Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur landwirthschaftlichen Zollfrage.

machen. Dabei können jeduch besondre Umstünde, die Gewohnheit des Produ¬
centen, gewisse Erzeugnisse zu einer bestimmten Jahreszeit auf den Markt zu
werfen, oder die irgendwie eingetretne Nothwendigkeit, die Waare plötzlich los¬
zuschlagen, den Marktpreis der zollpflichtigen Waaren im einzelnen Falle sehr
wohl ähnlich gestalten, wie es freie Concurrenz gethan haben würde, und so
doch zeitweise einen Theil der Zolllast auf deu importirenden Ausländer wälzen.
So würde z. B., wenn die russischen Küsten blokirt wären und Oesterreich dem
russischen Handel seine Grenzen verschlossen hätte, der russische Producent un¬
zweifelhaft den deutschen Getreidezoll bezahlen müssen. Unter ähnlichen Ein¬
flüssen kann auch die Preisbewegung einen derartigen Verlauf nehmen, daß dem
Händler ein von ihm bereits ausgelegter Zoll nicht erstattet wird.

Der Leser wird aus den bisherigen Ausführungen leicht das Gesetz erkennen,
welches die Wirkungen der landwirthschaftlichen Zölle regulirt. Worauf es an¬
kommt, ist das Uebergewicht im Kampfe der Betheiligten zwischen Angebot und
Nachfrage, wobei namentlich die Möglichkeit, für die zollpflichtigen Producte
einen andern Markt zu finden, eine Rolle spielt. Günstigere Situation und
größere Geschicklichkeit in diesem Kampfe sind entscheidend sowohl für die Fest¬
stellung des Preises, wie dafür, ob der Producent, der Consumcnt oder der
Zwischenhändler die Last des Zolles zu tragen hat. Ob die inländischen Pro¬
ducenten durch den Zoll begünstigt werden, hängt davon ab, ob das Centrum
des Thünenschen Systems, dem sie angehören, sich im Inlande oder im Aus¬
lande befindet. Im erstem Falle kommt ihnen eine eventuelle Erhöhung des
Marktpreises durch den Zoll zu gute, im zweiten nur dann, wenn dieselbe so
hoch ist, daß sie sich veranlaßt sehen, ihr wirtschaftliches Centrum nunmehr im
Inlande zu suchen.

Die vorstehend entwickelten Sätze auf unsre heimischen Verhältnisse anzu¬
wenden, unterlassen wir. Die landlvirthschaftliche Zvllfrage würde nicht für
Deutschland als eine wirthschaftliche Einheit, sondern für jedes der zahlreichen
"Thünenschen Systeme," welche von den deutschen Grenzen geschaffen werden,
besonders gestellt und beantwortet werden müssen. Uns soll es genügen, wenn
wir es dem Leser einigermaßen erleichtert haben, die Antwort im einzelnen Falle
selbst zu finden.


G. L>


Zur landwirthschaftlichen Zollfrage.

machen. Dabei können jeduch besondre Umstünde, die Gewohnheit des Produ¬
centen, gewisse Erzeugnisse zu einer bestimmten Jahreszeit auf den Markt zu
werfen, oder die irgendwie eingetretne Nothwendigkeit, die Waare plötzlich los¬
zuschlagen, den Marktpreis der zollpflichtigen Waaren im einzelnen Falle sehr
wohl ähnlich gestalten, wie es freie Concurrenz gethan haben würde, und so
doch zeitweise einen Theil der Zolllast auf deu importirenden Ausländer wälzen.
So würde z. B., wenn die russischen Küsten blokirt wären und Oesterreich dem
russischen Handel seine Grenzen verschlossen hätte, der russische Producent un¬
zweifelhaft den deutschen Getreidezoll bezahlen müssen. Unter ähnlichen Ein¬
flüssen kann auch die Preisbewegung einen derartigen Verlauf nehmen, daß dem
Händler ein von ihm bereits ausgelegter Zoll nicht erstattet wird.

