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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gladstones Programm und Erfolge.

von fünfzehn Jahren festzustellen, falls der Pächter einen solchen Vertrag be¬
ansprucht -- eine Zeitbeschräukuug, gegen die sich billigerweise nichts einwenden
läßt, zumal da sie, weil das Land im Preise ebensowohl fallen als steigen kann,
so gut wie dein Eigenthümer auch dem Pächter zu gute kommt. Sodann räumt
das Gesetz dem letztern ein beschränktes Eigenthumsrecht ein, indem es bestimmt,
daß derselbe während jener fünfzehnjährigen Pachtperiode nur dann von Haus
und Hof entfernt werden darf, wenn er sich die Verletzung gewisser gesetzlicher
Vorschriften zu Schulden kommen läßt. Das freie Verkanfsrecht, welches die
Liga der Landrefvrmer auf ihr Programm geschrieben hat, wird von Gladstone
allerdings nicht bewilligt. Es bedarf zur Veräußerung der Zustimmung des
Besitzers, aber das Gesetz verleiht, für den Fall, daß dieser sich weigert, dem
Pächter die Befugniß, bei dem für diesen Zweck besonders errichteten Gerichts¬
höfe Beschwerde zu führen, und dessen Entscheidung soll endgiltig sein. Die Bill
kommt den Beschwerden der Jrländer noch in einem andern wichtigen Punkte
entgegen, indem sie will, daß den Pächtern bei allen noch schwebenden Exmissions¬
processen die Wohlthaten des neuen Gesetzes zu statten kommen sollen. Endlich
stellt sie den Pächtern Vorschüsse aus dein Staatsschatze in Aussicht.

Diese Vorschläge verdienen alles Lob, und wenn sie beide Häuser der britischen
Gesetzgebung Passiren und in Kraft treten, so wird ihr Urheber mit Recht sagen
können, eine große und werthvolle Reform zustande gebracht zu habe". Die
Landliga freilich ist mit ihnen nur theilweise befriedigt, eine Fraction ist geneigt,
sie anzunehmen, die Mehrzahl dagegen besteht, wie es scheint, auf den alten
Forderungen der Genossenschaft. Völlig sicher ist es ferner in dem Augenblicke,
wo wir dies schreiben, nicht, ob das Unterhaus die Bill unverändert gutheißen
wird, und daß dies von feiten der Lords geschehen werde, ist sogar äußerst
zweifelhaft. Geht der Gladstonesche Gesetzentwurf doch selbst dem rechten Flügel
der Whigs zu weit, wie man daraus erkennt, daß der Herzog von Argyll wegen
der Bill ans dem Ministerium geschieden ist. Die großen Londoner Blätter,
von denen freilich einige gleich von Anfang an im Fahrwasser Gladstones segelten,
andre, wie die "Times," bald in dasselbe einlenkten, wieder andre, wie der "Daily
Telegraph," nachfolgten, sind getheilter Ansicht. "Daily News" erblickte im Rück¬
tritte des Herzogs von Argyll einen Beweis, daß die von ihm genüßbilligteu
Vorschläge Gladstones gründlichen Maßregeln entsprächen, und behauptete, daß
sie viel zur Herstellung fester Pachtverhältnisse beitragen würden; die liberale
Partei des Unterhauses hoffe auf den Erfolg eines Vorgehens, welches ohne
Uebertreibung Aussicht auf Lösung der irischen Landfrage mindestens für ein
Menschenalter biete. Die "Times" begrüßten die Landbill als ein bewundcrns-
werthes Beispiel wohldurchdachter Gesetzgebung. Der allgemeine Eindruck auf


Gladstones Programm und Erfolge.

von fünfzehn Jahren festzustellen, falls der Pächter einen solchen Vertrag be¬
ansprucht — eine Zeitbeschräukuug, gegen die sich billigerweise nichts einwenden
läßt, zumal da sie, weil das Land im Preise ebensowohl fallen als steigen kann,
so gut wie dein Eigenthümer auch dem Pächter zu gute kommt. Sodann räumt
das Gesetz dem letztern ein beschränktes Eigenthumsrecht ein, indem es bestimmt,
daß derselbe während jener fünfzehnjährigen Pachtperiode nur dann von Haus
und Hof entfernt werden darf, wenn er sich die Verletzung gewisser gesetzlicher
Vorschriften zu Schulden kommen läßt. Das freie Verkanfsrecht, welches die
Liga der Landrefvrmer auf ihr Programm geschrieben hat, wird von Gladstone
allerdings nicht bewilligt. Es bedarf zur Veräußerung der Zustimmung des
Besitzers, aber das Gesetz verleiht, für den Fall, daß dieser sich weigert, dem
Pächter die Befugniß, bei dem für diesen Zweck besonders errichteten Gerichts¬
höfe Beschwerde zu führen, und dessen Entscheidung soll endgiltig sein. Die Bill
kommt den Beschwerden der Jrländer noch in einem andern wichtigen Punkte
entgegen, indem sie will, daß den Pächtern bei allen noch schwebenden Exmissions¬
processen die Wohlthaten des neuen Gesetzes zu statten kommen sollen. Endlich
stellt sie den Pächtern Vorschüsse aus dein Staatsschatze in Aussicht.

