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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Politische Briefe.

fälle auf der Bühne des Reichstags, welche auf dieselbe Angelegenheit Bezug
hatten. Zunächst beanspruchte der Reichstag, die Kosten für das kaiserliche Zoll¬
amt zu bewilligen und dieselben nicht mehr als VcrwaltungSkostenabzug von
der Zollcinuahme hinzunehmen, wie bei den andern particularstaatlichen Zoll-
verwaltnngsstellen auch. Dieses Zollamt war aber seinem Ursprung nach eine
Zollvcreinseinrichtung, dem Wesen nach eine preußische Verwaltungsstelle mit
Zuziehung von Beamten aus andern Zollvereinsstaaten. Ferner wollte der
Reichstag dem Bundesrat!) das Recht bestreikn, die Zollerhcbungsstelle auf der
Elbe an deren Ausgang unterhalb Hamburg zu verlegen, ein Recht, welches
sonst überall als eine Competenz der Executive anerkannt wird. Es steckte hinter
allen diesen Ansprüchen die theils partieularistische, theils freihändlerische Für¬
sorge sür das hamburgische Sonderrecht, das man möglichst stärken und aus-
dehnen wollte. Das Maß der Empörung gegen die Durchfechtung der Reichs-
wvhlfcchrt wurde indeß erst voll, als der Reichskanzler den Antrag beim Bundes¬
rath stellte, das Zollamt in Hamburg seiner bestrittnen Natur wegen aufzuheben.
Man sah darin die Absicht, auf Hamburg einen letzten Druck auszuüben, wäh¬
rend ein Sachkenner wie der Abgeordnete Delbrück die Möglichkeit, mit diesem
Mittel einen Druck auszuüben, geradezu in Abrede stellte. Nachdem der Ab¬
geordnete Richter einen Antrag eingebracht hatte, welcher die Reichsregierung
wegen jenes Antrages der verletzten Bundesfreuudlichkeit und des verletzten Ver-
fassungsrechtes beschuldigte, erklärte der Bundesrath die Theilnahme an der
Discussion eines solchen Antrages für unverträglich mit seiner Würde. Mitte"
in die Erregung über diese Erklärung fiel die Kunde von dem präliminarisch
erreichten Anschluß Hamburgs. Die Herren, welche hamburgischer sein wollten,
wenn auch nicht lediglich ans Vorliebe für Hamburg, als der hamburgische
Senat, sahen sich enttäuscht. Sie werden schwerlich den definitiven Anschluß
verhindern, weder bei der hamburgischen Bürgerschaft noch bei dem Reichstag,
und wenn es bei dem jetzigen Reichstag gelingen sollte, so doch nicht bei der
deutscheu Nation.

Der Anschluß Hamburgs hat ein schweres Stück Arbeit gefordert, wie
alles Nothwendige und Gute, was je unserm Volke zu Theil geworden. Man
hat es dem Reichskanzler verdacht, daß er diese Arbeit in der letzten Zeit so
sehr beeilt hat. Aber wenn er sie nicht noch vollbracht hätte, so wäre sie nie
vollbracht worden. Wer anders als dieser Reichskanzler wäre im Stande ge¬
wesen, zu triumphiren über Rechtsbcdenken, an welchen die nationale Wohl¬
fahrt hätte sterben können, wie die politische Einheit ohne den Reichskanzler
am alten Bundestag gestorben wäre. Wer anders wäre imstande gewesen,
über den verschrobnen Idealismus der Freihändler und über den Separa-


Politische Briefe.

fälle auf der Bühne des Reichstags, welche auf dieselbe Angelegenheit Bezug
hatten. Zunächst beanspruchte der Reichstag, die Kosten für das kaiserliche Zoll¬
amt zu bewilligen und dieselben nicht mehr als VcrwaltungSkostenabzug von
der Zollcinuahme hinzunehmen, wie bei den andern particularstaatlichen Zoll-
verwaltnngsstellen auch. Dieses Zollamt war aber seinem Ursprung nach eine
Zollvcreinseinrichtung, dem Wesen nach eine preußische Verwaltungsstelle mit
Zuziehung von Beamten aus andern Zollvereinsstaaten. Ferner wollte der
Reichstag dem Bundesrat!) das Recht bestreikn, die Zollerhcbungsstelle auf der
Elbe an deren Ausgang unterhalb Hamburg zu verlegen, ein Recht, welches
sonst überall als eine Competenz der Executive anerkannt wird. Es steckte hinter
allen diesen Ansprüchen die theils partieularistische, theils freihändlerische Für¬
sorge sür das hamburgische Sonderrecht, das man möglichst stärken und aus-
dehnen wollte. Das Maß der Empörung gegen die Durchfechtung der Reichs-
wvhlfcchrt wurde indeß erst voll, als der Reichskanzler den Antrag beim Bundes¬
rath stellte, das Zollamt in Hamburg seiner bestrittnen Natur wegen aufzuheben.
Man sah darin die Absicht, auf Hamburg einen letzten Druck auszuüben, wäh¬
rend ein Sachkenner wie der Abgeordnete Delbrück die Möglichkeit, mit diesem
Mittel einen Druck auszuüben, geradezu in Abrede stellte. Nachdem der Ab¬
geordnete Richter einen Antrag eingebracht hatte, welcher die Reichsregierung
wegen jenes Antrages der verletzten Bundesfreuudlichkeit und des verletzten Ver-
fassungsrechtes beschuldigte, erklärte der Bundesrath die Theilnahme an der
Discussion eines solchen Antrages für unverträglich mit seiner Würde. Mitte»
in die Erregung über diese Erklärung fiel die Kunde von dem präliminarisch
erreichten Anschluß Hamburgs. Die Herren, welche hamburgischer sein wollten,
wenn auch nicht lediglich ans Vorliebe für Hamburg, als der hamburgische
Senat, sahen sich enttäuscht. Sie werden schwerlich den definitiven Anschluß
verhindern, weder bei der hamburgischen Bürgerschaft noch bei dem Reichstag,
und wenn es bei dem jetzigen Reichstag gelingen sollte, so doch nicht bei der
deutscheu Nation.

