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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Bildnisse Goethes.

in seiner Citirseligkeit, in der umständlichen, steckbriefartigen Genauigkeit, mit der
er andre Schriftsteller und deren Schriften anführt, in den überflüssigen Attri¬
buten, die er bekannten Personen und Büchern giebt, in den häufig nichtssagenden
Werthbestimmungen der besprochnen Bilder, endlich in der wortreichen, geschach¬
telten und vielfach incorrecten Darstellungsweise.

Wenn Rottele einen Gelehrten erwähnt, so vergißt er gewiß nicht, den "l>r."
oder "Prof." oder "Rath" oder "Hofrath" oder "Staatsrath" hinzuzufügen.
Ein Buch wie Lewes' Leben Goethes citirt er -- und zwar nicht bloß einmal --
folgendermaßen: "Vgl. Georg Henry Lcwes,I>its ana vorlas ol Kostin)/ (London
185S, 2 Bde.! deutsch von Jul. Frese, 8. Aufl. Berlin 1872.); F. A. Wolf
wird von ihm "der alte, berühmte Philolog Friedrich August Wolf" genannt,
Lavater erhält den Zusatz: "bekannter Phhsiognvmiker," das Gvetheporträt von
Krauß wurde "von dem berühmten Daniel Nicolaus Chodowiecki" radirt; La-
vaters Physiognomik wird als "merkwürdiges Werk" bezeichnet. Für iven, fragt
man sich da, schreibt der Verfasser? In welcher Weife Rottele die Goethebild-
nifse in "durchaus interessante" und in "besonders wichtige und bedeutende" sor-
tirt hat, habe" wir schon oben gelegentlich angedeutet. In den Bilderbesprechnngen
selbst kehren aber noch eine ganze Reihe solcher Gradbestimmnngen "nieder. Das
Oelgemälde Ur. 1 von Seekatz heißt ein "unter allen Umständen interessantes
Gemälde," die Tabatiöre Ur. 4, von der Bettina spricht, ein "in vielfacher Be¬
ziehung werthvolles Stück," die angeblich Oesersche Radirnng Ur. 5 ist ein "ein
besondres Interesse bietendes Bildniß," die Kreidezeichnung nach dem Dänen Incl
Ur. 18 ein "in jeder Hinsicht werthvolles Bildniß" ?e. Es ist klar, daß diese
einander so ähnlich klingenden Wendungen durch die häufige Wiederholung schlie߬
lich alle Kraft verlieren müssen. Als Probe von Rolletts Stil endlich mögen
folgende Stellen dienen: S. 57: "Auf Veranlassung Prof. I)r. Friedr. Zarnckes
in Leipzig, welcher überhaupt eine Anzahl von Origiunl-Darstellungen Goethes
für sich photographieren ließ und deren weitre Vervielfältigung nicht gestattet
ist (die ich jedoch nicht sämmtlich genau als auf diese Weise entstanden zu ver¬
zeichnen weiß)" -- oder S 59: "Die etwas volleren Formen dieses Schatten¬
risses könnten vielleicht veranlassen, denselben um einige Jahre später zu setzen
als in die Zeit um 1778, was aber hauptsächlich aus dem Grnnde nicht zu¬
lässig ist, weil in den Händen des Besitzers dieser erst 1879 ans Tageslicht ge¬
tretenen Silhouette -- des Professors Dr. Karl von Lützow in Wien -- sich
eine ganz gleichartig ausgestattete und unzweifelhaft gleichzeitig als Gegenstück
angefertigte Brustbild-Silhouette des Herzogs Karl August befindet, welche den
Herzog ebenfalls mit dem Zopfe zeigt, welchen aber derselbe (während Goethe
einen solchen noch bis in unser Jahrhundert trug) bereits im Jahre 1780 ab-


Gmizlioten U. 1L31. 53
Die Bildnisse Goethes.

in seiner Citirseligkeit, in der umständlichen, steckbriefartigen Genauigkeit, mit der
er andre Schriftsteller und deren Schriften anführt, in den überflüssigen Attri¬
buten, die er bekannten Personen und Büchern giebt, in den häufig nichtssagenden
Werthbestimmungen der besprochnen Bilder, endlich in der wortreichen, geschach¬
telten und vielfach incorrecten Darstellungsweise.

