Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Ver Streit um Tuns. Wir mit den Kmmirs unsre Rechnung für das Vergangne ins Reine gebracht Und wie stellt sich schließlich Deutschland zu der Angelegenheit? Oder, was Ver Streit um Tuns. Wir mit den Kmmirs unsre Rechnung für das Vergangne ins Reine gebracht Und wie stellt sich schließlich Deutschland zu der Angelegenheit? Oder, was <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149843"/> <fw type="header" place="top"> Ver Streit um Tuns.</fw><lb/> <p xml:id="ID_933" prev="#ID_932"> Wir mit den Kmmirs unsre Rechnung für das Vergangne ins Reine gebracht<lb/> haben, wenn sie unsre Kraft gefühlt und eine Züchtigung erhalten haben werden,<lb/> wollen wir sehen, was zu thun ist, um die Zukunft zu sichern. Die Frage<lb/> muß derartig gelöst werdeu, daß wir nicht gezwungen sind, nachmals eine Ex¬<lb/> pedition zu unternehmen. Es darf nicht geschehen, daß eine Laune dieser Barbaren<lb/> uns zwinge, abermals 20 000 Mann ins Feld rücken zu lassen. Dem Dinge<lb/> muß ein Ende gemacht werden. Aber die materielle Sicherheit unsrer Grenze<lb/> ist weder die alleinige noch vielleicht die wichtigste Frage, die wir zu stellen<lb/> haben. Der tägliche Verkehr zwischen den Tuuesieru und den Algeriern, die<lb/> Gleichheit der Religion, der Rasse und der Sprache bewirken, daß alles, was in<lb/> Tunesien vorgeht, in Algerien nothwendig widerhallt. So lange die Regierung<lb/> von Tunis eine freundliche ist, so lange der Bey sich auf Frankreich wie<lb/> auf einen natürlichen Beschützer stützt, dringt kein Gährungsstvff aus Tunesien<lb/> nach Algerien. Giebt dagegen der Bey seinen bösen Willen gegen Frankreich<lb/> kund, werden die Rechte der Franzosen nicht mehr geachtet, die mit ihnen ab-<lb/> gcschlossnen Verträge nicht mehr anerkannt, so erfährt man dies alsbald in ganz<lb/> Algerien. Die Araber kommen dann auf den Gedanken, wir seien nicht mehr<lb/> imstande, uns Achtung zu verschaffen, und sobald jene nicht mehr an unsre Macht<lb/> glauben, reicht der geringste Zwischenfall hin, sie zum Aufstande zu bewegen...<lb/> Kurz, es ist sür uns unentbehrlich, wenn wir Ruhe in Algerien behalten wollen,<lb/> uns auf unsern Nachbar in Tunis verlassen zu können. Er muß entweder unser<lb/> bester Freund oder unser erklärter Feind sein. Gegenwärtig ist er weder das<lb/> eilte noch das andre. Diese Zweideutigkeit muß ein Ende nehmen." Man darf<lb/> hierbei vielleicht an das Sprichwort denken, daß in dieser schlimmen Welt der<lb/> beste Freund eines Menschen er selbst ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_934"> Und wie stellt sich schließlich Deutschland zu der Angelegenheit? Oder, was<lb/> dasselbe ist, wie denkt der Reichskanzler von der Sache? Der bekannte Pariser<lb/> Timescorrcspondent erzählt: „Er selbst sagte zu mir: ,Als ich Lord Beaconsficld<lb/> zuerst sah, bemerkte ich gegen ihn, Sie sollten sich mit Rußland verständigen,<lb/> statt es anzufeinden; geben Sie ihm Konstantinopel, und nehmen sie als Ersatz<lb/> Aegypten. Frankreich wird nicht sonderlich böse sein; man kann ihm Tunis oder<lb/> Syrien geben.' Ich hielt diese Worte für einen Scherz, doch hatte der Fürst<lb/> früher in derselben Weise zu Lord Salisbury und Waddington gesprochen. Salisbury<lb/> gab keine Autwort, weil Bismcirck damals das Geschäft mit Cypern noch nicht<lb/> kannte, wogegen Waddington das entgegnete, was er später öffentlich wiederholte,<lb/> daß nämlich .Frankreich keine Absichten auf Tunis habe, aber mich keiner andern<lb/> Macht gestatten könne, sich dort festzusetzen und dadurch die algerischen Besitzungen<lb/> Frankreichs zu gefährden.'"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
Ver Streit um Tuns.