Der Leser wird aus den bisherigen Ausführungen leicht das Gesetz erkennen,
welches die Wirkungen der landwirthschaftlichen Zölle regulirt. Worauf es an¬
kommt, ist das Uebergewicht im Kampfe der Betheiligten zwischen Angebot und
Nachfrage, wobei namentlich die Möglichkeit, für die zollpflichtigen Producte
einen andern Markt zu finden, eine Rolle spielt. Günstigere Situation und
größere Geschicklichkeit in diesem Kampfe sind entscheidend sowohl für die Fest¬
stellung des Preises, wie dafür, ob der Producent, der Consumcnt oder der
Zwischenhändler die Last des Zolles zu tragen hat. Ob die inländischen Pro¬
ducenten durch den Zoll begünstigt werden, hängt davon ab, ob das Centrum
des Thünenschen Systems, dem sie angehören, sich im Inlande oder im Aus¬
lande befindet. Im erstem Falle kommt ihnen eine eventuelle Erhöhung des
Marktpreises durch den Zoll zu gute, im zweiten nur dann, wenn dieselbe so
hoch ist, daß sie sich veranlaßt sehen, ihr wirtschaftliches Centrum nunmehr im
Inlande zu suchen.

Die vorstehend entwickelten Sätze auf unsre heimischen Verhältnisse anzu¬
wenden, unterlassen wir. Die landlvirthschaftliche Zvllfrage würde nicht für
Deutschland als eine wirthschaftliche Einheit, sondern für jedes der zahlreichen
„Thünenschen Systeme," welche von den deutschen Grenzen geschaffen werden,
besonders gestellt und beantwortet werden müssen. Uns soll es genügen, wenn
wir es dem Leser einigermaßen erleichtert haben, die Antwort im einzelnen Falle
selbst zu finden.


