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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Politische Briefe,

immer rechnen können, selbst im Gegensatz zik einem Papste, der etwa eine große
Politik der Curie ans ein lange dauerndes Einvernehmen mit dem deutschen
Kaiserthum gebaut hätte.

Wie dieser schon lauge nicht mehr verborgne, aber jetzt plötzlich grell er¬
leuchtete Gegensatz innerhalb des Centrums auf die Politik des Reichskanzlers
gegenüber der Curie einwirken wird, darüber wagen wir keine Vermuthung, Jene
Diagnose kann ebensowohl den Frieden mit Rom beschleunige", als ein unbesieg-
liches Hinderniß desselben bilden; sie kann ebensowohl dazu führen, die Sprengung
des Centrums zur abzuwartenden Voraussetzung des Friedens zu machen, als
zu der in Aussicht gcuommuen Folge, Mit Rom kann ein Friede möglich
werden, mit denk Centrum niemals, weil die zahlreichern Bestandtheile desselben
aus den jesuitisch geschulten Truppen der reichsfeindlichen Demokratie bestehen.
Auch diese Erkenntniß hat die Verhandlung des Unfallgesetzes zwar nicht zum
erstenmal all deu Tag gefördert, aber in ein solches Licht gestellt, daß sie nicht
wieder verdunkelt werden kann.

Werfen wir noch einen Blick auf das Verhalten der liberalen Gruppen zum
Unfallversichernngsgesetz. Die Fortschrittspartei hatte schon sür die zweite Be¬
rathung einen eignen Gesetzentwurf dem der Negicruugsvorlage gegenübergestellt.
Der fortschrittliche Entwurf wollte sich als Erweiterung des jetzt bestehenden
Haftpflichtgesetzes geben, in der That entnahm auch er seine Grundgedanken aus
der Regierungsvorlage. Ausgenommen war in den fortschrittlichen Entwurf vor
allem der von der Regierung aufgestellte Grundsatz der Entschädigungspflicht
für alle Unfälle, die nicht vou dem Verunglückten absichtlich herbeigeführt worden
sind; aufgenommen war ferner die Zwangspflicht der Unternehmer, ihre Arbeiter
zu versichern, und zwar stellte die Fortschrittspartei den später in den Ver¬
mittlungsantrag der dritten Lesung zur Annahme gelangten Grundsatz auf, daß
die Versicherungslast von den Unternehmern allem zu tragen sei. Damit fiel
sowohl der Staatszuschuß als der Beitrag der Arbeiter weg. Auch wollte die
Fortschrittspartei schon die Arbeiter bis zur Lohnhöhe von 2000 Mark in die
alleinige Versicherung durch die Unternehmer aufnehmen. Diesen arbeiterfreiuidlichcn
Bestimmungen standen aber andre gegenüber, welche die Wohlthat des Gesetzes für
die Arbeiter illusorisch gemacht haben würden. Der Entwurf enthielt zwar die Vor¬
schrift, daß dem Arbeiter für die Leistung der Entschädigung eine Sicherheit bestellt
werdeu müsse, aber diese brauchte in nichts zu bestehen, als in der Versicherung im
einer Privatgesellschaft oder auch in einer sogenannten Selbstversicherung. Folge¬
richtig waren alle Streitigkeiten über den Schaden der Verunglückten und über das
Maß der Entschädigung auf den Rechtsweg verwiesen. Zum Ueberfluß gab es "och
einen Paragraphen, nach welchem der zur Entschädigung verpflichtete die Aufhebung


Politische Briefe,

immer rechnen können, selbst im Gegensatz zik einem Papste, der etwa eine große
Politik der Curie ans ein lange dauerndes Einvernehmen mit dem deutschen
Kaiserthum gebaut hätte.

Wie dieser schon lauge nicht mehr verborgne, aber jetzt plötzlich grell er¬
leuchtete Gegensatz innerhalb des Centrums auf die Politik des Reichskanzlers
gegenüber der Curie einwirken wird, darüber wagen wir keine Vermuthung, Jene
Diagnose kann ebensowohl den Frieden mit Rom beschleunige», als ein unbesieg-
liches Hinderniß desselben bilden; sie kann ebensowohl dazu führen, die Sprengung
des Centrums zur abzuwartenden Voraussetzung des Friedens zu machen, als
zu der in Aussicht gcuommuen Folge, Mit Rom kann ein Friede möglich
werden, mit denk Centrum niemals, weil die zahlreichern Bestandtheile desselben
aus den jesuitisch geschulten Truppen der reichsfeindlichen Demokratie bestehen.
Auch diese Erkenntniß hat die Verhandlung des Unfallgesetzes zwar nicht zum
erstenmal all deu Tag gefördert, aber in ein solches Licht gestellt, daß sie nicht
wieder verdunkelt werden kann.

