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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule,

Der eine seiner beiden Schüler war sein jüngerer Bruder Oswald Acheu-
bach, geboren zu Düsseldorf am 2. Februar 1827. Frühreif, wie Andreas, be¬
suchte er schon seit 1839 die Akademie, eignete sich schnell die Elcmeutarkennt-
nisse an und widmete sich dann unter Leitung des Bruders der Malerei. Seine
Naturstudien begannen 1845 mit einer Reise in das bairische Gebirge, "ach der
Schweiz und Oberitalien. Die Frucht derselbe" waren bis zum Jahre 1849:
"Morgcnlandschaft aus der Lombardei", "Abend im bairischen Gebirge", "Land¬
schaft ans Oberitalien", "Italienische Gewitterlandschaft", "Italienische Land¬
schaft am Meere", "Partie einer Villa im Mondlicht." Diese Liste ist insofern
lehrreich, als sie uns schon die eigenthümliche Richtung Oswald Achenbachs
charakterisirt, die ihn von seinem Bruder so wesentlich unterscheidet. Beide sind
Poeten, der eine aber ein Realist, dessen dramatische Kühnheit sich nur mit
Shakespeare vergleichen läßt, der andre ein idealgestimmter Romantiker, welcher
sich mächtig zum Vaterlande Tassos und Ariostos hingezogen fühlt. Seine
Bilder sind farbenglühend, stimmungsvoll und harmonisch gefügt wie die Strophen
der beiden ihm eongenialen Dichter.

Was seinem Bruder versagt geblieben war, die italienische Landschaft in
ihrem vollen poetischen Dufte, mit ihrem sanften, fast elegischen Wechselspiel
zwischen Licht und Schatten, mit ihren zauberischen Perspektiven, in denen die
zartesten Töne sich mit einander verschmelzen, zu erfassen, das erreichte Oswald
wie kein zweiter Landschaftsmaler der Welt. Die deutschen Künstler, die vor
ihm die italienische Natur ausbeuteten, fußten fast ohne Ausnahme auf der
stilisirten Anschauungsweise Nottmanns. Sie lösten aus den wechselnden Phä¬
nomen des Himmels und der Luft die ewigen Formen der Landschaft heraus.
Die classische, strenge und keusche Schönheit der Linien war ihr Ideal, dessen
alleinige Giltigkeit noch bis auf die neueste Zeit von Friedrich Preller und
Gurlitt vertreten worden ist und vertreten wird. Diesen Stilisten trat nun
Oswald Ueberhand mit dem magischen Reichthum einer unerschöpflichen Palette
gegenüber. Bei ihm verschwand die Linie, welche den Horizont begrenzt, unter
dem weichen Nebeldunst der Ferne, der je nach der Beleuchtung in allerhand
Farben schillerte. Das Meer wurde auch ihm zum wichtigen Factor; aber er
zeigte es niemals in seinem Aufruhr, sondern in jener majestätischen Ruhe, welche
die Fläche wie einen Spiegel erscheinen läßt, auf dem tausend Lichter funkeln,
die, gebrochen durch die dazwischen liegende Luftschicht, wieder zum Himmel zurück¬
strahlen. Die Stimmungen aller Tages- und Nachtzeiten hat er zum Gegen¬
stände eindringlichsten Studiums gemacht, sofern sich ihnen eine poetische Seite
abgewinnen läßt. Gleich den Dichtern weilt er aber am liebsten im Monden-
scheine, und so sind seine Mondscheinlandschaften die Höhepunkte seines Schaffens


Die Düsseldorfer Schule,

Der eine seiner beiden Schüler war sein jüngerer Bruder Oswald Acheu-
bach, geboren zu Düsseldorf am 2. Februar 1827. Frühreif, wie Andreas, be¬
suchte er schon seit 1839 die Akademie, eignete sich schnell die Elcmeutarkennt-
nisse an und widmete sich dann unter Leitung des Bruders der Malerei. Seine
Naturstudien begannen 1845 mit einer Reise in das bairische Gebirge, »ach der
Schweiz und Oberitalien. Die Frucht derselbe» waren bis zum Jahre 1849:
„Morgcnlandschaft aus der Lombardei", „Abend im bairischen Gebirge", „Land¬
schaft ans Oberitalien", „Italienische Gewitterlandschaft", „Italienische Land¬
schaft am Meere", „Partie einer Villa im Mondlicht." Diese Liste ist insofern
lehrreich, als sie uns schon die eigenthümliche Richtung Oswald Achenbachs
charakterisirt, die ihn von seinem Bruder so wesentlich unterscheidet. Beide sind
Poeten, der eine aber ein Realist, dessen dramatische Kühnheit sich nur mit
Shakespeare vergleichen läßt, der andre ein idealgestimmter Romantiker, welcher
sich mächtig zum Vaterlande Tassos und Ariostos hingezogen fühlt. Seine
Bilder sind farbenglühend, stimmungsvoll und harmonisch gefügt wie die Strophen
der beiden ihm eongenialen Dichter.

