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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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<8leim an Lertuch,

sollen. Das thut mir leid! Ihr Vater war mein Freund und ein sehr braver
Mann, er half den deutschen Musen auf, seine Söhne scheinen was er baute, nieder¬
reißen zu wollen. Wir wollen sie machen lassen!

Wir leben einmal nur in diesem Erde-Leben;
In diesem Einen sich mit Buben abzugeben
Und ihnen gleich zu gehn auf unsrer Lebensbahn
Das wäre nicht recht wohlgethan!
Deswegen wollen wir, wo sich die Wege scheiden,
Hingehn aus unsern grünen Plan
Zu unsern Grazien und unsern kleinen Freuden
Und alle bösen Buben meiden,
Das ist recht wohlgethan!

Hat uicht einer von denen, die die Xenien witzelten, Ihnen die Fenster eingcschmißen?
Was anders kann man von ihren Vertheidigern erwarten, also wollen wir uns mit
ihnen nicht abgeben. , .

seyen Sie Beförderer des Guten und Nützlichen, lieber aller Freund, aber
kehren Sie zu den Musen zurück, wir leben nnr einmal, und am beseelt bey ihnen
und lassen Sie sich von Lotterbuben nicht irre machen. Darum bittet Sie Ihr Freund


der uralte Gleim.

Zur Erklärung der Briefe brauche ich nicht viel zu sagen. Der in Nummer 1
erwähnte Karl Friedrich Cramer (der auch in Nummer ö vorkommt), der Sohn
des durch Lessings Literaturbriefe zu trauriger Unsterblichkeit gelangten Johann
Andr. Cramer, war damals ein junger und wurde später ein alter Vielschreiber,
der aber doch wegen einer gewissen Kühnheit in seinem literarischen Auftreten,
wegen seiner unerschrocknen Vertheidigung einmal angenommner politischer Grund¬
sätze, wegen seiner nicht unglücklichen Begabung für Vers und Prosa eine aus¬
führlichere Würdigung verdiente, als ihm bisher zu Theil geworden ist. Nummer 2
bezieht sich auf den Angriff, ein Moment in dem von verschiednen Seiten aber
mit gleichen Waffen geführten Kampfe der jungen Generation gegen Wieland,
welcher im Musenalmanach von 1774 stand und in bezug auf welchen Boie die
schwächliche Erklärung erließ, die, nach einer Abschrift, gleichfalls von Pröhle
abgedruckt worden (Grenzboten Ur. 11). Spalding, der gleichfalls in den beiden
ersten Briefen erwähnt wird, der berühmte Berliner Aufklärungsthevloge, bleibt
in der Achtung derer, die für die Culturbestrebungen jener Zeit offnen Sinn
haben, stehn, obgleich er nach Gleims Meinung "tief in den Abgrund der Hölle"
gestürzt ist, vermuthlich weil er einmal die Antwort auf einen Brief schuldig ge¬
blieben war oder ein ihm ertheiltes Lob nicht mit vollwichtiger Münze erwidert
hatte. Der "Tempel der Freundschaft," in dem Spalding mit schwarzen Buch¬
staben angeschrieben zu werden verdiente, ist nicht figürliche Ausdrucksweise, sondern
bedeutet das Tempelchen oder Hüttchen, in welchem Gleim sich mit den Bildern
seiner Freunde umgab und als Hoherpriester der Freundschaft waltete. Nummer 3
und 4 sind charakteristisch für den stets Pläne machenden, mit seiner Stellung


<8leim an Lertuch,

sollen. Das thut mir leid! Ihr Vater war mein Freund und ein sehr braver
Mann, er half den deutschen Musen auf, seine Söhne scheinen was er baute, nieder¬
reißen zu wollen. Wir wollen sie machen lassen!

Wir leben einmal nur in diesem Erde-Leben;
In diesem Einen sich mit Buben abzugeben
Und ihnen gleich zu gehn auf unsrer Lebensbahn
Das wäre nicht recht wohlgethan!
Deswegen wollen wir, wo sich die Wege scheiden,
Hingehn aus unsern grünen Plan
Zu unsern Grazien und unsern kleinen Freuden
Und alle bösen Buben meiden,
Das ist recht wohlgethan!

Hat uicht einer von denen, die die Xenien witzelten, Ihnen die Fenster eingcschmißen?
Was anders kann man von ihren Vertheidigern erwarten, also wollen wir uns mit
ihnen nicht abgeben. , .

seyen Sie Beförderer des Guten und Nützlichen, lieber aller Freund, aber
kehren Sie zu den Musen zurück, wir leben nnr einmal, und am beseelt bey ihnen
und lassen Sie sich von Lotterbuben nicht irre machen. Darum bittet Sie Ihr Freund


der uralte Gleim.

