieht, wie er die tausend¬
mal erzählte Geschichte von den Thieren, welche den Klängen der Musik lauschen,
nochmals erzählt, bekritteln wollen?

Man ist es nachgerade gewöhnt, die feinen Sächelchen Baumbachs auch in
der apartesten Ausstattung ans Licht treten zu sehen. Der Autor kann sich ge¬
rührt bei seinem Verleger bedanken, daß dieser den Kindern seiner Muse stets
so schmucke Kleider anzieht. Es ist eine Freude zu sehen, daß es dein Verleger
Freude gemacht hat, das Buch drucken und einbinden zu lassen. Man kann
wetten: wer dieses Bändchen auf dem Ladentische eines Buchhändlers liegen sieht
^ es mögen hundert andre Bücher drum herumliegen, "Prachtwerke ersten
Ranges" in Kirchthürenformat und goldstrotzende Duodczlhrik --, wenn er nicht
ganz von Gott verlassen ist, so wird er zuerst nach diesem Bändchen greifen.
Wer doch gleich jemanden wüßte, der ein feines Büchlein für die Sommerfrische
brauchen kaun! Den könnte man mit einem gebnndnen Exemplar von Baum¬
bachs "Sommcrmärchen" glücklich machen. Denn für sich selber kauft man ja
^ -p dergleichen nicht, dazu'ist es -- viel zu schön.





*) Aufgefallen ist uns in den Märchen die wiederholt vorkommende falsche, eins dein
Französischen herübergenommene Wendung "gefolgt von", ferner die fehlerhafte Construction:
"sie hatte sie fallen gesehen", "du hast den Kukuk rufen gehört" (anstatt des einzig richtigen
^fallen sehen", "rufen hören"), endlich anch das öfter gebrauchte unschöne Pronomen "letzterer,
letztere, letzteres", das doch immer nur eine Krücke der Deutlichkeit ist und in poetischer Sprache
sich sehr wunderlich ausnimmt.
Soinmerniarchen.

die Knappheit und Sauberkeit*) der Sprache, den frischen männlichen Humor
der Darstellung, der auch bei wehmüthigen Stoffen keine weinerliche Sentimenta¬
lität aufkommen läßt, die eminente Vertrautheit mit dem Leben der Natur, der
Thiere, der Pflanzen — was werden gerade in dieser Beziehung oft für lächer¬
liche Schnitzer gemacht! —, der offne Blick für die Poesie des Kleinen, dies
alles kehrt auch hier wieder. Mag Baumbach eine Hochzeit in der Dorfkirche
schildern oder das Treiben auf der Schicßwiese während eines Schützenfestes,
immer zeigt seine Schilderung die feinste Beobachtungsgabe. Selbst wenn er die
Tische erwähnt, an denen die Schützen poeulireu, so sind es für ihn nicht einfach
die Tische, sondern die „mit nassen Ringeln reich gezierten Tische/' Wie un-
genirt er bei der ältern Sagenpoesie Anleihen macht, ohne daß man ihm des¬
halb gram sein könnte, auch das haben wir früher schon bei seinen Liedern
hervorgehoben. Sein Märchenbuch ist aller Welt verschuldet. Aber wer möchte
die graziöse Art, wie er den Faust oder die Lorelei herbeizieht, wie er die tausend¬
mal erzählte Geschichte von den Thieren, welche den Klängen der Musik lauschen,
nochmals erzählt, bekritteln wollen?

Man ist es nachgerade gewöhnt, die feinen Sächelchen Baumbachs auch in
der apartesten Ausstattung ans Licht treten zu sehen. Der Autor kann sich ge¬
rührt bei seinem Verleger bedanken, daß dieser den Kindern seiner Muse stets
so schmucke Kleider anzieht. Es ist eine Freude zu sehen, daß es dein Verleger
Freude gemacht hat, das Buch drucken und einbinden zu lassen. Man kann
wetten: wer dieses Bändchen auf dem Ladentische eines Buchhändlers liegen sieht
^ es mögen hundert andre Bücher drum herumliegen, „Prachtwerke ersten
Ranges" in Kirchthürenformat und goldstrotzende Duodczlhrik —, wenn er nicht
ganz von Gott verlassen ist, so wird er zuerst nach diesem Bändchen greifen.
Wer doch gleich jemanden wüßte, der ein feines Büchlein für die Sommerfrische
brauchen kaun! Den könnte man mit einem gebnndnen Exemplar von Baum¬
bachs „Sommcrmärchen" glücklich machen. Denn für sich selber kauft man ja
^ -p dergleichen nicht, dazu'ist es — viel zu schön.





