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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lalderon.

Aehnlich finden sich Doppelmonvloge mit einander verflochten, so z. B. in jener
Seene der "Tochter der Luft," wo Semiramis und Menon, von Irene und
Ninus gezwungen, einander zu entsagen, im Garten zusammentreffen:


Sem.
(für sich).

War ein Zwang je ungestümer?


Mer.

War ein Loos je gualenvollcr?

(ebenso).

Zu verstehen geben, ich,


Sem.

Daß ich ihm mit Undank lohne?


Man.

Mit Gewalt ankünden, ich,

Daß ich hasse, der ich wohlwill?


Sem.

Ja, denn so wird Sie befriedigt.


Mer.

Ja, denn so wird Er gewonnen.
'

Freilich acht ich auf den Unmut!) --
'


Sem.
Mer.

Freilich, denk ich dieses Grolles --

. Welcher durch Irenens Neid


Sem

Ties in meiner Brust entglommen --


Man.

Der durch Ninus' Eifersucht

Tief in meiner Seel' cntlodert --


Sem.

Ach, der vorgegebne Haß --

Ach, das nachgemachte Trotzen --


Mer.

Sorg' ich, wird mir schwer gelingen.


Sem.
Man.

Furcht' ich, wird mir schlecht bekommen.

. Ha, sie sehn sich! Eifersucht,


Irene
(im Versteck)

Sei du meiner List gewogen!

(ebenso).

Ninus

Ha, sie umbr sich! Eifersucht,

Still' in meiner Brust dies Toben!

Man sieht, die opernhafte Responsivn, die sich auch auf den Inhalt des Ge-
sprvchnen erstreckt, ist in einer Weise beobachtet, an der gewisse classische Philo¬
logen, fände sie sich so ausgeprägt bei den griechischen Tragikern, ihre Frende
haben müßten, wenn ihnen nicht alsdann die Gelegenheit entginge, ihren Scharf¬
sinn an den armen Classilertexten zu bewähren.

Was die Vers formen betrifft, die Calderon in seinen Dramen zur An¬
wendung bringt, so bietet er nicht den bunten und oft mehr störenden als ästhe¬
tisch wohlthuenden Wechsel, dem man bei den meisten seiner Vorgänger begegnet.
So wendet er daktylische Rhythmen und italienische Cauzouenstrvphen nirgends,
andre vor ihm vielfach gebrauchte Formen wie Liras und Endechas nur selten
an. Der Hauptvers ist bei ihm der vierfüßige Trochäus, der theils nach Art
der volksthümlichen Romanzen in assonirenden Reihen, theils in künstlichen
Reimverschlingungen auftritt; von italienischen Formen finden sich mehrfach die
ottMö riine und das Sonett, Terzinen nur ein einziges Mal im "standhaften
Prinzen." Der zauberische Wohllaut, den die an sich schon so klangvolle castilianische
Sprache in Calderons Rhythmen ausströmt, ist ein Vorzug, den natürlich auch
die beste Übertragung höchstens ahnen lassen kann; am nächsten möchten den


Grenzboten II. 1881. 4!.
Lalderon.

Aehnlich finden sich Doppelmonvloge mit einander verflochten, so z. B. in jener
Seene der „Tochter der Luft," wo Semiramis und Menon, von Irene und
Ninus gezwungen, einander zu entsagen, im Garten zusammentreffen:


Sem.
(für sich).

War ein Zwang je ungestümer?


Mer.

War ein Loos je gualenvollcr?

(ebenso).

Zu verstehen geben, ich,


Sem.

Daß ich ihm mit Undank lohne?


Man.

Mit Gewalt ankünden, ich,

Daß ich hasse, der ich wohlwill?


Sem.

Ja, denn so wird Sie befriedigt.


Mer.

Ja, denn so wird Er gewonnen.
'

Freilich acht ich auf den Unmut!) —
'


Sem.
Mer.

Freilich, denk ich dieses Grolles —

. Welcher durch Irenens Neid


Sem

Ties in meiner Brust entglommen —


Man.

Der durch Ninus' Eifersucht

Tief in meiner Seel' cntlodert —


Sem.

Ach, der vorgegebne Haß —

Ach, das nachgemachte Trotzen —


Mer.

Sorg' ich, wird mir schwer gelingen.


Sem.
Man.

Furcht' ich, wird mir schlecht bekommen.

. Ha, sie sehn sich! Eifersucht,


Irene
(im Versteck)

Sei du meiner List gewogen!

(ebenso).

Ninus

Ha, sie umbr sich! Eifersucht,

Still' in meiner Brust dies Toben!