Zur Erklärung der Briefe brauche ich nicht viel zu sagen. Der in Nummer 1
erwähnte Karl Friedrich Cramer (der auch in Nummer ö vorkommt), der Sohn
des durch Lessings Literaturbriefe zu trauriger Unsterblichkeit gelangten Johann
Andr. Cramer, war damals ein junger und wurde später ein alter Vielschreiber,
der aber doch wegen einer gewissen Kühnheit in seinem literarischen Auftreten,
wegen seiner unerschrocknen Vertheidigung einmal angenommner politischer Grund¬
sätze, wegen seiner nicht unglücklichen Begabung für Vers und Prosa eine aus¬
führlichere Würdigung verdiente, als ihm bisher zu Theil geworden ist. Nummer 2
bezieht sich auf den Angriff, ein Moment in dem von verschiednen Seiten aber
mit gleichen Waffen geführten Kampfe der jungen Generation gegen Wieland,
welcher im Musenalmanach von 1774 stand und in bezug auf welchen Boie die
schwächliche Erklärung erließ, die, nach einer Abschrift, gleichfalls von Pröhle
abgedruckt worden (Grenzboten Ur. 11). Spalding, der gleichfalls in den beiden
ersten Briefen erwähnt wird, der berühmte Berliner Aufklärungsthevloge, bleibt
in der Achtung derer, die für die Culturbestrebungen jener Zeit offnen Sinn
haben, stehn, obgleich er nach Gleims Meinung „tief in den Abgrund der Hölle"
gestürzt ist, vermuthlich weil er einmal die Antwort auf einen Brief schuldig ge¬
blieben war oder ein ihm ertheiltes Lob nicht mit vollwichtiger Münze erwidert
hatte. Der „Tempel der Freundschaft," in dem Spalding mit schwarzen Buch¬
staben angeschrieben zu werden verdiente, ist nicht figürliche Ausdrucksweise, sondern
bedeutet das Tempelchen oder Hüttchen, in welchem Gleim sich mit den Bildern
seiner Freunde umgab und als Hoherpriester der Freundschaft waltete. Nummer 3
und 4 sind charakteristisch für den stets Pläne machenden, mit seiner Stellung


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[0451] <8leim an Lertuch, sollen. Das thut mir leid! Ihr Vater war mein Freund und ein sehr braver Mann, er half den deutschen Musen auf, seine Söhne scheinen was er baute, nieder¬ reißen zu wollen. Wir wollen sie machen lassen! Wir leben einmal nur in diesem Erde-Leben; In diesem Einen sich mit Buben abzugeben Und ihnen gleich zu gehn auf unsrer Lebensbahn Das wäre nicht recht wohlgethan! Deswegen wollen wir, wo sich die Wege scheiden, Hingehn aus unsern grünen Plan Zu unsern Grazien und unsern kleinen Freuden Und alle bösen Buben meiden, Das ist recht wohlgethan! Hat uicht einer von denen, die die Xenien witzelten, Ihnen die Fenster eingcschmißen? Was anders kann man von ihren Vertheidigern erwarten, also wollen wir uns mit ihnen nicht abgeben. , . seyen Sie Beförderer des Guten und Nützlichen, lieber aller Freund, aber kehren Sie zu den Musen zurück, wir leben nnr einmal, und am beseelt bey ihnen und lassen Sie sich von Lotterbuben nicht irre machen. Darum bittet Sie Ihr Freund der uralte Gleim. Zur Erklärung der Briefe brauche ich nicht viel zu sagen. Der in Nummer 1 erwähnte Karl Friedrich Cramer (der auch in Nummer ö vorkommt), der Sohn des durch Lessings Literaturbriefe zu trauriger Unsterblichkeit gelangten Johann Andr. Cramer, war damals ein junger und wurde später ein alter Vielschreiber, der aber doch wegen einer gewissen Kühnheit in seinem literarischen Auftreten, wegen seiner unerschrocknen Vertheidigung einmal angenommner politischer Grund¬ sätze, wegen seiner nicht unglücklichen Begabung für Vers und Prosa eine aus¬ führlichere Würdigung verdiente, als ihm bisher zu Theil geworden ist. Nummer 2 bezieht sich auf den Angriff, ein Moment in dem von verschiednen Seiten aber mit gleichen Waffen geführten Kampfe der jungen Generation gegen Wieland, welcher im Musenalmanach von 1774 stand und in bezug auf welchen Boie die schwächliche Erklärung erließ, die, nach einer Abschrift, gleichfalls von Pröhle abgedruckt worden (Grenzboten Ur. 11). Spalding, der gleichfalls in den beiden ersten Briefen erwähnt wird, der berühmte Berliner Aufklärungsthevloge, bleibt in der Achtung derer, die für die Culturbestrebungen jener Zeit offnen Sinn haben, stehn, obgleich er nach Gleims Meinung „tief in den Abgrund der Hölle" gestürzt ist, vermuthlich weil er einmal die Antwort auf einen Brief schuldig ge¬ blieben war oder ein ihm ertheiltes Lob nicht mit vollwichtiger Münze erwidert hatte. Der „Tempel der Freundschaft," in dem Spalding mit schwarzen Buch¬ staben angeschrieben zu werden verdiente, ist nicht figürliche Ausdrucksweise, sondern bedeutet das Tempelchen oder Hüttchen, in welchem Gleim sich mit den Bildern seiner Freunde umgab und als Hoherpriester der Freundschaft waltete. Nummer 3 und 4 sind charakteristisch für den stets Pläne machenden, mit seiner Stellung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/451>, abgerufen am 01.10.2024.