*) Aufgefallen ist uns in den Märchen die wiederholt vorkommende falsche, eins dein
Französischen herübergenommene Wendung „gefolgt von", ferner die fehlerhafte Construction:
"sie hatte sie fallen gesehen", „du hast den Kukuk rufen gehört" (anstatt des einzig richtigen
^fallen sehen", „rufen hören"), endlich anch das öfter gebrauchte unschöne Pronomen „letzterer,
letztere, letzteres", das doch immer nur eine Krücke der Deutlichkeit ist und in poetischer Sprache
sich sehr wunderlich ausnimmt.
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[0135] Soinmerniarchen. die Knappheit und Sauberkeit*) der Sprache, den frischen männlichen Humor der Darstellung, der auch bei wehmüthigen Stoffen keine weinerliche Sentimenta¬ lität aufkommen läßt, die eminente Vertrautheit mit dem Leben der Natur, der Thiere, der Pflanzen — was werden gerade in dieser Beziehung oft für lächer¬ liche Schnitzer gemacht! —, der offne Blick für die Poesie des Kleinen, dies alles kehrt auch hier wieder. Mag Baumbach eine Hochzeit in der Dorfkirche schildern oder das Treiben auf der Schicßwiese während eines Schützenfestes, immer zeigt seine Schilderung die feinste Beobachtungsgabe. Selbst wenn er die Tische erwähnt, an denen die Schützen poeulireu, so sind es für ihn nicht einfach die Tische, sondern die „mit nassen Ringeln reich gezierten Tische/' Wie un- genirt er bei der ältern Sagenpoesie Anleihen macht, ohne daß man ihm des¬ halb gram sein könnte, auch das haben wir früher schon bei seinen Liedern hervorgehoben. Sein Märchenbuch ist aller Welt verschuldet. Aber wer möchte die graziöse Art, wie er den Faust oder die Lorelei herbeizieht, wie er die tausend¬ mal erzählte Geschichte von den Thieren, welche den Klängen der Musik lauschen, nochmals erzählt, bekritteln wollen? Man ist es nachgerade gewöhnt, die feinen Sächelchen Baumbachs auch in der apartesten Ausstattung ans Licht treten zu sehen. Der Autor kann sich ge¬ rührt bei seinem Verleger bedanken, daß dieser den Kindern seiner Muse stets so schmucke Kleider anzieht. Es ist eine Freude zu sehen, daß es dein Verleger Freude gemacht hat, das Buch drucken und einbinden zu lassen. Man kann wetten: wer dieses Bändchen auf dem Ladentische eines Buchhändlers liegen sieht ^ es mögen hundert andre Bücher drum herumliegen, „Prachtwerke ersten Ranges" in Kirchthürenformat und goldstrotzende Duodczlhrik —, wenn er nicht ganz von Gott verlassen ist, so wird er zuerst nach diesem Bändchen greifen. Wer doch gleich jemanden wüßte, der ein feines Büchlein für die Sommerfrische brauchen kaun! Den könnte man mit einem gebnndnen Exemplar von Baum¬ bachs „Sommcrmärchen" glücklich machen. Denn für sich selber kauft man ja ^ -p dergleichen nicht, dazu'ist es — viel zu schön. *) Aufgefallen ist uns in den Märchen die wiederholt vorkommende falsche, eins dein Französischen herübergenommene Wendung „gefolgt von", ferner die fehlerhafte Construction: "sie hatte sie fallen gesehen", „du hast den Kukuk rufen gehört" (anstatt des einzig richtigen ^fallen sehen", „rufen hören"), endlich anch das öfter gebrauchte unschöne Pronomen „letzterer, letztere, letzteres", das doch immer nur eine Krücke der Deutlichkeit ist und in poetischer Sprache sich sehr wunderlich ausnimmt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/135>, abgerufen am 01.09.2024.