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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Der Streit um Tunis.

Baumwolle, und die Schnfheerden liefern vorzügliche Wolle. An Mineral-
producten werden Salpeter, Bleierze und Quecksilber gewonnen. Die Industrie
ist nicht unbeträchtlich, 5er Handel ziemlich lebhaft.

Die Bevölkerung, die nach einigen Quellen 2 Millionen, nach andern nicht
viel über 950 000 Seelen beträgt, besteht vorwiegend aus Arabern und Berbern,
dann aus maurischen Elementen, etwa 50 000 Juden und ungefähr 28 000
Europäern: unter letzter"? bilden die Italiener die Mehrzahl. Die herrschende
Religion ist der Islam. Der Handel concentrirt sich hauptsächlich in den Städten
Tunis und Susa. Ausgeführt werden Wolle, Olivenöl, Wachs und Honig, Seife,
Hänte, Saffian, Weizen und Gerste, Korallen, die bei der Insel Tabarka gefischt
werden, Schwämme und die im ganzen Morgenlande beliebten Erzeugnisse der
Fez-Fnbriken des Landes. Aus dem Innern von Afrika bringen Karawanen
Sennesblätter, Harze, Straußenfedern und Elfenbein. Die Einfuhr besteht aus
Manufacturwaaren, Cvlonialproducten und spanischen Weinen. Zu Lande ver¬
mitteln einige Eisenbahnen, die aber erst theilweise vollendet sind, zur See fremde
und einheimische Schiffe den Verkehr. 1875 liefen in den vier Haupthäfe"
Gvletta, Sfakes, Susa und Djerba 2220 Schiffe aus und 2114 ein, und die
gesammte Ausfuhr repräsentirte einen Werth von circa 13, die Einfuhr einen
Werth von ungefähr 9^ Millionen Mark. Die wichtigsten Küstenorte sind
telegraphisch mit der Hauptstadt verbunden, auch hat man eine unterseeische
Kabelvcrbindung zwischen Goletta und Algier und eine zweite mit Italien her¬
gestellt.

Von den Städten des Landes ist die wichtigste die Hauptstadt Tunis. Sie
liegt sechs Meilen vom Meere amphitheatralisch am Ende des El Bahira, eines
mit dem Golf von Tunis durch den Canal von Goletta in Verbindung stehenden
Salzsees, und gleicht, wie die Araber sich ausdrücken, einem ausgebreiteten Burnus,
dessen Kaputze die Kasbcch, d. h. die Citadelle, ist. Sie hat eine Stunde im
Umfang, etwa 1200 meist im arabischen Stile aus Steinen erbaute Hänser und
ist mit einer crenelirten, von Thürmen flankirten Mauer umgeben, an die sich
zwei Vorstädte anschließen. Die Citadelle, die aus jener Mauer hervorspringt,
bildet ein fast viereckiges Schloß, das schlecht erhalten und ausgerüstet und von
einem Theile der hier garnisonirendcn türkischen Miliz besetzt ist. In der Stadt
herrscht viel Schmutz und Verkommenheit; namentlich in den untern Quartieren,
wo die Abzugscanäle münden, ist der Geruch für Europäer unerträglich. Indeß
but Tunis auch einige bessre Partien auszuweisen, und die "Suks," bedeckte
Markthallen, sind zum Theile recht schön, so der Suk El Türk, der Suk El
Alcan und der Suk El Bey. Unter den zahlreichen Moscheen nimmt die Dschami
El Zeitun, die Moschee des Oelbaums, die vornehmste Stelle ein. Von andern


ÄrenMeii II. 1881. M
Der Streit um Tunis.

Baumwolle, und die Schnfheerden liefern vorzügliche Wolle. An Mineral-
producten werden Salpeter, Bleierze und Quecksilber gewonnen. Die Industrie
ist nicht unbeträchtlich, 5er Handel ziemlich lebhaft.

Die Bevölkerung, die nach einigen Quellen 2 Millionen, nach andern nicht
viel über 950 000 Seelen beträgt, besteht vorwiegend aus Arabern und Berbern,
dann aus maurischen Elementen, etwa 50 000 Juden und ungefähr 28 000
Europäern: unter letzter«? bilden die Italiener die Mehrzahl. Die herrschende
Religion ist der Islam. Der Handel concentrirt sich hauptsächlich in den Städten
Tunis und Susa. Ausgeführt werden Wolle, Olivenöl, Wachs und Honig, Seife,
Hänte, Saffian, Weizen und Gerste, Korallen, die bei der Insel Tabarka gefischt
werden, Schwämme und die im ganzen Morgenlande beliebten Erzeugnisse der
Fez-Fnbriken des Landes. Aus dem Innern von Afrika bringen Karawanen
Sennesblätter, Harze, Straußenfedern und Elfenbein. Die Einfuhr besteht aus
Manufacturwaaren, Cvlonialproducten und spanischen Weinen. Zu Lande ver¬
mitteln einige Eisenbahnen, die aber erst theilweise vollendet sind, zur See fremde
und einheimische Schiffe den Verkehr. 1875 liefen in den vier Haupthäfe»
Gvletta, Sfakes, Susa und Djerba 2220 Schiffe aus und 2114 ein, und die
gesammte Ausfuhr repräsentirte einen Werth von circa 13, die Einfuhr einen
Werth von ungefähr 9^ Millionen Mark. Die wichtigsten Küstenorte sind
telegraphisch mit der Hauptstadt verbunden, auch hat man eine unterseeische
Kabelvcrbindung zwischen Goletta und Algier und eine zweite mit Italien her¬
gestellt.

