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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Willst Wsnmi'et und Berlin.

eine Stnatsregierung in Deutschland, wenn sie uns die Förderung hinwies, welche
diesem Absolutismus aus der Exklusivität erwachse, mit der jede Behörde von
dem demokratischen Fvrtschrittsring absorbirt werde. Die Gemeinde- und Staats-
wählen werden geradezu terroristisch beherrscht, indem nichtfortschrittliche Wähler
durch mancherlei Manöver abgeschreckt werden, ihre Gesinnung laut werden zu
lasse". Namentlich wird jede nicht zu den Ansichten und Maßregeln der ge¬
bietenden Partei stimmende öffentliche Aeußerung über die Steuereinrichtungen
Berlins behutsam unterdrückt. Selbst Volksvertreter werden von der in Berlin
fast allein maßgebenden Clique in dieser und andern Beziehungen einzuschüchtern
versucht. "Als einer der Räthe des Polizeipräsidenten, der zugleich Mitglied
des Abgeordnetenhauses ist, bei den Debatten über das Zuständigkeitsgesetz mit
Schärfe, aber mit großer Sachkunde, die Beziehungen des berathnen Gesetzes zu
deu Cvmmunalverhältnissen Berlins beleuchtete, hat der für die parlamentarische
Redefreiheit sonst so eifrig eintretende Berliner Fortschritt doch, im Widersprüche
mit allen sonst in parlamentarischen Versammlungen behaupteten Theorien, sofort
Beschwerde bei dem Ministerium des Innern geführt. Indeß ist das noch weniger
zu verwundern als die Bereitwilligkeit dieser Staatsbehörde, auf die Beschwerde
einzugehen. Wie von unterrichteter Seite verlautet, war die Versetzung des be¬
treffenden Beamten nach Ostpreußen beabsichtigt, und dieselbe würde ausgeführt
worden sein, wenn dem Vetheiligten nicht von andrer Seite ein nicht angernfuer,
aber wirksamer Beistand geworden wäre."

So das angeführte Blatt. Wir fügen noch hinzu, daß auch der Uebergang
der Straßen der Stadt Berlin in das Eigenthum der letztem, der 1875 stattfand,
den Zwecken der regierenden Temokratenelique dienen mußte, und daß er auch sonst
Ungehörigkeiten zur Folge gehabt hat. Man pocht jetzt darauf und verfährt, als
könne man hier thun, was man wolle. Ein Beispiel ist die Pferdebahn, von
der man in gewisser Hinsicht sagen kann, seit die Verwaltung das Recht des
Staats an den Straßen der Stadt abgetreten hat, sei geradezu das mittelalter¬
liche Geleitsrecht wieder ausgelebt und in Kraft getreten. Der Minister Maybach
aber hat den Herren, als die Bahn über die Jerusalemer Straße gelegt werden
sollte, noch einmal, um einen Volksausdruck zu brauchen, zu zeigen gewußt, was
eine Harke ist.

Der Reichskanzler will, wie er am 28. März im Reichstage erklärte, keine
Staaisomnipotenz, aber er will auch keine Zersetzung, keinen Zerfall des Staats
in eommunale Republiken nach dem Geschmacke der Demokraten von der Partei
der Herren Richter und Virchow. Wie weit man mit den Bestrebungen nach
einer solche" Ausdehnung der Selbstregierung kommt, haben wir in Paris wieder¬
holt zu beobachten Gelegenheit gefunden. Jetzt wird es wieder versucht von der


Willst Wsnmi'et und Berlin.

eine Stnatsregierung in Deutschland, wenn sie uns die Förderung hinwies, welche
diesem Absolutismus aus der Exklusivität erwachse, mit der jede Behörde von
dem demokratischen Fvrtschrittsring absorbirt werde. Die Gemeinde- und Staats-
wählen werden geradezu terroristisch beherrscht, indem nichtfortschrittliche Wähler
durch mancherlei Manöver abgeschreckt werden, ihre Gesinnung laut werden zu
lasse». Namentlich wird jede nicht zu den Ansichten und Maßregeln der ge¬
bietenden Partei stimmende öffentliche Aeußerung über die Steuereinrichtungen
Berlins behutsam unterdrückt. Selbst Volksvertreter werden von der in Berlin
fast allein maßgebenden Clique in dieser und andern Beziehungen einzuschüchtern
versucht. „Als einer der Räthe des Polizeipräsidenten, der zugleich Mitglied
des Abgeordnetenhauses ist, bei den Debatten über das Zuständigkeitsgesetz mit
Schärfe, aber mit großer Sachkunde, die Beziehungen des berathnen Gesetzes zu
deu Cvmmunalverhältnissen Berlins beleuchtete, hat der für die parlamentarische
Redefreiheit sonst so eifrig eintretende Berliner Fortschritt doch, im Widersprüche
mit allen sonst in parlamentarischen Versammlungen behaupteten Theorien, sofort
Beschwerde bei dem Ministerium des Innern geführt. Indeß ist das noch weniger
zu verwundern als die Bereitwilligkeit dieser Staatsbehörde, auf die Beschwerde
einzugehen. Wie von unterrichteter Seite verlautet, war die Versetzung des be¬
treffenden Beamten nach Ostpreußen beabsichtigt, und dieselbe würde ausgeführt
worden sein, wenn dem Vetheiligten nicht von andrer Seite ein nicht angernfuer,
aber wirksamer Beistand geworden wäre."

