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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Sei gefühllos!
El" leichtbewegtes Herz
Ist ein elend Gut
Auf der wankenden Erde.
Vehrisch! des Frühlings Lächeln
Erheilre deine Stirne nie;
Nie trübt sie dann mit Verdruß
Des Winters stürmischer Ernst.
Lehne Dich nie an des Mädchens
Sorgenvcrwiegende Brust,
Nie auf des Freundes
Elcndtragendeu Arm ,,,
Gerne "erließest Du
Dieses gehaßte Land,
Hielte Dich nicht Frenndschnft
Mit Blumeufesseln an mir.
Zerreiß sie! Ich klage nicht.
Kein edler Freund
Hält den Mitgefnngne",
Der fliehen kann, zurück.
Der Gedanke
Vou des Freundes Freiheit
Ist ihm Freiheit
Im Kerker.

Der Schluß der Ode weist darauf hin, daß Goethe selbst sich von Leipzig hinweg-
sehut und die Zeit seines Abgangs nahe glaubt. Wahrscheinlich schrieb er die
Oden zu Anfang des Wintersemesters 1767 und rechnete in seineu Versen nicht
nach dem bürgerlichen, sondern nach dem akademischen Jahre.


Du gehst, ich bleibe.
Aber schou drehen
Des letzten Jahres Flügelspeichen
Sich um die rauchende Achse.
Ich zähle die Schläge
Des donnerten Rath,
Segne den letzten,
Da springen die Riegel, frei bin ich wie dn!

(Fortsetzung folgt.)





Sei gefühllos!
El» leichtbewegtes Herz
Ist ein elend Gut
Auf der wankenden Erde.
Vehrisch! des Frühlings Lächeln
Erheilre deine Stirne nie;
Nie trübt sie dann mit Verdruß
Des Winters stürmischer Ernst.
Lehne Dich nie an des Mädchens
Sorgenvcrwiegende Brust,
Nie auf des Freundes
Elcndtragendeu Arm ,,,
Gerne »erließest Du
Dieses gehaßte Land,
Hielte Dich nicht Frenndschnft
Mit Blumeufesseln an mir.
Zerreiß sie! Ich klage nicht.
Kein edler Freund
Hält den Mitgefnngne»,
Der fliehen kann, zurück.
Der Gedanke
Vou des Freundes Freiheit
Ist ihm Freiheit
Im Kerker.

Der Schluß der Ode weist darauf hin, daß Goethe selbst sich von Leipzig hinweg-
sehut und die Zeit seines Abgangs nahe glaubt. Wahrscheinlich schrieb er die
Oden zu Anfang des Wintersemesters 1767 und rechnete in seineu Versen nicht
nach dem bürgerlichen, sondern nach dem akademischen Jahre.


Du gehst, ich bleibe.
Aber schou drehen
Des letzten Jahres Flügelspeichen
Sich um die rauchende Achse.
Ich zähle die Schläge
Des donnerten Rath,
Segne den letzten,
Da springen die Riegel, frei bin ich wie dn!

(Fortsetzung folgt.)




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[0028] Sei gefühllos! El» leichtbewegtes Herz Ist ein elend Gut Auf der wankenden Erde. Vehrisch! des Frühlings Lächeln Erheilre deine Stirne nie; Nie trübt sie dann mit Verdruß Des Winters stürmischer Ernst. Lehne Dich nie an des Mädchens Sorgenvcrwiegende Brust, Nie auf des Freundes Elcndtragendeu Arm ,,, Gerne »erließest Du Dieses gehaßte Land, Hielte Dich nicht Frenndschnft Mit Blumeufesseln an mir. Zerreiß sie! Ich klage nicht. Kein edler Freund Hält den Mitgefnngne», Der fliehen kann, zurück. Der Gedanke Vou des Freundes Freiheit Ist ihm Freiheit Im Kerker. Der Schluß der Ode weist darauf hin, daß Goethe selbst sich von Leipzig hinweg- sehut und die Zeit seines Abgangs nahe glaubt. Wahrscheinlich schrieb er die Oden zu Anfang des Wintersemesters 1767 und rechnete in seineu Versen nicht nach dem bürgerlichen, sondern nach dem akademischen Jahre. Du gehst, ich bleibe. Aber schou drehen Des letzten Jahres Flügelspeichen Sich um die rauchende Achse. Ich zähle die Schläge Des donnerten Rath, Segne den letzten, Da springen die Riegel, frei bin ich wie dn! (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/28>, abgerufen am 23.07.2024.