Man sieht, die opernhafte Responsivn, die sich auch auf den Inhalt des Ge-
sprvchnen erstreckt, ist in einer Weise beobachtet, an der gewisse classische Philo¬
logen, fände sie sich so ausgeprägt bei den griechischen Tragikern, ihre Frende
haben müßten, wenn ihnen nicht alsdann die Gelegenheit entginge, ihren Scharf¬
sinn an den armen Classilertexten zu bewähren.

Was die Vers formen betrifft, die Calderon in seinen Dramen zur An¬
wendung bringt, so bietet er nicht den bunten und oft mehr störenden als ästhe¬
tisch wohlthuenden Wechsel, dem man bei den meisten seiner Vorgänger begegnet.
So wendet er daktylische Rhythmen und italienische Cauzouenstrvphen nirgends,
andre vor ihm vielfach gebrauchte Formen wie Liras und Endechas nur selten
an. Der Hauptvers ist bei ihm der vierfüßige Trochäus, der theils nach Art
der volksthümlichen Romanzen in assonirenden Reihen, theils in künstlichen
Reimverschlingungen auftritt; von italienischen Formen finden sich mehrfach die
ottMö riine und das Sonett, Terzinen nur ein einziges Mal im „standhaften
Prinzen." Der zauberische Wohllaut, den die an sich schon so klangvolle castilianische
Sprache in Calderons Rhythmen ausströmt, ist ein Vorzug, den natürlich auch
die beste Übertragung höchstens ahnen lassen kann; am nächsten möchten den


Grenzboten II. 1881. 4!.
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[0325] Lalderon. Aehnlich finden sich Doppelmonvloge mit einander verflochten, so z. B. in jener Seene der „Tochter der Luft," wo Semiramis und Menon, von Irene und Ninus gezwungen, einander zu entsagen, im Garten zusammentreffen: Sem. (für sich). War ein Zwang je ungestümer? Mer. War ein Loos je gualenvollcr? (ebenso). Zu verstehen geben, ich, Sem. Daß ich ihm mit Undank lohne? Man. Mit Gewalt ankünden, ich, Daß ich hasse, der ich wohlwill? Sem. Ja, denn so wird Sie befriedigt. Mer. Ja, denn so wird Er gewonnen. ' Freilich acht ich auf den Unmut!) — ' Sem. Mer. Freilich, denk ich dieses Grolles — . Welcher durch Irenens Neid Sem Ties in meiner Brust entglommen — Man. Der durch Ninus' Eifersucht Tief in meiner Seel' cntlodert — Sem. Ach, der vorgegebne Haß — Ach, das nachgemachte Trotzen — Mer. Sorg' ich, wird mir schwer gelingen. Sem. Man. Furcht' ich, wird mir schlecht bekommen. . Ha, sie sehn sich! Eifersucht, Irene (im Versteck) Sei du meiner List gewogen! (ebenso). Ninus Ha, sie umbr sich! Eifersucht, Still' in meiner Brust dies Toben! Man sieht, die opernhafte Responsivn, die sich auch auf den Inhalt des Ge- sprvchnen erstreckt, ist in einer Weise beobachtet, an der gewisse classische Philo¬ logen, fände sie sich so ausgeprägt bei den griechischen Tragikern, ihre Frende haben müßten, wenn ihnen nicht alsdann die Gelegenheit entginge, ihren Scharf¬ sinn an den armen Classilertexten zu bewähren. Was die Vers formen betrifft, die Calderon in seinen Dramen zur An¬ wendung bringt, so bietet er nicht den bunten und oft mehr störenden als ästhe¬ tisch wohlthuenden Wechsel, dem man bei den meisten seiner Vorgänger begegnet. So wendet er daktylische Rhythmen und italienische Cauzouenstrvphen nirgends, andre vor ihm vielfach gebrauchte Formen wie Liras und Endechas nur selten an. Der Hauptvers ist bei ihm der vierfüßige Trochäus, der theils nach Art der volksthümlichen Romanzen in assonirenden Reihen, theils in künstlichen Reimverschlingungen auftritt; von italienischen Formen finden sich mehrfach die ottMö riine und das Sonett, Terzinen nur ein einziges Mal im „standhaften Prinzen." Der zauberische Wohllaut, den die an sich schon so klangvolle castilianische Sprache in Calderons Rhythmen ausströmt, ist ein Vorzug, den natürlich auch die beste Übertragung höchstens ahnen lassen kann; am nächsten möchten den Grenzboten II. 1881. 4!.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/325>, abgerufen am 23.07.2024.