So das angeführte Blatt. Wir fügen noch hinzu, daß auch der Uebergang
der Straßen der Stadt Berlin in das Eigenthum der letztem, der 1875 stattfand,
den Zwecken der regierenden Temokratenelique dienen mußte, und daß er auch sonst
Ungehörigkeiten zur Folge gehabt hat. Man pocht jetzt darauf und verfährt, als
könne man hier thun, was man wolle. Ein Beispiel ist die Pferdebahn, von
der man in gewisser Hinsicht sagen kann, seit die Verwaltung das Recht des
Staats an den Straßen der Stadt abgetreten hat, sei geradezu das mittelalter¬
liche Geleitsrecht wieder ausgelebt und in Kraft getreten. Der Minister Maybach
aber hat den Herren, als die Bahn über die Jerusalemer Straße gelegt werden
sollte, noch einmal, um einen Volksausdruck zu brauchen, zu zeigen gewußt, was
eine Harke ist.

Der Reichskanzler will, wie er am 28. März im Reichstage erklärte, keine
Staaisomnipotenz, aber er will auch keine Zersetzung, keinen Zerfall des Staats
in eommunale Republiken nach dem Geschmacke der Demokraten von der Partei
der Herren Richter und Virchow. Wie weit man mit den Bestrebungen nach
einer solche» Ausdehnung der Selbstregierung kommt, haben wir in Paris wieder¬
holt zu beobachten Gelegenheit gefunden. Jetzt wird es wieder versucht von der


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[0296] Willst Wsnmi'et und Berlin. eine Stnatsregierung in Deutschland, wenn sie uns die Förderung hinwies, welche diesem Absolutismus aus der Exklusivität erwachse, mit der jede Behörde von dem demokratischen Fvrtschrittsring absorbirt werde. Die Gemeinde- und Staats- wählen werden geradezu terroristisch beherrscht, indem nichtfortschrittliche Wähler durch mancherlei Manöver abgeschreckt werden, ihre Gesinnung laut werden zu lasse». Namentlich wird jede nicht zu den Ansichten und Maßregeln der ge¬ bietenden Partei stimmende öffentliche Aeußerung über die Steuereinrichtungen Berlins behutsam unterdrückt. Selbst Volksvertreter werden von der in Berlin fast allein maßgebenden Clique in dieser und andern Beziehungen einzuschüchtern versucht. „Als einer der Räthe des Polizeipräsidenten, der zugleich Mitglied des Abgeordnetenhauses ist, bei den Debatten über das Zuständigkeitsgesetz mit Schärfe, aber mit großer Sachkunde, die Beziehungen des berathnen Gesetzes zu deu Cvmmunalverhältnissen Berlins beleuchtete, hat der für die parlamentarische Redefreiheit sonst so eifrig eintretende Berliner Fortschritt doch, im Widersprüche mit allen sonst in parlamentarischen Versammlungen behaupteten Theorien, sofort Beschwerde bei dem Ministerium des Innern geführt. Indeß ist das noch weniger zu verwundern als die Bereitwilligkeit dieser Staatsbehörde, auf die Beschwerde einzugehen. Wie von unterrichteter Seite verlautet, war die Versetzung des be¬ treffenden Beamten nach Ostpreußen beabsichtigt, und dieselbe würde ausgeführt worden sein, wenn dem Vetheiligten nicht von andrer Seite ein nicht angernfuer, aber wirksamer Beistand geworden wäre." So das angeführte Blatt. Wir fügen noch hinzu, daß auch der Uebergang der Straßen der Stadt Berlin in das Eigenthum der letztem, der 1875 stattfand, den Zwecken der regierenden Temokratenelique dienen mußte, und daß er auch sonst Ungehörigkeiten zur Folge gehabt hat. Man pocht jetzt darauf und verfährt, als könne man hier thun, was man wolle. Ein Beispiel ist die Pferdebahn, von der man in gewisser Hinsicht sagen kann, seit die Verwaltung das Recht des Staats an den Straßen der Stadt abgetreten hat, sei geradezu das mittelalter¬ liche Geleitsrecht wieder ausgelebt und in Kraft getreten. Der Minister Maybach aber hat den Herren, als die Bahn über die Jerusalemer Straße gelegt werden sollte, noch einmal, um einen Volksausdruck zu brauchen, zu zeigen gewußt, was eine Harke ist. Der Reichskanzler will, wie er am 28. März im Reichstage erklärte, keine Staaisomnipotenz, aber er will auch keine Zersetzung, keinen Zerfall des Staats in eommunale Republiken nach dem Geschmacke der Demokraten von der Partei der Herren Richter und Virchow. Wie weit man mit den Bestrebungen nach einer solche» Ausdehnung der Selbstregierung kommt, haben wir in Paris wieder¬ holt zu beobachten Gelegenheit gefunden. Jetzt wird es wieder versucht von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/296>, abgerufen am 23.07.2024.