Von den Städten des Landes ist die wichtigste die Hauptstadt Tunis. Sie
liegt sechs Meilen vom Meere amphitheatralisch am Ende des El Bahira, eines
mit dem Golf von Tunis durch den Canal von Goletta in Verbindung stehenden
Salzsees, und gleicht, wie die Araber sich ausdrücken, einem ausgebreiteten Burnus,
dessen Kaputze die Kasbcch, d. h. die Citadelle, ist. Sie hat eine Stunde im
Umfang, etwa 1200 meist im arabischen Stile aus Steinen erbaute Hänser und
ist mit einer crenelirten, von Thürmen flankirten Mauer umgeben, an die sich
zwei Vorstädte anschließen. Die Citadelle, die aus jener Mauer hervorspringt,
bildet ein fast viereckiges Schloß, das schlecht erhalten und ausgerüstet und von
einem Theile der hier garnisonirendcn türkischen Miliz besetzt ist. In der Stadt
herrscht viel Schmutz und Verkommenheit; namentlich in den untern Quartieren,
wo die Abzugscanäle münden, ist der Geruch für Europäer unerträglich. Indeß
but Tunis auch einige bessre Partien auszuweisen, und die „Suks," bedeckte
Markthallen, sind zum Theile recht schön, so der Suk El Türk, der Suk El
Alcan und der Suk El Bey. Unter den zahlreichen Moscheen nimmt die Dschami
El Zeitun, die Moschee des Oelbaums, die vornehmste Stelle ein. Von andern


ÄrenMeii II. 1881. M
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[0261] Der Streit um Tunis. Baumwolle, und die Schnfheerden liefern vorzügliche Wolle. An Mineral- producten werden Salpeter, Bleierze und Quecksilber gewonnen. Die Industrie ist nicht unbeträchtlich, 5er Handel ziemlich lebhaft. Die Bevölkerung, die nach einigen Quellen 2 Millionen, nach andern nicht viel über 950 000 Seelen beträgt, besteht vorwiegend aus Arabern und Berbern, dann aus maurischen Elementen, etwa 50 000 Juden und ungefähr 28 000 Europäern: unter letzter«? bilden die Italiener die Mehrzahl. Die herrschende Religion ist der Islam. Der Handel concentrirt sich hauptsächlich in den Städten Tunis und Susa. Ausgeführt werden Wolle, Olivenöl, Wachs und Honig, Seife, Hänte, Saffian, Weizen und Gerste, Korallen, die bei der Insel Tabarka gefischt werden, Schwämme und die im ganzen Morgenlande beliebten Erzeugnisse der Fez-Fnbriken des Landes. Aus dem Innern von Afrika bringen Karawanen Sennesblätter, Harze, Straußenfedern und Elfenbein. Die Einfuhr besteht aus Manufacturwaaren, Cvlonialproducten und spanischen Weinen. Zu Lande ver¬ mitteln einige Eisenbahnen, die aber erst theilweise vollendet sind, zur See fremde und einheimische Schiffe den Verkehr. 1875 liefen in den vier Haupthäfe» Gvletta, Sfakes, Susa und Djerba 2220 Schiffe aus und 2114 ein, und die gesammte Ausfuhr repräsentirte einen Werth von circa 13, die Einfuhr einen Werth von ungefähr 9^ Millionen Mark. Die wichtigsten Küstenorte sind telegraphisch mit der Hauptstadt verbunden, auch hat man eine unterseeische Kabelvcrbindung zwischen Goletta und Algier und eine zweite mit Italien her¬ gestellt. Von den Städten des Landes ist die wichtigste die Hauptstadt Tunis. Sie liegt sechs Meilen vom Meere amphitheatralisch am Ende des El Bahira, eines mit dem Golf von Tunis durch den Canal von Goletta in Verbindung stehenden Salzsees, und gleicht, wie die Araber sich ausdrücken, einem ausgebreiteten Burnus, dessen Kaputze die Kasbcch, d. h. die Citadelle, ist. Sie hat eine Stunde im Umfang, etwa 1200 meist im arabischen Stile aus Steinen erbaute Hänser und ist mit einer crenelirten, von Thürmen flankirten Mauer umgeben, an die sich zwei Vorstädte anschließen. Die Citadelle, die aus jener Mauer hervorspringt, bildet ein fast viereckiges Schloß, das schlecht erhalten und ausgerüstet und von einem Theile der hier garnisonirendcn türkischen Miliz besetzt ist. In der Stadt herrscht viel Schmutz und Verkommenheit; namentlich in den untern Quartieren, wo die Abzugscanäle münden, ist der Geruch für Europäer unerträglich. Indeß but Tunis auch einige bessre Partien auszuweisen, und die „Suks," bedeckte Markthallen, sind zum Theile recht schön, so der Suk El Türk, der Suk El Alcan und der Suk El Bey. Unter den zahlreichen Moscheen nimmt die Dschami El Zeitun, die Moschee des Oelbaums, die vornehmste Stelle ein. Von andern ÄrenMeii II. 1881. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/261>, abgerufen am 01.07.2024.