Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Äer Streit ""> Tunis. Es wird die Stämme, die gezüchtigt werden sollen, aller Hoffnung auf Unter¬ Was weiter geschehen wird, bleibt abzuwarten. An einen erfolgreichen Wider¬ Aber werden die übrigen Mächte die Errichtung eines französischen Pro¬ Grcnzbott'n N. 1881. 34
Äer Streit »»> Tunis. Es wird die Stämme, die gezüchtigt werden sollen, aller Hoffnung auf Unter¬ Was weiter geschehen wird, bleibt abzuwarten. An einen erfolgreichen Wider¬ Aber werden die übrigen Mächte die Errichtung eines französischen Pro¬ Grcnzbott'n N. 1881. 34
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149841"/> <fw type="header" place="top"> Äer Streit »»> Tunis.</fw><lb/> <p xml:id="ID_927" prev="#ID_926"> Es wird die Stämme, die gezüchtigt werden sollen, aller Hoffnung auf Unter¬<lb/> stützung und Ermuthigung aus der Richtung der Stadt Tunis berauben, und<lb/> zugleich, wie ein französisches Blatt bemerkt, „dem Bey im Bardo Gelegenheit<lb/> zum Nachdenken geben." Auch anderwärts wird das nachdenklich machen. Man<lb/> besehe sich die Landkarte. Bizerta liegt nordnordwestlich von Tunis und ist von<lb/> dort nur acht deutsche Meilen entfernt, die eine Armee in zwei Tagen zurück¬<lb/> legen kann. Andrerseits sind Tunis und Bizerta ungefähr gleichweit vom Lande<lb/> der Chmir, welches südwestlich vou jenem und genau westlich von diesem liegt<lb/> und von beiden etwa 100 Kilometer oder 13 Meilen entfernt ist. Die Franzosen<lb/> mögen es mit der Absicht, die Chmir von dieser Richtung her zu blockiren, ernst¬<lb/> lich meinen, aber man muß gestehen, daß sie sich dabei eines Umwegs bedient,<lb/> etwas weit ausgeholt und dabei merkwürdigerweise eine Stelle occupirt haben,<lb/> die äußerst günstig gelegen wäre, wenn sie Tunis und das Bardo bedrohen oder<lb/> besetze«? wollten. Ueberdies sah man sehr bald, daß die Chmir nicht imstande<lb/> waren, einer gut gerüsteten und geschulten Armee wie derjenigen, die gegen sie<lb/> anmarschirtc, Widerstand zu leisten, und der Gedanke, daß es dazu der Stellung<lb/> bei Bizerta bedürfe, wird kaum jemand einleuchten. Im Gegentheil, jedermann<lb/> wird erwarten, demnächst zu erfahren, daß die in Bizerta gekantete Brigade<lb/> nach der Stadt Tunis aufgebrochen sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_928"> Was weiter geschehen wird, bleibt abzuwarten. An einen erfolgreichen Wider¬<lb/> stand der tunesischen Armee gegen die Invasion, wenn sie ganz Tunesien mit<lb/> Einschluß der Hauptstadt zu besetzen bestimmt wäre, ist nicht zu denken; denn<lb/> jene Armee ist nicht sehr zahlreich und nichts weniger als in gutem Zustande.<lb/> Der Feldzug der Franzosen würde, abgesehen von den Strapatzcn, welche ein<lb/> halbwildes Gebirgsland mit 4- bis 5000 Fuß hohen Gipfeln und schlechten<lb/> Straßen einem Heere zumuthet, wahrscheinlich nicht viel mehr als ein militärischer<lb/> Spaziergang sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_929" next="#ID_930"> Aber werden die übrigen Mächte die Errichtung eines französischen Pro¬<lb/> tektorats über Tunis oder gar die Einverleibung des letztern in die afrikanischen<lb/> Besitzungen Frankreichs gestatten? Italien wird, wie bemerkt, allein nichts thun,<lb/> weil es den Franzosen nicht entfernt gewachsen ist und mehr wagen würde, als<lb/> es im besten Falle gewinnen könnte. Die öffentliche Meinung grollt, die Zeitungen<lb/> bäumen sich auf und ergehen sich in heftigen Worten. Die „Nazione" sagt:<lb/> „So gern Italien den Frieden bewahrt, ist es ihm doch unmöglich, sich ruhig<lb/> durchprügeln zu lassen und für die Dauer über die Prügel zu quittiren." Die<lb/> „Riforma" erklärt: „Die französische Regierung hat durch ihre tunesische Politik<lb/> eine uuüberstcigbare Mauer zwischen Frankreich und Italien gezogen, weshalb<lb/> Italien nunmehr mit offnem Programm Deutschlands intime Freundschaft an-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzbott'n N. 1881. 34</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
Äer Streit »»> Tunis.
