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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Literatur.

hinzudeuten, wie sie sich mich an dem allznfesteu Kleben an der Wirklichkeit nusspricht.
Sie kommt aber schließlich auch in der Sprache des Romans zum Ausdruck, denn
mich hier begegnet uns häufig die Sprache des gemeinen Lebens, über die wir doch
im Reiche der Poesie uus zu erheben wünschen.


Die Sonntage der Baronin. Novellen von Fritz Mauthner. Zürich, Cäsar
Schmidt, 1881.

Eine Art von Decamerone, eine Sammlung von vier Novellen und einigen
Gedichten, aufgereiht am Falten eiuer fünfte" Novelle. Eine Baronin mit eiuer
halben Null von Gemahl, die von dem Ehrgeiz besessen ist, in der literarischen
Welt eine Rolle als ckame mltronsWv zu spielen, versammelt Sonntags im Seebad
eine Anzahl schriftstcllernder Herren um sich und setzt einen Preis für die beste
Novelle aus. Unter den Novellen, die in Concurrenz treten: "Um die schwarze
Eiche", "Zwei Sommer in Reiuerz", "Ein Vertheidiger" und "Der goldene Fiedel¬
bogen", erhält schließlich keine den Preis. Eine Preisvertheilung ist immer ein
kitzliches Ding. Selbst die Entscheidungen der Jurys bleiben in der Regel uicht
unangefochten; wenn aber vollends ein einzelner Mensch richtet, so spielen Persön¬
liche Neigung und Abneigung eine große Rolle. Der Dichter thut also weise, der
Entscheidung nus dem Wege zu gehn, die freilich mit jeder Novelle immer schwieriger
wird. Unserm Geschmacke würde die erste oder zweite immer noch eher zusagen;
schon die dritte krankt an einer guten Dosis Geschraubtheit, und die letzte poltert?
ist in ihrer gesuchten Absonderlichkeit sehr wenig ansprechend. So hilft sich denn die
Baronin, indem sie den geheimnisvollen Preis (er schmeckt etwas nach proveu<'alische>u
Liebeshvf) einem jungen Lieutenant für eine "unter vier Augen" vorgetrngue
Dichtung zuerkennt. Die umrahmende Novelle hat -- abgesehn von der rührenden
Episode des ertrinkenden Mädchens -- ihren Hauptreiz in den eingeflochlnen Ge¬
sprächen über Art und Stellung der Literatur und der Schriftsteller in der Gegen¬
wart, und hier findet sich manche treffende Bemerkung, manches Schlaglicht fällt
ans unsere literarischen Zustände. Aber der Zusammenhang, die innere Verbindung
zwischen dem Rahmen und dem, was er umschließt, ist doch gar zu lose und zu
wenig motivirt.





In der im 12. Hefte der "Grenzboten" veröffentlichten Besprechung von Heinrich Schlie-
mcnms neuestem Werke "Ilios" heißt es unter ander,": "So weitschweifig und ermüdend
kann nur einer schreiben, der seine Bücher auf eigne Kosten drucken läßt und dabei mit
seinem Gelde nicht zu sparen braucht." Den, gegemwer theilt uus soeben der Verleger (F. A.
Brockhaus in Leipzig) mit, daß "die in seinem Verlage erschienenen deutschen Ausgaben des
in Rede stehenden Schliemannschcn Wertes: ,Ilios, Stadt und Land der Trojaner' sowie
seines frühern Werkes: Mvkenae' nicht auf Kosten deS Verfassers, sondern auf seine
(des Verlegers) Kosten und unter Gewährung eine? ansehnlichen Honorars gedruckt
D. Red. worden sind."




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marguarl in Rendnip Leipzig.
Literatur.

hinzudeuten, wie sie sich mich an dem allznfesteu Kleben an der Wirklichkeit nusspricht.
Sie kommt aber schließlich auch in der Sprache des Romans zum Ausdruck, denn
mich hier begegnet uns häufig die Sprache des gemeinen Lebens, über die wir doch
im Reiche der Poesie uus zu erheben wünschen.


Die Sonntage der Baronin. Novellen von Fritz Mauthner. Zürich, Cäsar
Schmidt, 1881.

Eine Art von Decamerone, eine Sammlung von vier Novellen und einigen
Gedichten, aufgereiht am Falten eiuer fünfte» Novelle. Eine Baronin mit eiuer
halben Null von Gemahl, die von dem Ehrgeiz besessen ist, in der literarischen
Welt eine Rolle als ckame mltronsWv zu spielen, versammelt Sonntags im Seebad
eine Anzahl schriftstcllernder Herren um sich und setzt einen Preis für die beste
Novelle aus. Unter den Novellen, die in Concurrenz treten: „Um die schwarze
Eiche", „Zwei Sommer in Reiuerz", „Ein Vertheidiger" und „Der goldene Fiedel¬
bogen", erhält schließlich keine den Preis. Eine Preisvertheilung ist immer ein
kitzliches Ding. Selbst die Entscheidungen der Jurys bleiben in der Regel uicht
unangefochten; wenn aber vollends ein einzelner Mensch richtet, so spielen Persön¬
liche Neigung und Abneigung eine große Rolle. Der Dichter thut also weise, der
Entscheidung nus dem Wege zu gehn, die freilich mit jeder Novelle immer schwieriger
wird. Unserm Geschmacke würde die erste oder zweite immer noch eher zusagen;
schon die dritte krankt an einer guten Dosis Geschraubtheit, und die letzte poltert?
ist in ihrer gesuchten Absonderlichkeit sehr wenig ansprechend. So hilft sich denn die
Baronin, indem sie den geheimnisvollen Preis (er schmeckt etwas nach proveu<'alische>u
Liebeshvf) einem jungen Lieutenant für eine „unter vier Augen" vorgetrngue
Dichtung zuerkennt. Die umrahmende Novelle hat — abgesehn von der rührenden
Episode des ertrinkenden Mädchens — ihren Hauptreiz in den eingeflochlnen Ge¬
sprächen über Art und Stellung der Literatur und der Schriftsteller in der Gegen¬
wart, und hier findet sich manche treffende Bemerkung, manches Schlaglicht fällt
ans unsere literarischen Zustände. Aber der Zusammenhang, die innere Verbindung
zwischen dem Rahmen und dem, was er umschließt, ist doch gar zu lose und zu
wenig motivirt.





