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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zur landwirthschaftlichen Zollfrage.

es der erstem auch unbenommen bleiben, Standbilder und Büsten Wagners, der
letztern, Porträts des Meisters anzufertigen. Es wäre undankbar, wenn Lenbach
und Hubert Herkomer, diese Wagnermaler "zxosllsnos, keinen Platz in dieser
Kiinstlerrepnblik der Zukunft fänden. Fraglich dagegen dürfte es sein, ob Gustav
Richter als der Schwiegersohn Meyerbeers zur Anfertigung von Coulissen zu¬
gelassen werden wird. Vielleicht wird man sich noch besinnen und Gnade für
Recht ergehe" lassen.




Zur landwirtschaftlichen Zollfrage.

elbst unter Nichtinteressenten läßt die Frage nach den Wirkungen
der landwirtschaftlichen Zolle noch immer die widersprechendsten
Ansichten laut werden. Eins ist jedem klar: Den Zoll einer bloß
durchgehenden Waare trägt der Kaufmann, wenn sein Geschäfts¬
gewinn es gestattet und der Transit sonst andre Wege einschlage"
würde, andernfalls stets das Ausland, niemals aber der inländische Consmnent.
Gegenstand der eifrigsten Discussion ist aber bisher die Frage geblieben, ob und
u"ter welchen Umstünden beim Jmporthandcl der Zoll vom Inlande oder von
Auslande, von den Producenten oder von den Consumenten, von dem Importeur
oder sonst jemand getragen wird. Da hören wir, wie die eine Partei gern als
ein Postulat der Logik hinstellen möchte, was die andre als "graue Theorie"
bezeichnet, bis die Streitenden sich schließlich unter der bekannten Devise "Zahlen
lügen nicht" mit einer solchen Fülle statistischen Beweismaterials überschütten,
daß dem Zuhörer davon Hören und Sehen vergeht. Dabei kommt der Streit
in der Regel darauf hinaus, daß die Parteien sich nicht klar machen, inwiefern
ihre aus besondern Verhältnissen ganz richtig abgeleiteten Resultate A"syr"es
auf allgemeine Giltigkeit haben. Muß aber zugegeben werden, daß der einzelne
Fall bald dem einen, bald dem andern Recht zu geben scheint, so wird der Leser
vielleicht gerne mit uns den Versuch machen, in Kürze die Grundsätze zusammen¬
zufassen, von welchen diese scheinbar so widerspruchsvolle Mannichfaltigkeit der
realen Erscheinungen beherrscht wird.

Denken wir uns mit dem bekannten mecklenburgische" Land- und Volks¬
wirt!) Johann Heinrich v. Thüren (Der isolirte Staat in Beziehung auf Land¬
wirthschaft und Nationalökonomie, 1850) einen vollständig isolirten Staat, be¬
stehend aus eine Ebne von überall gleichem Boden und Klima und einer einzigen,
im Mittelpunkt derselben gelegnen Stadt als dem Vereinigungspunkte sämmtlicher


Grenzboten II. 1881. 58
Zur landwirthschaftlichen Zollfrage.

es der erstem auch unbenommen bleiben, Standbilder und Büsten Wagners, der
letztern, Porträts des Meisters anzufertigen. Es wäre undankbar, wenn Lenbach
und Hubert Herkomer, diese Wagnermaler «zxosllsnos, keinen Platz in dieser
Kiinstlerrepnblik der Zukunft fänden. Fraglich dagegen dürfte es sein, ob Gustav
Richter als der Schwiegersohn Meyerbeers zur Anfertigung von Coulissen zu¬
gelassen werden wird. Vielleicht wird man sich noch besinnen und Gnade für
Recht ergehe» lassen.




Zur landwirtschaftlichen Zollfrage.