G. L>


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150036"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur landwirthschaftlichen Zollfrage.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1541" prev="#ID_1540"> machen. Dabei können jeduch besondre Umstünde, die Gewohnheit des Produ¬<lb/>
centen, gewisse Erzeugnisse zu einer bestimmten Jahreszeit auf den Markt zu<lb/>
werfen, oder die irgendwie eingetretne Nothwendigkeit, die Waare plötzlich los¬<lb/>
zuschlagen, den Marktpreis der zollpflichtigen Waaren im einzelnen Falle sehr<lb/>
wohl ähnlich gestalten, wie es freie Concurrenz gethan haben würde, und so<lb/>
doch zeitweise einen Theil der Zolllast auf deu importirenden Ausländer wälzen.<lb/>
So würde z. B., wenn die russischen Küsten blokirt wären und Oesterreich dem<lb/>
russischen Handel seine Grenzen verschlossen hätte, der russische Producent un¬<lb/>
zweifelhaft den deutschen Getreidezoll bezahlen müssen. Unter ähnlichen Ein¬<lb/>
flüssen kann auch die Preisbewegung einen derartigen Verlauf nehmen, daß dem<lb/>
Händler ein von ihm bereits ausgelegter Zoll nicht erstattet wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1542"> Der Leser wird aus den bisherigen Ausführungen leicht das Gesetz erkennen,<lb/>
welches die Wirkungen der landwirthschaftlichen Zölle regulirt. Worauf es an¬<lb/>
kommt, ist das Uebergewicht im Kampfe der Betheiligten zwischen Angebot und<lb/>
Nachfrage, wobei namentlich die Möglichkeit, für die zollpflichtigen Producte<lb/>
einen andern Markt zu finden, eine Rolle spielt. Günstigere Situation und<lb/>
größere Geschicklichkeit in diesem Kampfe sind entscheidend sowohl für die Fest¬<lb/>
stellung des Preises, wie dafür, ob der Producent, der Consumcnt oder der<lb/>
Zwischenhändler die Last des Zolles zu tragen hat. Ob die inländischen Pro¬<lb/>
ducenten durch den Zoll begünstigt werden, hängt davon ab, ob das Centrum<lb/>
des Thünenschen Systems, dem sie angehören, sich im Inlande oder im Aus¬<lb/>
lande befindet. Im erstem Falle kommt ihnen eine eventuelle Erhöhung des<lb/>
Marktpreises durch den Zoll zu gute, im zweiten nur dann, wenn dieselbe so<lb/>
hoch ist, daß sie sich veranlaßt sehen, ihr wirtschaftliches Centrum nunmehr im<lb/>
Inlande zu suchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1543"> Die vorstehend entwickelten Sätze auf unsre heimischen Verhältnisse anzu¬<lb/>
wenden, unterlassen wir. Die landlvirthschaftliche Zvllfrage würde nicht für<lb/>
Deutschland als eine wirthschaftliche Einheit, sondern für jedes der zahlreichen<lb/>
&#x201E;Thünenschen Systeme," welche von den deutschen Grenzen geschaffen werden,<lb/>
besonders gestellt und beantwortet werden müssen. Uns soll es genügen, wenn<lb/>
wir es dem Leser einigermaßen erleichtert haben, die Antwort im einzelnen Falle<lb/>
selbst zu finden.</p><lb/>
          <note type="byline"> G. L&gt;</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0464] Zur landwirthschaftlichen Zollfrage. machen. Dabei können jeduch besondre Umstünde, die Gewohnheit des Produ¬ centen, gewisse Erzeugnisse zu einer bestimmten Jahreszeit auf den Markt zu werfen, oder die irgendwie eingetretne Nothwendigkeit, die Waare plötzlich los¬ zuschlagen, den Marktpreis der zollpflichtigen Waaren im einzelnen Falle sehr wohl ähnlich gestalten, wie es freie Concurrenz gethan haben würde, und so doch zeitweise einen Theil der Zolllast auf deu importirenden Ausländer wälzen. So würde z. B., wenn die russischen Küsten blokirt wären und Oesterreich dem russischen Handel seine Grenzen verschlossen hätte, der russische Producent un¬ zweifelhaft den deutschen Getreidezoll bezahlen müssen. Unter ähnlichen Ein¬ flüssen kann auch die Preisbewegung einen derartigen Verlauf nehmen, daß dem Händler ein von ihm bereits ausgelegter Zoll nicht erstattet wird. Der Leser wird aus den bisherigen Ausführungen leicht das Gesetz erkennen, welches die Wirkungen der landwirthschaftlichen Zölle regulirt. Worauf es an¬ kommt, ist das Uebergewicht im Kampfe der Betheiligten zwischen Angebot und Nachfrage, wobei namentlich die Möglichkeit, für die zollpflichtigen Producte einen andern Markt zu finden, eine Rolle spielt. Günstigere Situation und größere Geschicklichkeit in diesem Kampfe sind entscheidend sowohl für die Fest¬ stellung des Preises, wie dafür, ob der Producent, der Consumcnt oder der Zwischenhändler die Last des Zolles zu tragen hat. Ob die inländischen Pro¬ ducenten durch den Zoll begünstigt werden, hängt davon ab, ob das Centrum des Thünenschen Systems, dem sie angehören, sich im Inlande oder im Aus¬ lande befindet. Im erstem Falle kommt ihnen eine eventuelle Erhöhung des Marktpreises durch den Zoll zu gute, im zweiten nur dann, wenn dieselbe so hoch ist, daß sie sich veranlaßt sehen, ihr wirtschaftliches Centrum nunmehr im Inlande zu suchen. Die vorstehend entwickelten Sätze auf unsre heimischen Verhältnisse anzu¬ wenden, unterlassen wir. Die landlvirthschaftliche Zvllfrage würde nicht für Deutschland als eine wirthschaftliche Einheit, sondern für jedes der zahlreichen „Thünenschen Systeme," welche von den deutschen Grenzen geschaffen werden, besonders gestellt und beantwortet werden müssen. Uns soll es genügen, wenn wir es dem Leser einigermaßen erleichtert haben, die Antwort im einzelnen Falle selbst zu finden. G. L>

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/464
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/464>, abgerufen am 23.07.2024.