Es wird die Stämme, die gezüchtigt werden sollen, aller Hoffnung auf Unter¬
stützung und Ermuthigung aus der Richtung der Stadt Tunis berauben, und
zugleich, wie ein französisches Blatt bemerkt, „dem Bey im Bardo Gelegenheit
zum Nachdenken geben." Auch anderwärts wird das nachdenklich machen. Man
besehe sich die Landkarte. Bizerta liegt nordnordwestlich von Tunis und ist von
dort nur acht deutsche Meilen entfernt, die eine Armee in zwei Tagen zurück¬
legen kann. Andrerseits sind Tunis und Bizerta ungefähr gleichweit vom Lande
der Chmir, welches südwestlich vou jenem und genau westlich von diesem liegt
und von beiden etwa 100 Kilometer oder 13 Meilen entfernt ist. Die Franzosen
mögen es mit der Absicht, die Chmir von dieser Richtung her zu blockiren, ernst¬
lich meinen, aber man muß gestehen, daß sie sich dabei eines Umwegs bedient,
etwas weit ausgeholt und dabei merkwürdigerweise eine Stelle occupirt haben,
die äußerst günstig gelegen wäre, wenn sie Tunis und das Bardo bedrohen oder
besetze«? wollten. Ueberdies sah man sehr bald, daß die Chmir nicht imstande
waren, einer gut gerüsteten und geschulten Armee wie derjenigen, die gegen sie
anmarschirtc, Widerstand zu leisten, und der Gedanke, daß es dazu der Stellung
bei Bizerta bedürfe, wird kaum jemand einleuchten. Im Gegentheil, jedermann
wird erwarten, demnächst zu erfahren, daß die in Bizerta gekantete Brigade
nach der Stadt Tunis aufgebrochen sei.
Was weiter geschehen wird, bleibt abzuwarten. An einen erfolgreichen Wider¬
stand der tunesischen Armee gegen die Invasion, wenn sie ganz Tunesien mit
Einschluß der Hauptstadt zu besetzen bestimmt wäre, ist nicht zu denken; denn
jene Armee ist nicht sehr zahlreich und nichts weniger als in gutem Zustande.
Der Feldzug der Franzosen würde, abgesehen von den Strapatzcn, welche ein
halbwildes Gebirgsland mit 4- bis 5000 Fuß hohen Gipfeln und schlechten
Straßen einem Heere zumuthet, wahrscheinlich nicht viel mehr als ein militärischer
Spaziergang sein.
Aber werden die übrigen Mächte die Errichtung eines französischen Pro¬
tektorats über Tunis oder gar die Einverleibung des letztern in die afrikanischen
Besitzungen Frankreichs gestatten? Italien wird, wie bemerkt, allein nichts thun,
weil es den Franzosen nicht entfernt gewachsen ist und mehr wagen würde, als
es im besten Falle gewinnen könnte. Die öffentliche Meinung grollt, die Zeitungen
bäumen sich auf und ergehen sich in heftigen Worten. Die „Nazione" sagt:
„So gern Italien den Frieden bewahrt, ist es ihm doch unmöglich, sich ruhig
durchprügeln zu lassen und für die Dauer über die Prügel zu quittiren." Die
„Riforma" erklärt: „Die französische Regierung hat durch ihre tunesische Politik
eine uuüberstcigbare Mauer zwischen Frankreich und Italien gezogen, weshalb
Italien nunmehr mit offnem Programm Deutschlands intime Freundschaft an-
Grcnzbott'n N. 1881. 34
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