In der im 12. Hefte der „Grenzboten" veröffentlichten Besprechung von Heinrich Schlie-
mcnms neuestem Werke „Ilios" heißt es unter ander,»: „So weitschweifig und ermüdend
kann nur einer schreiben, der seine Bücher auf eigne Kosten drucken läßt und dabei mit
seinem Gelde nicht zu sparen braucht." Den, gegemwer theilt uus soeben der Verleger (F. A.
Brockhaus in Leipzig) mit, daß „die in seinem Verlage erschienenen deutschen Ausgaben des
in Rede stehenden Schliemannschcn Wertes: ,Ilios, Stadt und Land der Trojaner' sowie
seines frühern Werkes: Mvkenae' nicht auf Kosten deS Verfassers, sondern auf seine
(des Verlegers) Kosten und unter Gewährung eine? ansehnlichen Honorars gedruckt
D. Red. worden sind."




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marguarl in Rendnip Leipzig.
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[0052] Literatur. hinzudeuten, wie sie sich mich an dem allznfesteu Kleben an der Wirklichkeit nusspricht. Sie kommt aber schließlich auch in der Sprache des Romans zum Ausdruck, denn mich hier begegnet uns häufig die Sprache des gemeinen Lebens, über die wir doch im Reiche der Poesie uus zu erheben wünschen. Die Sonntage der Baronin. Novellen von Fritz Mauthner. Zürich, Cäsar Schmidt, 1881. Eine Art von Decamerone, eine Sammlung von vier Novellen und einigen Gedichten, aufgereiht am Falten eiuer fünfte» Novelle. Eine Baronin mit eiuer halben Null von Gemahl, die von dem Ehrgeiz besessen ist, in der literarischen Welt eine Rolle als ckame mltronsWv zu spielen, versammelt Sonntags im Seebad eine Anzahl schriftstcllernder Herren um sich und setzt einen Preis für die beste Novelle aus. Unter den Novellen, die in Concurrenz treten: „Um die schwarze Eiche", „Zwei Sommer in Reiuerz", „Ein Vertheidiger" und „Der goldene Fiedel¬ bogen", erhält schließlich keine den Preis. Eine Preisvertheilung ist immer ein kitzliches Ding. Selbst die Entscheidungen der Jurys bleiben in der Regel uicht unangefochten; wenn aber vollends ein einzelner Mensch richtet, so spielen Persön¬ liche Neigung und Abneigung eine große Rolle. Der Dichter thut also weise, der Entscheidung nus dem Wege zu gehn, die freilich mit jeder Novelle immer schwieriger wird. Unserm Geschmacke würde die erste oder zweite immer noch eher zusagen; schon die dritte krankt an einer guten Dosis Geschraubtheit, und die letzte poltert? ist in ihrer gesuchten Absonderlichkeit sehr wenig ansprechend. So hilft sich denn die Baronin, indem sie den geheimnisvollen Preis (er schmeckt etwas nach proveu<'alische>u Liebeshvf) einem jungen Lieutenant für eine „unter vier Augen" vorgetrngue Dichtung zuerkennt. Die umrahmende Novelle hat — abgesehn von der rührenden Episode des ertrinkenden Mädchens — ihren Hauptreiz in den eingeflochlnen Ge¬ sprächen über Art und Stellung der Literatur und der Schriftsteller in der Gegen¬ wart, und hier findet sich manche treffende Bemerkung, manches Schlaglicht fällt ans unsere literarischen Zustände. Aber der Zusammenhang, die innere Verbindung zwischen dem Rahmen und dem, was er umschließt, ist doch gar zu lose und zu wenig motivirt. In der im 12. Hefte der „Grenzboten" veröffentlichten Besprechung von Heinrich Schlie- mcnms neuestem Werke „Ilios" heißt es unter ander,»: „So weitschweifig und ermüdend kann nur einer schreiben, der seine Bücher auf eigne Kosten drucken läßt und dabei mit seinem Gelde nicht zu sparen braucht." Den, gegemwer theilt uus soeben der Verleger (F. A. Brockhaus in Leipzig) mit, daß „die in seinem Verlage erschienenen deutschen Ausgaben des in Rede stehenden Schliemannschcn Wertes: ,Ilios, Stadt und Land der Trojaner' sowie seines frühern Werkes: Mvkenae' nicht auf Kosten deS Verfassers, sondern auf seine (des Verlegers) Kosten und unter Gewährung eine? ansehnlichen Honorars gedruckt D. Red. worden sind." Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marguarl in Rendnip Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/52>, abgerufen am 01.07.2024.