Werfen wir noch einen Blick auf das Verhalten der liberalen Gruppen zum
Unfallversichernngsgesetz. Die Fortschrittspartei hatte schon sür die zweite Be¬
rathung einen eignen Gesetzentwurf dem der Negicruugsvorlage gegenübergestellt.
Der fortschrittliche Entwurf wollte sich als Erweiterung des jetzt bestehenden
Haftpflichtgesetzes geben, in der That entnahm auch er seine Grundgedanken aus
der Regierungsvorlage. Ausgenommen war in den fortschrittlichen Entwurf vor
allem der von der Regierung aufgestellte Grundsatz der Entschädigungspflicht
für alle Unfälle, die nicht vou dem Verunglückten absichtlich herbeigeführt worden
sind; aufgenommen war ferner die Zwangspflicht der Unternehmer, ihre Arbeiter
zu versichern, und zwar stellte die Fortschrittspartei den später in den Ver¬
mittlungsantrag der dritten Lesung zur Annahme gelangten Grundsatz auf, daß
die Versicherungslast von den Unternehmern allem zu tragen sei. Damit fiel
sowohl der Staatszuschuß als der Beitrag der Arbeiter weg. Auch wollte die
Fortschrittspartei schon die Arbeiter bis zur Lohnhöhe von 2000 Mark in die
alleinige Versicherung durch die Unternehmer aufnehmen. Diesen arbeiterfreiuidlichcn
Bestimmungen standen aber andre gegenüber, welche die Wohlthat des Gesetzes für
die Arbeiter illusorisch gemacht haben würden. Der Entwurf enthielt zwar die Vor¬
schrift, daß dem Arbeiter für die Leistung der Entschädigung eine Sicherheit bestellt
werdeu müsse, aber diese brauchte in nichts zu bestehen, als in der Versicherung im
einer Privatgesellschaft oder auch in einer sogenannten Selbstversicherung. Folge¬
richtig waren alle Streitigkeiten über den Schaden der Verunglückten und über das
Maß der Entschädigung auf den Rechtsweg verwiesen. Zum Ueberfluß gab es »och
einen Paragraphen, nach welchem der zur Entschädigung verpflichtete die Aufhebung


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[0528] Politische Briefe, immer rechnen können, selbst im Gegensatz zik einem Papste, der etwa eine große Politik der Curie ans ein lange dauerndes Einvernehmen mit dem deutschen Kaiserthum gebaut hätte. Wie dieser schon lauge nicht mehr verborgne, aber jetzt plötzlich grell er¬ leuchtete Gegensatz innerhalb des Centrums auf die Politik des Reichskanzlers gegenüber der Curie einwirken wird, darüber wagen wir keine Vermuthung, Jene Diagnose kann ebensowohl den Frieden mit Rom beschleunige», als ein unbesieg- liches Hinderniß desselben bilden; sie kann ebensowohl dazu führen, die Sprengung des Centrums zur abzuwartenden Voraussetzung des Friedens zu machen, als zu der in Aussicht gcuommuen Folge, Mit Rom kann ein Friede möglich werden, mit denk Centrum niemals, weil die zahlreichern Bestandtheile desselben aus den jesuitisch geschulten Truppen der reichsfeindlichen Demokratie bestehen. Auch diese Erkenntniß hat die Verhandlung des Unfallgesetzes zwar nicht zum erstenmal all deu Tag gefördert, aber in ein solches Licht gestellt, daß sie nicht wieder verdunkelt werden kann. Werfen wir noch einen Blick auf das Verhalten der liberalen Gruppen zum Unfallversichernngsgesetz. Die Fortschrittspartei hatte schon sür die zweite Be¬ rathung einen eignen Gesetzentwurf dem der Negicruugsvorlage gegenübergestellt. Der fortschrittliche Entwurf wollte sich als Erweiterung des jetzt bestehenden Haftpflichtgesetzes geben, in der That entnahm auch er seine Grundgedanken aus der Regierungsvorlage. Ausgenommen war in den fortschrittlichen Entwurf vor allem der von der Regierung aufgestellte Grundsatz der Entschädigungspflicht für alle Unfälle, die nicht vou dem Verunglückten absichtlich herbeigeführt worden sind; aufgenommen war ferner die Zwangspflicht der Unternehmer, ihre Arbeiter zu versichern, und zwar stellte die Fortschrittspartei den später in den Ver¬ mittlungsantrag der dritten Lesung zur Annahme gelangten Grundsatz auf, daß die Versicherungslast von den Unternehmern allem zu tragen sei. Damit fiel sowohl der Staatszuschuß als der Beitrag der Arbeiter weg. Auch wollte die Fortschrittspartei schon die Arbeiter bis zur Lohnhöhe von 2000 Mark in die alleinige Versicherung durch die Unternehmer aufnehmen. Diesen arbeiterfreiuidlichcn Bestimmungen standen aber andre gegenüber, welche die Wohlthat des Gesetzes für die Arbeiter illusorisch gemacht haben würden. Der Entwurf enthielt zwar die Vor¬ schrift, daß dem Arbeiter für die Leistung der Entschädigung eine Sicherheit bestellt werdeu müsse, aber diese brauchte in nichts zu bestehen, als in der Versicherung im einer Privatgesellschaft oder auch in einer sogenannten Selbstversicherung. Folge¬ richtig waren alle Streitigkeiten über den Schaden der Verunglückten und über das Maß der Entschädigung auf den Rechtsweg verwiesen. Zum Ueberfluß gab es »och einen Paragraphen, nach welchem der zur Entschädigung verpflichtete die Aufhebung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/528>, abgerufen am 23.07.2024.