Wir mit den Kmmirs unsre Rechnung für das Vergangne ins Reine gebracht
haben, wenn sie unsre Kraft gefühlt und eine Züchtigung erhalten haben werden,
wollen wir sehen, was zu thun ist, um die Zukunft zu sichern. Die Frage
muß derartig gelöst werdeu, daß wir nicht gezwungen sind, nachmals eine Ex¬
pedition zu unternehmen. Es darf nicht geschehen, daß eine Laune dieser Barbaren
uns zwinge, abermals 20 000 Mann ins Feld rücken zu lassen. Dem Dinge
muß ein Ende gemacht werden. Aber die materielle Sicherheit unsrer Grenze
ist weder die alleinige noch vielleicht die wichtigste Frage, die wir zu stellen
haben. Der tägliche Verkehr zwischen den Tuuesieru und den Algeriern, die
Gleichheit der Religion, der Rasse und der Sprache bewirken, daß alles, was in
Tunesien vorgeht, in Algerien nothwendig widerhallt. So lange die Regierung
von Tunis eine freundliche ist, so lange der Bey sich auf Frankreich wie
auf einen natürlichen Beschützer stützt, dringt kein Gährungsstvff aus Tunesien
nach Algerien. Giebt dagegen der Bey seinen bösen Willen gegen Frankreich
kund, werden die Rechte der Franzosen nicht mehr geachtet, die mit ihnen ab-
gcschlossnen Verträge nicht mehr anerkannt, so erfährt man dies alsbald in ganz
Algerien. Die Araber kommen dann auf den Gedanken, wir seien nicht mehr
imstande, uns Achtung zu verschaffen, und sobald jene nicht mehr an unsre Macht
glauben, reicht der geringste Zwischenfall hin, sie zum Aufstande zu bewegen...
Kurz, es ist sür uns unentbehrlich, wenn wir Ruhe in Algerien behalten wollen,
uns auf unsern Nachbar in Tunis verlassen zu können. Er muß entweder unser
bester Freund oder unser erklärter Feind sein. Gegenwärtig ist er weder das
eilte noch das andre. Diese Zweideutigkeit muß ein Ende nehmen." Man darf
hierbei vielleicht an das Sprichwort denken, daß in dieser schlimmen Welt der
beste Freund eines Menschen er selbst ist.
Und wie stellt sich schließlich Deutschland zu der Angelegenheit? Oder, was
dasselbe ist, wie denkt der Reichskanzler von der Sache? Der bekannte Pariser
Timescorrcspondent erzählt: „Er selbst sagte zu mir: ,Als ich Lord Beaconsficld
zuerst sah, bemerkte ich gegen ihn, Sie sollten sich mit Rußland verständigen,
statt es anzufeinden; geben Sie ihm Konstantinopel, und nehmen sie als Ersatz
Aegypten. Frankreich wird nicht sonderlich böse sein; man kann ihm Tunis oder
Syrien geben.' Ich hielt diese Worte für einen Scherz, doch hatte der Fürst
früher in derselben Weise zu Lord Salisbury und Waddington gesprochen. Salisbury
gab keine Autwort, weil Bismcirck damals das Geschäft mit Cypern noch nicht
kannte, wogegen Waddington das entgegnete, was er später öffentlich wiederholte,
daß nämlich .Frankreich keine Absichten auf Tunis habe, aber mich keiner andern
Macht gestatten könne, sich dort festzusetzen und dadurch die algerischen Besitzungen
Frankreichs zu gefährden.'"
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