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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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sondern Züge, die nach einer wohldurchdachten Anlage mit eiserner Consequenz
ausgeführt wurden.

Daß diese Auschauung die richtige sei, müssen wir auch nach der Lectüre
vo>l Sarnuws Buch bezweifeln. Wir wollen von Einzelheiten ganz schweigen.
In einzelnen Fällen, wie bei dem gänzlich uumotivirten Zuge gegen Lemberg,
der dem König August Gelegenheit gab, sich wieder in den Besitz von Warschau
zu setzen, bei der Vertheidigung von Stralsund, die den König von wichtigern
Geschäften abzog und von jedem General geleitet werden konnte, bei dein ersten
Zuge gegen Norwegen weiß sanno selbst nicht, die Absichten des Königs zu
erklären oder sieht sich, wie im letztern Falle, noch gezwungen, einen Tadel aus-
zusprechen. Andre Unternehmungen, wie der Angriff auf das von den Russen
besetzte Pultawa oder das lange Verweilen in der Türkei, sind in keinem Falle
genügend motivirt. Recht wenig gelingt es anch Saranw, Karls Verfahren der
polnischen Krone gegenüber zu rechtfertigen. Der Schwedenkönig, so meint er,
sei nach vergeblichen Verhandlungen in seiner Ueberzeugung bestärkt worden, daß
er in friedlicher Weise mit der polnischen Republik nicht zum Ziele käme und
daß er Thatsachen schaffen müsse, um seinen Forderungen Kraft zu verleihen.
Diese Thatsachen seien die Besetzung der wichtigsten Plätze Polens und die Ver¬
treibung Augusts gewesen. Sobald er dies erreichte, habe er hoffen können,
daß die Polen dem, was er verlangte, ein williges Ohr leihen würden. Ans
diesem Gesichtspunkte müßten die folgenden Unternehmungen des schwedischen
Königs betrachtet werden, wenn sie nicht das Aussehen eines planlosen Hin- und
Herstreifens gewinnen sollen.

Die meisten Geschichtschreiber haben gefunden, daß Karls starres Festhalten
an dem Plane der Absetzung Augusts ein großer politischer und militärischer
Fehler war. Sie stimmen darin mit dem Urtheil Oxeustjcrnas überein, der von
Stockholm aus den König beschwor, mit Polen Frieden zu machen. Zur Ab¬
setzung des Königs, hatte er geschrieben, würden sich die Polen schwer verstehen,
weil sie ein gar stolzes Volk seien und vor der Welt eine beständige Devotion
für ihren König affectirter. Der rechte Weg sei, sich eine starke Partei in Polen
zu verschaffen und mit ihrer Hilfe der Republik vorzustellen, daß der König ihr
ihre Freiheiten nehmen wolle, weshalb seine Macht so einzuschränken sei, daß er
weder ihr noch auch Schweden mehr Schaden zufügen könne. Es müsse auch
hervorgehoben werden, daß Schweden der natürliche Bundesgenosse Polens gegen
Rußland sei, gegen welches beide Länder gemeinschaftliche Sache machen müßten.

So weitOxenstjerna. Sarauw ist der Meinung, daß dieses "völlig irrelevante
Actenstück die deutlichsten Spuren der Altersschwäche des Verfassers an sich
trage," und spricht die Hoffnung aus, daß man seiner "ganzen, vorurtheilsfreien


<Z»r Lhawkiorislik Um-Sö XII. voll Schweden.

sondern Züge, die nach einer wohldurchdachten Anlage mit eiserner Consequenz
ausgeführt wurden.

Daß diese Auschauung die richtige sei, müssen wir auch nach der Lectüre
vo>l Sarnuws Buch bezweifeln. Wir wollen von Einzelheiten ganz schweigen.
In einzelnen Fällen, wie bei dem gänzlich uumotivirten Zuge gegen Lemberg,
der dem König August Gelegenheit gab, sich wieder in den Besitz von Warschau
zu setzen, bei der Vertheidigung von Stralsund, die den König von wichtigern
Geschäften abzog und von jedem General geleitet werden konnte, bei dein ersten
Zuge gegen Norwegen weiß sanno selbst nicht, die Absichten des Königs zu
erklären oder sieht sich, wie im letztern Falle, noch gezwungen, einen Tadel aus-
zusprechen. Andre Unternehmungen, wie der Angriff auf das von den Russen
besetzte Pultawa oder das lange Verweilen in der Türkei, sind in keinem Falle
genügend motivirt. Recht wenig gelingt es anch Saranw, Karls Verfahren der
polnischen Krone gegenüber zu rechtfertigen. Der Schwedenkönig, so meint er,
sei nach vergeblichen Verhandlungen in seiner Ueberzeugung bestärkt worden, daß
er in friedlicher Weise mit der polnischen Republik nicht zum Ziele käme und
daß er Thatsachen schaffen müsse, um seinen Forderungen Kraft zu verleihen.
Diese Thatsachen seien die Besetzung der wichtigsten Plätze Polens und die Ver¬
treibung Augusts gewesen. Sobald er dies erreichte, habe er hoffen können,
daß die Polen dem, was er verlangte, ein williges Ohr leihen würden. Ans
diesem Gesichtspunkte müßten die folgenden Unternehmungen des schwedischen
Königs betrachtet werden, wenn sie nicht das Aussehen eines planlosen Hin- und
Herstreifens gewinnen sollen.

Die meisten Geschichtschreiber haben gefunden, daß Karls starres Festhalten
an dem Plane der Absetzung Augusts ein großer politischer und militärischer
Fehler war. Sie stimmen darin mit dem Urtheil Oxeustjcrnas überein, der von
Stockholm aus den König beschwor, mit Polen Frieden zu machen. Zur Ab¬
setzung des Königs, hatte er geschrieben, würden sich die Polen schwer verstehen,
weil sie ein gar stolzes Volk seien und vor der Welt eine beständige Devotion
für ihren König affectirter. Der rechte Weg sei, sich eine starke Partei in Polen
zu verschaffen und mit ihrer Hilfe der Republik vorzustellen, daß der König ihr
ihre Freiheiten nehmen wolle, weshalb seine Macht so einzuschränken sei, daß er
weder ihr noch auch Schweden mehr Schaden zufügen könne. Es müsse auch
hervorgehoben werden, daß Schweden der natürliche Bundesgenosse Polens gegen
Rußland sei, gegen welches beide Länder gemeinschaftliche Sache machen müßten.

So weitOxenstjerna. Sarauw ist der Meinung, daß dieses „völlig irrelevante
Actenstück die deutlichsten Spuren der Altersschwäche des Verfassers an sich
trage," und spricht die Hoffnung aus, daß man seiner „ganzen, vorurtheilsfreien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/288>, abgerufen am 05.02.2025.