Der Anschluß Hamburgs hat ein schweres Stück Arbeit gefordert, wie
alles Nothwendige und Gute, was je unserm Volke zu Theil geworden. Man
hat es dem Reichskanzler verdacht, daß er diese Arbeit in der letzten Zeit so
sehr beeilt hat. Aber wenn er sie nicht noch vollbracht hätte, so wäre sie nie
vollbracht worden. Wer anders als dieser Reichskanzler wäre im Stande ge¬
wesen, zu triumphiren über Rechtsbcdenken, an welchen die nationale Wohl¬
fahrt hätte sterben können, wie die politische Einheit ohne den Reichskanzler
am alten Bundestag gestorben wäre. Wer anders wäre imstande gewesen,
über den verschrobnen Idealismus der Freihändler und über den Separa-


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[0433] Politische Briefe. fälle auf der Bühne des Reichstags, welche auf dieselbe Angelegenheit Bezug hatten. Zunächst beanspruchte der Reichstag, die Kosten für das kaiserliche Zoll¬ amt zu bewilligen und dieselben nicht mehr als VcrwaltungSkostenabzug von der Zollcinuahme hinzunehmen, wie bei den andern particularstaatlichen Zoll- verwaltnngsstellen auch. Dieses Zollamt war aber seinem Ursprung nach eine Zollvcreinseinrichtung, dem Wesen nach eine preußische Verwaltungsstelle mit Zuziehung von Beamten aus andern Zollvereinsstaaten. Ferner wollte der Reichstag dem Bundesrat!) das Recht bestreikn, die Zollerhcbungsstelle auf der Elbe an deren Ausgang unterhalb Hamburg zu verlegen, ein Recht, welches sonst überall als eine Competenz der Executive anerkannt wird. Es steckte hinter allen diesen Ansprüchen die theils partieularistische, theils freihändlerische Für¬ sorge sür das hamburgische Sonderrecht, das man möglichst stärken und aus- dehnen wollte. Das Maß der Empörung gegen die Durchfechtung der Reichs- wvhlfcchrt wurde indeß erst voll, als der Reichskanzler den Antrag beim Bundes¬ rath stellte, das Zollamt in Hamburg seiner bestrittnen Natur wegen aufzuheben. Man sah darin die Absicht, auf Hamburg einen letzten Druck auszuüben, wäh¬ rend ein Sachkenner wie der Abgeordnete Delbrück die Möglichkeit, mit diesem Mittel einen Druck auszuüben, geradezu in Abrede stellte. Nachdem der Ab¬ geordnete Richter einen Antrag eingebracht hatte, welcher die Reichsregierung wegen jenes Antrages der verletzten Bundesfreuudlichkeit und des verletzten Ver- fassungsrechtes beschuldigte, erklärte der Bundesrath die Theilnahme an der Discussion eines solchen Antrages für unverträglich mit seiner Würde. Mitte» in die Erregung über diese Erklärung fiel die Kunde von dem präliminarisch erreichten Anschluß Hamburgs. Die Herren, welche hamburgischer sein wollten, wenn auch nicht lediglich ans Vorliebe für Hamburg, als der hamburgische Senat, sahen sich enttäuscht. Sie werden schwerlich den definitiven Anschluß verhindern, weder bei der hamburgischen Bürgerschaft noch bei dem Reichstag, und wenn es bei dem jetzigen Reichstag gelingen sollte, so doch nicht bei der deutscheu Nation. Der Anschluß Hamburgs hat ein schweres Stück Arbeit gefordert, wie alles Nothwendige und Gute, was je unserm Volke zu Theil geworden. Man hat es dem Reichskanzler verdacht, daß er diese Arbeit in der letzten Zeit so sehr beeilt hat. Aber wenn er sie nicht noch vollbracht hätte, so wäre sie nie vollbracht worden. Wer anders als dieser Reichskanzler wäre im Stande ge¬ wesen, zu triumphiren über Rechtsbcdenken, an welchen die nationale Wohl¬ fahrt hätte sterben können, wie die politische Einheit ohne den Reichskanzler am alten Bundestag gestorben wäre. Wer anders wäre imstande gewesen, über den verschrobnen Idealismus der Freihändler und über den Separa-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/433>, abgerufen am 26.06.2024.