Diese Vorschläge verdienen alles Lob, und wenn sie beide Häuser der britischen
Gesetzgebung Passiren und in Kraft treten, so wird ihr Urheber mit Recht sagen
können, eine große und werthvolle Reform zustande gebracht zu habe». Die
Landliga freilich ist mit ihnen nur theilweise befriedigt, eine Fraction ist geneigt,
sie anzunehmen, die Mehrzahl dagegen besteht, wie es scheint, auf den alten
Forderungen der Genossenschaft. Völlig sicher ist es ferner in dem Augenblicke,
wo wir dies schreiben, nicht, ob das Unterhaus die Bill unverändert gutheißen
wird, und daß dies von feiten der Lords geschehen werde, ist sogar äußerst
zweifelhaft. Geht der Gladstonesche Gesetzentwurf doch selbst dem rechten Flügel
der Whigs zu weit, wie man daraus erkennt, daß der Herzog von Argyll wegen
der Bill ans dem Ministerium geschieden ist. Die großen Londoner Blätter,
von denen freilich einige gleich von Anfang an im Fahrwasser Gladstones segelten,
andre, wie die „Times," bald in dasselbe einlenkten, wieder andre, wie der „Daily
Telegraph," nachfolgten, sind getheilter Ansicht. „Daily News" erblickte im Rück¬
tritte des Herzogs von Argyll einen Beweis, daß die von ihm genüßbilligteu
Vorschläge Gladstones gründlichen Maßregeln entsprächen, und behauptete, daß
sie viel zur Herstellung fester Pachtverhältnisse beitragen würden; die liberale
Partei des Unterhauses hoffe auf den Erfolg eines Vorgehens, welches ohne
Uebertreibung Aussicht auf Lösung der irischen Landfrage mindestens für ein
Menschenalter biete. Die „Times" begrüßten die Landbill als ein bewundcrns-
werthes Beispiel wohldurchdachter Gesetzgebung. Der allgemeine Eindruck auf


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[0392] Gladstones Programm und Erfolge. von fünfzehn Jahren festzustellen, falls der Pächter einen solchen Vertrag be¬ ansprucht — eine Zeitbeschräukuug, gegen die sich billigerweise nichts einwenden läßt, zumal da sie, weil das Land im Preise ebensowohl fallen als steigen kann, so gut wie dein Eigenthümer auch dem Pächter zu gute kommt. Sodann räumt das Gesetz dem letztern ein beschränktes Eigenthumsrecht ein, indem es bestimmt, daß derselbe während jener fünfzehnjährigen Pachtperiode nur dann von Haus und Hof entfernt werden darf, wenn er sich die Verletzung gewisser gesetzlicher Vorschriften zu Schulden kommen läßt. Das freie Verkanfsrecht, welches die Liga der Landrefvrmer auf ihr Programm geschrieben hat, wird von Gladstone allerdings nicht bewilligt. Es bedarf zur Veräußerung der Zustimmung des Besitzers, aber das Gesetz verleiht, für den Fall, daß dieser sich weigert, dem Pächter die Befugniß, bei dem für diesen Zweck besonders errichteten Gerichts¬ höfe Beschwerde zu führen, und dessen Entscheidung soll endgiltig sein. Die Bill kommt den Beschwerden der Jrländer noch in einem andern wichtigen Punkte entgegen, indem sie will, daß den Pächtern bei allen noch schwebenden Exmissions¬ processen die Wohlthaten des neuen Gesetzes zu statten kommen sollen. Endlich stellt sie den Pächtern Vorschüsse aus dein Staatsschatze in Aussicht. Diese Vorschläge verdienen alles Lob, und wenn sie beide Häuser der britischen Gesetzgebung Passiren und in Kraft treten, so wird ihr Urheber mit Recht sagen können, eine große und werthvolle Reform zustande gebracht zu habe». Die Landliga freilich ist mit ihnen nur theilweise befriedigt, eine Fraction ist geneigt, sie anzunehmen, die Mehrzahl dagegen besteht, wie es scheint, auf den alten Forderungen der Genossenschaft. Völlig sicher ist es ferner in dem Augenblicke, wo wir dies schreiben, nicht, ob das Unterhaus die Bill unverändert gutheißen wird, und daß dies von feiten der Lords geschehen werde, ist sogar äußerst zweifelhaft. Geht der Gladstonesche Gesetzentwurf doch selbst dem rechten Flügel der Whigs zu weit, wie man daraus erkennt, daß der Herzog von Argyll wegen der Bill ans dem Ministerium geschieden ist. Die großen Londoner Blätter, von denen freilich einige gleich von Anfang an im Fahrwasser Gladstones segelten, andre, wie die „Times," bald in dasselbe einlenkten, wieder andre, wie der „Daily Telegraph," nachfolgten, sind getheilter Ansicht. „Daily News" erblickte im Rück¬ tritte des Herzogs von Argyll einen Beweis, daß die von ihm genüßbilligteu Vorschläge Gladstones gründlichen Maßregeln entsprächen, und behauptete, daß sie viel zur Herstellung fester Pachtverhältnisse beitragen würden; die liberale Partei des Unterhauses hoffe auf den Erfolg eines Vorgehens, welches ohne Uebertreibung Aussicht auf Lösung der irischen Landfrage mindestens für ein Menschenalter biete. Die „Times" begrüßten die Landbill als ein bewundcrns- werthes Beispiel wohldurchdachter Gesetzgebung. Der allgemeine Eindruck auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/392>, abgerufen am 22.07.2024.