Was seinem Bruder versagt geblieben war, die italienische Landschaft in
ihrem vollen poetischen Dufte, mit ihrem sanften, fast elegischen Wechselspiel
zwischen Licht und Schatten, mit ihren zauberischen Perspektiven, in denen die
zartesten Töne sich mit einander verschmelzen, zu erfassen, das erreichte Oswald
wie kein zweiter Landschaftsmaler der Welt. Die deutschen Künstler, die vor
ihm die italienische Natur ausbeuteten, fußten fast ohne Ausnahme auf der
stilisirten Anschauungsweise Nottmanns. Sie lösten aus den wechselnden Phä¬
nomen des Himmels und der Luft die ewigen Formen der Landschaft heraus.
Die classische, strenge und keusche Schönheit der Linien war ihr Ideal, dessen
alleinige Giltigkeit noch bis auf die neueste Zeit von Friedrich Preller und
Gurlitt vertreten worden ist und vertreten wird. Diesen Stilisten trat nun
Oswald Ueberhand mit dem magischen Reichthum einer unerschöpflichen Palette
gegenüber. Bei ihm verschwand die Linie, welche den Horizont begrenzt, unter
dem weichen Nebeldunst der Ferne, der je nach der Beleuchtung in allerhand
Farben schillerte. Das Meer wurde auch ihm zum wichtigen Factor; aber er
zeigte es niemals in seinem Aufruhr, sondern in jener majestätischen Ruhe, welche
die Fläche wie einen Spiegel erscheinen läßt, auf dem tausend Lichter funkeln,
die, gebrochen durch die dazwischen liegende Luftschicht, wieder zum Himmel zurück¬
strahlen. Die Stimmungen aller Tages- und Nachtzeiten hat er zum Gegen¬
stände eindringlichsten Studiums gemacht, sofern sich ihnen eine poetische Seite
abgewinnen läßt. Gleich den Dichtern weilt er aber am liebsten im Monden-
scheine, und so sind seine Mondscheinlandschaften die Höhepunkte seines Schaffens


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[0338] Die Düsseldorfer Schule, Der eine seiner beiden Schüler war sein jüngerer Bruder Oswald Acheu- bach, geboren zu Düsseldorf am 2. Februar 1827. Frühreif, wie Andreas, be¬ suchte er schon seit 1839 die Akademie, eignete sich schnell die Elcmeutarkennt- nisse an und widmete sich dann unter Leitung des Bruders der Malerei. Seine Naturstudien begannen 1845 mit einer Reise in das bairische Gebirge, »ach der Schweiz und Oberitalien. Die Frucht derselbe» waren bis zum Jahre 1849: „Morgcnlandschaft aus der Lombardei", „Abend im bairischen Gebirge", „Land¬ schaft ans Oberitalien", „Italienische Gewitterlandschaft", „Italienische Land¬ schaft am Meere", „Partie einer Villa im Mondlicht." Diese Liste ist insofern lehrreich, als sie uns schon die eigenthümliche Richtung Oswald Achenbachs charakterisirt, die ihn von seinem Bruder so wesentlich unterscheidet. Beide sind Poeten, der eine aber ein Realist, dessen dramatische Kühnheit sich nur mit Shakespeare vergleichen läßt, der andre ein idealgestimmter Romantiker, welcher sich mächtig zum Vaterlande Tassos und Ariostos hingezogen fühlt. Seine Bilder sind farbenglühend, stimmungsvoll und harmonisch gefügt wie die Strophen der beiden ihm eongenialen Dichter. Was seinem Bruder versagt geblieben war, die italienische Landschaft in ihrem vollen poetischen Dufte, mit ihrem sanften, fast elegischen Wechselspiel zwischen Licht und Schatten, mit ihren zauberischen Perspektiven, in denen die zartesten Töne sich mit einander verschmelzen, zu erfassen, das erreichte Oswald wie kein zweiter Landschaftsmaler der Welt. Die deutschen Künstler, die vor ihm die italienische Natur ausbeuteten, fußten fast ohne Ausnahme auf der stilisirten Anschauungsweise Nottmanns. Sie lösten aus den wechselnden Phä¬ nomen des Himmels und der Luft die ewigen Formen der Landschaft heraus. Die classische, strenge und keusche Schönheit der Linien war ihr Ideal, dessen alleinige Giltigkeit noch bis auf die neueste Zeit von Friedrich Preller und Gurlitt vertreten worden ist und vertreten wird. Diesen Stilisten trat nun Oswald Ueberhand mit dem magischen Reichthum einer unerschöpflichen Palette gegenüber. Bei ihm verschwand die Linie, welche den Horizont begrenzt, unter dem weichen Nebeldunst der Ferne, der je nach der Beleuchtung in allerhand Farben schillerte. Das Meer wurde auch ihm zum wichtigen Factor; aber er zeigte es niemals in seinem Aufruhr, sondern in jener majestätischen Ruhe, welche die Fläche wie einen Spiegel erscheinen läßt, auf dem tausend Lichter funkeln, die, gebrochen durch die dazwischen liegende Luftschicht, wieder zum Himmel zurück¬ strahlen. Die Stimmungen aller Tages- und Nachtzeiten hat er zum Gegen¬ stände eindringlichsten Studiums gemacht, sofern sich ihnen eine poetische Seite abgewinnen läßt. Gleich den Dichtern weilt er aber am liebsten im Monden- scheine, und so sind seine Mondscheinlandschaften die Höhepunkte seines Schaffens

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/338>, abgerufen am 23.07.2024.