elbst unter Nichtinteressenten läßt die Frage nach den Wirkungen
der landwirtschaftlichen Zolle noch immer die widersprechendsten
Ansichten laut werden. Eins ist jedem klar: Den Zoll einer bloß
durchgehenden Waare trägt der Kaufmann, wenn sein Geschäfts¬
gewinn es gestattet und der Transit sonst andre Wege einschlage»
würde, andernfalls stets das Ausland, niemals aber der inländische Consmnent.
Gegenstand der eifrigsten Discussion ist aber bisher die Frage geblieben, ob und
u»ter welchen Umstünden beim Jmporthandcl der Zoll vom Inlande oder von
Auslande, von den Producenten oder von den Consumenten, von dem Importeur
oder sonst jemand getragen wird. Da hören wir, wie die eine Partei gern als
ein Postulat der Logik hinstellen möchte, was die andre als „graue Theorie"
bezeichnet, bis die Streitenden sich schließlich unter der bekannten Devise „Zahlen
lügen nicht" mit einer solchen Fülle statistischen Beweismaterials überschütten,
daß dem Zuhörer davon Hören und Sehen vergeht. Dabei kommt der Streit
in der Regel darauf hinaus, daß die Parteien sich nicht klar machen, inwiefern
ihre aus besondern Verhältnissen ganz richtig abgeleiteten Resultate A»syr»es
auf allgemeine Giltigkeit haben. Muß aber zugegeben werden, daß der einzelne
Fall bald dem einen, bald dem andern Recht zu geben scheint, so wird der Leser
vielleicht gerne mit uns den Versuch machen, in Kürze die Grundsätze zusammen¬
zufassen, von welchen diese scheinbar so widerspruchsvolle Mannichfaltigkeit der
realen Erscheinungen beherrscht wird.

Denken wir uns mit dem bekannten mecklenburgische» Land- und Volks¬
wirt!) Johann Heinrich v. Thüren (Der isolirte Staat in Beziehung auf Land¬
wirthschaft und Nationalökonomie, 1850) einen vollständig isolirten Staat, be¬
stehend aus eine Ebne von überall gleichem Boden und Klima und einer einzigen,
im Mittelpunkt derselben gelegnen Stadt als dem Vereinigungspunkte sämmtlicher


Grenzboten II. 1881. 58
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[0461] Zur landwirthschaftlichen Zollfrage. es der erstem auch unbenommen bleiben, Standbilder und Büsten Wagners, der letztern, Porträts des Meisters anzufertigen. Es wäre undankbar, wenn Lenbach und Hubert Herkomer, diese Wagnermaler «zxosllsnos, keinen Platz in dieser Kiinstlerrepnblik der Zukunft fänden. Fraglich dagegen dürfte es sein, ob Gustav Richter als der Schwiegersohn Meyerbeers zur Anfertigung von Coulissen zu¬ gelassen werden wird. Vielleicht wird man sich noch besinnen und Gnade für Recht ergehe» lassen. Zur landwirtschaftlichen Zollfrage. elbst unter Nichtinteressenten läßt die Frage nach den Wirkungen der landwirtschaftlichen Zolle noch immer die widersprechendsten Ansichten laut werden. Eins ist jedem klar: Den Zoll einer bloß durchgehenden Waare trägt der Kaufmann, wenn sein Geschäfts¬ gewinn es gestattet und der Transit sonst andre Wege einschlage» würde, andernfalls stets das Ausland, niemals aber der inländische Consmnent. Gegenstand der eifrigsten Discussion ist aber bisher die Frage geblieben, ob und u»ter welchen Umstünden beim Jmporthandcl der Zoll vom Inlande oder von Auslande, von den Producenten oder von den Consumenten, von dem Importeur oder sonst jemand getragen wird. Da hören wir, wie die eine Partei gern als ein Postulat der Logik hinstellen möchte, was die andre als „graue Theorie" bezeichnet, bis die Streitenden sich schließlich unter der bekannten Devise „Zahlen lügen nicht" mit einer solchen Fülle statistischen Beweismaterials überschütten, daß dem Zuhörer davon Hören und Sehen vergeht. Dabei kommt der Streit in der Regel darauf hinaus, daß die Parteien sich nicht klar machen, inwiefern ihre aus besondern Verhältnissen ganz richtig abgeleiteten Resultate A»syr»es auf allgemeine Giltigkeit haben. Muß aber zugegeben werden, daß der einzelne Fall bald dem einen, bald dem andern Recht zu geben scheint, so wird der Leser vielleicht gerne mit uns den Versuch machen, in Kürze die Grundsätze zusammen¬ zufassen, von welchen diese scheinbar so widerspruchsvolle Mannichfaltigkeit der realen Erscheinungen beherrscht wird. Denken wir uns mit dem bekannten mecklenburgische» Land- und Volks¬ wirt!) Johann Heinrich v. Thüren (Der isolirte Staat in Beziehung auf Land¬ wirthschaft und Nationalökonomie, 1850) einen vollständig isolirten Staat, be¬ stehend aus eine Ebne von überall gleichem Boden und Klima und einer einzigen, im Mittelpunkt derselben gelegnen Stadt als dem Vereinigungspunkte sämmtlicher Grenzboten II. 1881. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/461>, abgerufen am 23.07.2024.