Wenn Rottele einen Gelehrten erwähnt, so vergißt er gewiß nicht, den „l>r."
oder „Prof." oder „Rath" oder „Hofrath" oder „Staatsrath" hinzuzufügen.
Ein Buch wie Lewes' Leben Goethes citirt er — und zwar nicht bloß einmal —
folgendermaßen: „Vgl. Georg Henry Lcwes,I>its ana vorlas ol Kostin)/ (London
185S, 2 Bde.! deutsch von Jul. Frese, 8. Aufl. Berlin 1872.); F. A. Wolf
wird von ihm „der alte, berühmte Philolog Friedrich August Wolf" genannt,
Lavater erhält den Zusatz: „bekannter Phhsiognvmiker," das Gvetheporträt von
Krauß wurde „von dem berühmten Daniel Nicolaus Chodowiecki" radirt; La-
vaters Physiognomik wird als „merkwürdiges Werk" bezeichnet. Für iven, fragt
man sich da, schreibt der Verfasser? In welcher Weife Rottele die Goethebild-
nifse in „durchaus interessante" und in „besonders wichtige und bedeutende" sor-
tirt hat, habe» wir schon oben gelegentlich angedeutet. In den Bilderbesprechnngen
selbst kehren aber noch eine ganze Reihe solcher Gradbestimmnngen »nieder. Das
Oelgemälde Ur. 1 von Seekatz heißt ein „unter allen Umständen interessantes
Gemälde," die Tabatiöre Ur. 4, von der Bettina spricht, ein „in vielfacher Be¬
ziehung werthvolles Stück," die angeblich Oesersche Radirnng Ur. 5 ist ein „ein
besondres Interesse bietendes Bildniß," die Kreidezeichnung nach dem Dänen Incl
Ur. 18 ein „in jeder Hinsicht werthvolles Bildniß" ?e. Es ist klar, daß diese
einander so ähnlich klingenden Wendungen durch die häufige Wiederholung schlie߬
lich alle Kraft verlieren müssen. Als Probe von Rolletts Stil endlich mögen
folgende Stellen dienen: S. 57: „Auf Veranlassung Prof. I)r. Friedr. Zarnckes
in Leipzig, welcher überhaupt eine Anzahl von Origiunl-Darstellungen Goethes
für sich photographieren ließ und deren weitre Vervielfältigung nicht gestattet
ist (die ich jedoch nicht sämmtlich genau als auf diese Weise entstanden zu ver¬
zeichnen weiß)" — oder S 59: „Die etwas volleren Formen dieses Schatten¬
risses könnten vielleicht veranlassen, denselben um einige Jahre später zu setzen
als in die Zeit um 1778, was aber hauptsächlich aus dem Grnnde nicht zu¬
lässig ist, weil in den Händen des Besitzers dieser erst 1879 ans Tageslicht ge¬
tretenen Silhouette — des Professors Dr. Karl von Lützow in Wien — sich
eine ganz gleichartig ausgestattete und unzweifelhaft gleichzeitig als Gegenstück
angefertigte Brustbild-Silhouette des Herzogs Karl August befindet, welche den
Herzog ebenfalls mit dem Zopfe zeigt, welchen aber derselbe (während Goethe
einen solchen noch bis in unser Jahrhundert trug) bereits im Jahre 1780 ab-


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[0421] Die Bildnisse Goethes. in seiner Citirseligkeit, in der umständlichen, steckbriefartigen Genauigkeit, mit der er andre Schriftsteller und deren Schriften anführt, in den überflüssigen Attri¬ buten, die er bekannten Personen und Büchern giebt, in den häufig nichtssagenden Werthbestimmungen der besprochnen Bilder, endlich in der wortreichen, geschach¬ telten und vielfach incorrecten Darstellungsweise. Wenn Rottele einen Gelehrten erwähnt, so vergißt er gewiß nicht, den „l>r." oder „Prof." oder „Rath" oder „Hofrath" oder „Staatsrath" hinzuzufügen. Ein Buch wie Lewes' Leben Goethes citirt er — und zwar nicht bloß einmal — folgendermaßen: „Vgl. Georg Henry Lcwes,I>its ana vorlas ol Kostin)/ (London 185S, 2 Bde.! deutsch von Jul. Frese, 8. Aufl. Berlin 1872.); F. A. Wolf wird von ihm „der alte, berühmte Philolog Friedrich August Wolf" genannt, Lavater erhält den Zusatz: „bekannter Phhsiognvmiker," das Gvetheporträt von Krauß wurde „von dem berühmten Daniel Nicolaus Chodowiecki" radirt; La- vaters Physiognomik wird als „merkwürdiges Werk" bezeichnet. Für iven, fragt man sich da, schreibt der Verfasser? In welcher Weife Rottele die Goethebild- nifse in „durchaus interessante" und in „besonders wichtige und bedeutende" sor- tirt hat, habe» wir schon oben gelegentlich angedeutet. In den Bilderbesprechnngen selbst kehren aber noch eine ganze Reihe solcher Gradbestimmnngen »nieder. Das Oelgemälde Ur. 1 von Seekatz heißt ein „unter allen Umständen interessantes Gemälde," die Tabatiöre Ur. 4, von der Bettina spricht, ein „in vielfacher Be¬ ziehung werthvolles Stück," die angeblich Oesersche Radirnng Ur. 5 ist ein „ein besondres Interesse bietendes Bildniß," die Kreidezeichnung nach dem Dänen Incl Ur. 18 ein „in jeder Hinsicht werthvolles Bildniß" ?e. Es ist klar, daß diese einander so ähnlich klingenden Wendungen durch die häufige Wiederholung schlie߬ lich alle Kraft verlieren müssen. Als Probe von Rolletts Stil endlich mögen folgende Stellen dienen: S. 57: „Auf Veranlassung Prof. I)r. Friedr. Zarnckes in Leipzig, welcher überhaupt eine Anzahl von Origiunl-Darstellungen Goethes für sich photographieren ließ und deren weitre Vervielfältigung nicht gestattet ist (die ich jedoch nicht sämmtlich genau als auf diese Weise entstanden zu ver¬ zeichnen weiß)" — oder S 59: „Die etwas volleren Formen dieses Schatten¬ risses könnten vielleicht veranlassen, denselben um einige Jahre später zu setzen als in die Zeit um 1778, was aber hauptsächlich aus dem Grnnde nicht zu¬ lässig ist, weil in den Händen des Besitzers dieser erst 1879 ans Tageslicht ge¬ tretenen Silhouette — des Professors Dr. Karl von Lützow in Wien — sich eine ganz gleichartig ausgestattete und unzweifelhaft gleichzeitig als Gegenstück angefertigte Brustbild-Silhouette des Herzogs Karl August befindet, welche den Herzog ebenfalls mit dem Zopfe zeigt, welchen aber derselbe (während Goethe einen solchen noch bis in unser Jahrhundert trug) bereits im Jahre 1780 ab- Gmizlioten U. 1L31. 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/421>, abgerufen am 23.07.2024.